Immer mehr Leute haben in der Schweiz ihre erste oder gar zweite Impfdosis gegen SARS-CoV-2 erhalten. Mit der Impfkampagne sind grosse Hoffnungen verbunden; sie soll die Pandemie eindämmen und die Rückkehr zur Normalität ermöglichen, wie es in Israel anscheinend bereits der Fall ist.
Doch die Impfung weckt nicht nur Hoffnungen, sondern auch Ängste. Und nach wie vor herrscht Unsicherheit, bleiben Fragen: Verhindern die Impfstoffe wirklich eine Ansteckung mit dem Virus? Wie lange sind Geimpfte immun? Wie sieht es mit jenen aus, die bereits eine Erkrankung an Covid-19 überstanden haben?
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Was wir wissen, und was derzeit noch nicht klar ist, zeigt diese Übersicht zu den wichtigsten Fragen.
Derzeit sind in der Schweiz drei Covid-19-Impfstoffe bereits zugelassen, zwei weitere befinden sich im Zulassungsverfahren von Swissmedic:
Die Zulassungsstudien und – bei bereits zugelassenen Impfstoffen – auch die nachfolgenden Untersuchungen während der breiten Anwendung konnten eine hohe Wirksamkeit der Impfstoffe nachweisen. Im Vergleich zu Personen, die lediglich ein Placebo erhielten, ist die Wahrscheinlichkeit, am Virus zu erkranken, massiv niedriger. Beim Schutz vor schweren oder sogar tödlichen Verläufen der Krankheit liegt die Wirksamkeit zum Teil noch höher.
Die Beobachtungsstudien zu laufenden Impfkampagnen – sie liegen vor allem zu den Vakzinen von Biontech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna vor – geben zum Teil unterschiedliche Werte zur Wirksamkeit an, bescheinigen den Impfstoffen aber durchwegs einen hohen Schutz vor Krankheitsverläufen, die eine Hospitalisierung erforderlich machen. Im Vergleich zur durchschnittlichen Wirksamkeit einer Grippe-Impfung (ca. 60 %) sind diese Covid-19-Impfstoffe durchwegs effektiver.
Der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer zeigt laut der Zulassungsstudie für die EMA eine Schutzwirkung von 95 Prozent (sieben Tage nach der zweiten Dosis). Gemäss einer umfassenden schottischen Effektivitätsstudie bietet das Vakzin zudem bereits vier bis fünf Wochen nach der ersten Dosis einen Schutz von 85 Prozent vor einer Hospitalisierung aufgrund einer Covid-19-Erkrankung. Gemäss einer noch unveröffentlichten britischen Studie sind es 80 Prozent bei Über-80-Jährigen, drei bis vier Wochen nach der ersten Dosis. Bei Jugendlichen (12 bis 15 Jahre) soll der Impfstoff laut einer noch ungeprüften Studie sogar zu 100 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung schützen.
Für das Vakzin von Biontech/Pfizer existiert ausserdem eine breite Studie des israelischen Clalit Research Institute, das in Zusammenarbeit mit der Bostoner Harvard University die Daten von knapp 600'000 geimpften Personen ab 16 Jahren auswertete. Diese erste gross angelegte, von Experten überprüfte Analyse der Wirksamkeit eines Covid-19-Impfstoffs in einer nationalen Impfkampagne konnte die Ergebnisse der klinischen Phase-III-Studie bestätigen. Die Studie wurde im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Auch eine noch nicht geprüfte umfangreiche Langzeitstudie aus Grossbritannien bescheinigt dem Vakzin eine hohe Wirksamkeit. Drei Wochen nach der ersten Dosis nahmen Infektionen mit Symptomen um 74 Prozent ab, während solche ohne Symptome um 57 Prozent verringert waren. Nach der zweiten Dosis lag die Wirksamkeit bei 90 Prozent.
Der mRNA-Impfstoff von Moderna, der auch vom Pharmazulieferer Lonza in der Schweiz hergestellt wird, erreicht (zwei Wochen nach der zweiten Dosis) laut der Zulassungsstudie für die EMA eine Wirksamkeit von 94,1 Prozent, nach Angaben von Moderna 94,5 Prozent. Das Vakzin schützt jüngere Altersgruppen etwas besser (96 %) als Personen über 65 Jahre (86 %). Gemäss einer aktuellen Studie der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) liegt die Wirksamkeit des Impfstoffs bei Über-65-Jährigen, die beide Dosen erhalten haben, bei 94 Prozent. Personen aus dieser Altersgruppe, die nur eine Dosis erhalten hatten, waren zu 64 Prozent vor einem Krankheitsverlauf geschützt, der zur Hospitalisierung führt.
