Sonntagabend, 7. Januar. Langnau hat gegen den SC Bern kläglich mit 1:5 verloren. Die sechste Niederlagein Serie. Trainer Heinz Ehlers ist zornig. Sehr zornig. Er gibt sich keine Mühe, seinen Unmut vor den Chronisten zu verbergen. Erst grantelt er, die Haie seien wieder mal hier. Nach einer Niederlage sei das Interesse der Chronisten an ihm stets gross. Nach einem Sieg weniger. Er kritisiert das Auftreten seiner Jungs. Die Fehler, die Disziplinlosigkeiten. Er spricht im Zusammenhang mit einer Strafe gar von Dummheit. Und als ein weiterer Chronist dazu kommt und etwas fragt, faltet er ihn zusammen: «Wenn du rechtzeitig gekommen wärst, müsste ich jetzt nicht noch einmal wiederholen, was ich bereits erzählt habe!»
Hier steht er im Kabinengang und kann nicht anders: Heinz Ehlers ist authentisch und deshalb auch dann charismatisch, wenn er böse ist. Und so manch einer denkt: «Gott sei Dank ist der nicht mein Chef!»
Ehlers ist nicht nur ein Hexenmeister der Taktik. Er versteht auch die Seele seiner Spieler. Die grösste Kunst eines Trainers ist es, in einer Krise einen Ausweg zu finden. Seinen Jungs wieder Disziplin und Selbstvertrauen zu geben. Sie auf die Strasse des Sieges zurückzuführen.
Die Reaktion der Mannschaft auf diese schlimme 1:5-Pleite gegen den SCB ist heftig und beeindruckend. Erst ein 1:0-Sieg nach Penaltys in Lausanne und nun ein 4:0-Erfolg gegen Lugano. Goalie Damiano Ciaccio lässt in zwei Partien keinen Treffer zu. Er hatte in Lausanne auch alle Penaltys gehalten. Wir haben im Vergleich zur Derby-Demütigung ein «neues» Langnau gesehen: Selbstsicher, rau, leidenschaftlich, geradlinig, taktisch diszipliniert.
Freitagabend, 12. Januar. Wieder im Kabinengang zu Langnau. Lugano hat soeben 0:4 verloren. Die neunte Niederlage in den letzten 13 Spielen. Die Tessiner haben einen kläglichen Eindruck hinterlassen und waren von der ersten Minute an chancenlos. Nur selten war die Differenz zwischen der Lohnsumme und der Leistung einer Mannschaft so gross wie in dieser Partie. Lugano ist noch schlimmer als Langnau beim 1:5 gegen Bern. Disziplinlos. Ohne Leidenschaft. Ohne Ordnung. Ohne Biss und ohne Selbstvertrauen. Zum zweiten Mal hintereinander hat die teuerste Mannschaft ausserhalb der NHL und der KHL kein Tor erzielt. Am Dienstag 0:2 in Zug und jetzt 0:4 im Emmental. Die Chronisten verlangen Trainer Greg Ireland zu sprechen.
Luganos Trainer reagiert ganz anders auf die Niederlage als Heinz Ehlers. Er ist nicht böse. Keine Kritik an seinen Jungs. Er bemängelt zwar fehlenden Einsatz, präzisiert aber sogleich, das sei eine Folge des fehlenden Selbstvertrauens und einer Verkrampfung. «Die müssen wir lösen.» Er sagt, Lugano habe zuletzt in Zug gut gespielt und mag auch das soeben in Langnau erlittene 0:4 nicht schlechtreden. Er strahlt den geschäftigen Optimismus aus, der Nordamerikanern in einer Krise so eigen ist. Der Mann, der eine Gruppe von Jungmillionären an die Leistungsgrenze führen sollte, hat das Charisma eines gestressten Materialwartes.
Ein vorwitziger Chronist fragt Luganos Chef, ob er während der Pause in der Kabine laut geworden sei. Darauf geht er nicht ein und sagt: «Was in unserer Kabine passiert, bleibt in der Kabine.» Den Einwand, kürzlich sei aber sehr wohl nach aussen gedrungen, was in Luganos Heiligtum vorgefallen sei (der Fall Brunner) übergeht er professionell und fragt, ob es noch weitere Fragen gebe. Es gibt keine.
Wir erleben also im Kabinengang zwei Trainer, die völlig unterschiedlich auf miserable Leistungen ihres Teams reagieren. Heinz Ehlers ist es gelungen, die Wende herbeizuführen. Greg Ireland nach wie vor nicht. Und auch ein Heimsieg gegen Servette im nächsten Spiel wäre nur eine Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Wenn er in Lugano Trainer bleiben will, dann muss er ein «neues» Lugano erschaffen – wie Heinz Ehlers ein «neues» Langnau.
Die Langnauer möchten unbedingt mit ihrem Trainer verlängern. In Lugano ist es hingegen noch keineswegs sicher, dass der Trainer am Ende der Saison noch im Amt ist. Kein Schelm, höchstens ein Polemiker, wer jetzt denkt: Heinz Ehlers ist ein grosser, Greg Ireland hingegen ein kleiner Trainer.
Aber wir sollten nicht fair sein. In diesem Jahrhundert war eigentlich nur ein Trainer in Lugano so gnadenlos ehrlich und authentisch wie Heinz Ehlers. Am 22. Oktober 2011 warf Barry Smith in Lugano nach einem 0:9 gegen Kloten das Handtuch und ging. Mit einer Begründung, die noch heute gilt: «Diese Mannschaft ist uncoachbar. Jeder macht, was er will.» Grande Barry.