Laut der Zulassungsstudie für die EMA schützt der Vektorviren-Impfstoff des amerikanischen Pharmakonzerns zu 85,4 Prozent vor schweren Covid-19-Erkrankungen (vier Wochen nach der Impfung). Gegen leichte bis schwerere Krankheitsverläufe beträgt die Wirksamkeit 66 Prozent. Bei diesem Vakzin reicht – im Gegensatz zu den Impfstoffen von Biontech, Moderna und AstraZeneca – eine einzige Dosis.
Der Vektorviren-Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns bietet gemäss der Zulassungsstudie für die EMA einen Schutz von 62,6 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung. Vor einem Krankheitsverlauf, der eine Hospitalisierung erforderlich macht, schützt das Vakzin laut der zuvor erwähnten schottischen Studie zu 94 Prozent – und dies bereits vier bis fünf Wochen nach der ersten Dosis. Auch die ebenfalls zuvor erwähnte, noch nicht veröffentlichte britische Studie bescheinigt dem Vakzin eine hohe Wirksamkeit bei älteren Personen; sie bietet bei Über-80-Jährigen wie beim Impfstoff von Biontech/Pfizer einen Schutz von 80 Prozent vor einer Hospitalisierung.
Laut der noch nicht von Experten geprüften Langzeitstudie aus Grossbritannien ist die Wirksamkeit des Vakzins nach der ersten Dosis gleich hoch wie jene des Biontech/Pfizer-Impfstoffs: Drei Wochen nach der ersten Dosis nahmen symptomatische Infektionen um 74 Prozent ab, asymptomatische um 57 Prozent. Die Werte nach der zweiten Dosis konnten nicht erhoben werden, da noch zu wenig Personen eine solche erhalten hatten.
Zum mRNA-Impfstoff von CureVac liegen noch keine endgültigen Ergebnisse aus einer Phase-III-Studie vor. Die Resultate aus der Phase-I-Studie hatten gezeigt, dass CVnCoV eine ähnliche Immunantwort wie eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion erzeugt.
Die bereits zugelassenen Impfstoffe schützen grundsätzlich auch gegen die Variationen von SARS-CoV-2, die sogenannten Mutanten – allerdings nicht im selben Ausmass. Welcher Impfstoff vor welcher Mutante besser schützt, ist umstritten. Studien und Erfahrungsberichte kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Gegen die in der Schweiz bereits dominante Variante B.1.1.7, die eine höhere Übertragungsrate hat und zu schwereren Krankheitsverläufen führen kann, scheinen die drei in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe wirksam zu sein, wie die Swiss National COVID-19 Science Task Force diesen Monat mitteilte. Auch das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt, es gebe bisher keine «Hinweise auf eine substantiell verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe». Hingegen vermutet das RKI, dass die Wirksamkeit dieser Impfstoffe gegen die noch seltene Sonderform B.1.1.7 E484K vermindert sein könnte.
Diese Variante, die in Südafrika zum ersten Mal festgestellt wurde und in der Schweiz aktuell lediglich eine Häufigkeit von unter 1 Prozent aufweist, könnte ebenfalls eine höhere Übertragungsrate haben. Mehrere Studien weisen laut RKI darauf hin, dass die Antikörper von Personen, die zuvor mit der ursprünglichen Variante infiziert waren oder einen darauf zugeschnittenen Impfstoff erhalten haben, gegen diese Mutante weniger wirksam sind. Der Immunschutz gegen diese Variante wäre damit schwächer.
Insbesondere das Vakzin von AstraZeneca bietet hier laut Studien der Universitäten Oxford und Johannesburg nur einen reduzierten Schutz von 10 Prozent vor leichten und mittelschweren Krankheitsverläufen. Auch das Vakzin von Johnson & Johnson zeigte eine etwas verringerte Wirksamkeit gegen diese Variante des Virus. Hingegen könnte der Impfstoff von Curevac gut gegen die südafrikanische Mutante wirken, wie präklinische Tests zeigten. Moderna hat laut eigenen Angaben einen modifizierten variantenspezifischen Impfstoffkandidaten (mRNA-1273.351) gegen diese Variante entwickelt, zu dem bereits eine Phase-II-Studie läuft.
Auch die erstmals in Brasilien nachgewiesene Variante P.1, die der südafrikanischen Mutante ähnelt, verursacht in der Schweiz derzeit weniger als 1 Prozent der Fälle. Bei dieser Variante deuten experimentelle Daten gemäss RKI ebenfalls darauf hin, dass neutralisierende Antikörper von Genesenen und Geimpften weniger wirksam sind.
Die Variante B.1.617, die derzeit in mehreren indischen Bundesstaaten die Fallzahlen explodieren lässt, besitzt zwei Mutationen, die laut RKI «mit einer reduzierten Wirksamkeit der Immunantwort in Verbindung gebracht werden». Diese Variante könnte zudem leichter übertragbar sein. Noch sind die Erkenntnisse aber nicht gesichert.
Diese Frage ist zurzeit nicht geklärt und Gegenstand der Forschung. Carlos A. Guzman, Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, sagte dem «Science Media Center Germany»: «Es ist noch unklar, wie lange der Schutz vor einer Erkrankung nach der Impfung anhält und welche Impfstoffe in welchem Ausmass und für wie lange einen Schutz vor einer Infektion und viraler Übertragung vermitteln.»
Die Immunantwort des Körpers auf eine Impfung unterscheidet sich von derjenigen auf eine natürliche Infektion. SARS-CoV-2 gelangt vornehmlich über die Schleimhäute der Atemwege in den Körper, der besonders dort schnell reagiert und eine eigene Immunantwort der Atemwege aufbaut, die das Virus direkt vor Ort neutralisieren können. Bei der intramuskulär applizierten Impfung bildet sich hingegen vor allem ein Antikörperschutz im Blut aus, wobei einige der Antikörper auch in die Schleimhäute der Atemwege gelangen. Noch ist nicht klar, wie sich dieser Unterschied auswirkt. Über die Atemwege applizierte Impfstoffe, etwa Sprays, wären mit Sicherheit besser geeignet, sind aber derzeit nicht verfügbar.
Wie lange der Impfschutz anhält, hängt vom Antikörperspiegel im Blut ab. Eine kürzlich als Preprint erschienene Studie an 46'000 Erwachsenen bescheinigt den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und AstraZenca nach Verabreichung der ersten Dosis eine starke Stimulierung von Antikörpern, die auch zehn Wochen danach noch weitgehend anhielt. Der Antikörperspiegel stieg beim Vakzin von AstraZeneca langsamer an und erreichte ein niedrigeres Niveau als beim Biontech/Pfizer-Impfstoff. Hingegen ging der Antikörperspiegel bei letzterem nach einer Dosis schneller zurück, besonders bei älteren Personen.
Eine bereits im Februar im Fachmagazin «The Lancet» publizierte Studie zur Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs ergab, dass der Impfschutz innerhalb der ersten drei Monate nicht zurückging und der Antikörperspiegel lediglich minim sank.
Diese Ergebnisse sind allerdings vorläufig. Möglicherweise wird der Impfschutz nicht permanent sein, sondern muss in regelmässigen Abständen aufgefrischt werden. Der CEO von Pfizer, Albert Bourla, sagte Mitte April dem US-Nachrichtensender CNBC: «Eine wahrscheinliche Hypothese ist, dass eine dritte Dosis nach sechs bis zwölf Monaten benötigt wird und danach jedes Jahr geimpft werden muss – aber das alles muss erst noch bestätigt werden.»
Wichtig ist hier, einen wesentlichen Unterschied im Auge zu behalten: Die Impfungen verhindern in hohem Masse die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken. Etwas anderes ist die Verhinderung einer Infektion.
Da die Impfstoffe wie oben erwähnt nicht über die Schleimhäute verabreicht werden können, sondern intramuskulär appliziert werden müssen, regen sie nicht ein starkes lokales Immungedächtnis in den Atemwegen an – also dort, wo das Virus in der Regel in den Körper gelangt. Die in Reaktion auf die Impfstoffe gebildeten Antikörper, die im Blut zirkulieren, gelangen zwar auch in die Atemwege, bieten dort aber vermutlich nur einen teilweisen Schutz vor einer Infektion. Erfolgt eine solche, reduzieren sie immerhin die Menge und Dauer der Virusausscheidung.
Es ist also möglich, dass sich Geimpfte zwar mit dem Virus infizieren, danach aber nicht oder nur leicht erkranken. Solche Fälle weisen also eine bestimmte Viruslast auf und können dadurch ansteckend sein. Aus diesem Grund müssen sich, solange die Pandemie nicht abgeebbt ist, auch Geimpfte weiterhin an die Massnahmen halten, die Ansteckungen vermeiden sollen.
In der Frage, wie ansteckend geimpfte Personen sind, herrscht nach wie vor Unsicherheit, auch wenn erste Studien Hinweise darauf geben, in welchem Ausmass dies der Fall sein könnte.
Die im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der Impfstoffe erwähnte, noch nicht von Experten geprüfte britische Langzeitstudie hat diesbezüglich ergeben, dass auch unter geimpften Personen asymptomatisch Infizierte vorkommen. Diese weisen in aller Regel zwar eine geringe Viruslast in Mund und Rachen auf, was für die Übertragung relevant ist. Es gibt allerdings auch wenige Fälle, bei denen die Viruslast deutlich höher ist und die daher andere Personen leichter anstecken können.
Neue Zahlen dazu bringt eine am 28. April vorgelegte britische Studie, die im Auftrag der Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) durchgeführt wurde. Sie hat ergeben, dass bereits eine erste Dosis der Impfstoffe von Biontech/Pfizer und AstraZeneca das Risiko deutlich reduzieren kann, das Virus im eigenen Haushalt auf weitere Personen zu übertragen. Untersucht wurden in der Studie 57'000 Kontakte in 24'000 Haushalten, in denen eine zuvor bereits geimpfte Person positiv auf das Virus getestet wurde, und zum Vergleich rund eine Million Kontakte von ungeimpften Personen.
Gemäss der Studie stecken mit einer ersten Dosis geimpfte Personen, die sich innerhalb von drei Wochen nach deren Verabreichung infizieren, andere Haushaltsmitglieder mit einer zwischen 38 und 49 Prozent reduzierten Wahrscheinlichkeit an als Ungeimpfte. Dabei reduzierte das Vakzin von Biontech/Pfitzer das Risiko etwas stärker als jenes von AstraZeneca.
Seit Beginn der Pandemie in der Schweiz verzeichnet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mehr als 650'000 laborbestätigte Fälle einer Infektion mit SARS-CoV-2 (Stand Ende April 2021). Von diesen verliefen rund 10'000 tödlich; die derzeit aktiven Fälle belaufen sich laut Worldometer etwa auf 60'000. Alle anderen, ob sie nun einen asymptomatischen Krankheitsverlauf erlebten oder hospitalisiert werden mussten, haben die Infektion – von möglichen Langzeitschäden abgesehen – überstanden. Die Frage, die sich nicht nur diesen Genesenen stellt, lautet: Bleibt die Immunität bestehen oder verschwindet der Immunschutz mit der Zeit wieder?
Die Menge der vom Immunsystem gebildeten Antikörper ist in der Regel abhängig von der Schwere und Dauer der Erkrankung – je schwerer jemand an Covid-19 erkrankt war, desto höher ist sein Antikörperspiegel im Blut. Mit der Zeit sinkt dieser Spiegel bei Genesenen wieder ab. Die Zahl der T-Zellen, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Immunantwort spielen, nimmt schnell ab – hingegen nimmt die Zahl der Gedächtniszellen zumindest für eine Weile zu.
Eine im Februar erschienene amerikanische Studie hat untersucht, wie sich die Anzahl der verschiedenen Abwehrzellen bis zu acht Monate nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung verändert. Die Wissenschaftler analysierten 254 Proben von 188 Personen, die alle zuvor an Covid-19 erkrankt waren, wobei 43 Proben mindestens sechs Monate nach der Infektion entnommen wurden. Es zeigte sich, dass die Konzentration der Antikörper mehr als sechs Monate lang stabil blieb, während die Anzahl der Gedächtniszellen, die spezifisch auf das Spike-Protein des Virus ausgerichtet waren, nach sechs Monaten höher lag als zu Beginn der Erkrankung. Die Vorläuferzellen der Gedächtniszellen (CD4+- und CD8+-Zellen) wiesen eine Halbwertszeit von drei bis fünf Monaten auf – nach dieser Zeitspanne war die Hälfte von ihnen wieder verschwunden.
Die Wissenschaftler schlossen aus diesen Ergebnissen, dass 95 Prozent der Probanden fünf bis acht Monate nach der Infektion noch mindestens drei von vier an der Immunantwort beteiligten Zelltypen im Blut aufwiesen. Damit sollten die meisten Menschen mindestens acht Monate nach einer Infektion noch immun gegen SARS-CoV-2 sein. Langzeitstudien liegen dazu naturgemäss noch nicht vor. Anzunehmen ist allerdings, dass zumindest schwere Verläufe für längere Zeit verhindert werden.
Dennoch gibt es Fälle von Reinfektionen. Sie sind freilich sehr selten – eine Studie aus Katar mit 133'266 Testpersonen ermittelte 54 solche Fälle. Die Studienautoren schlossen daher auf ein Risiko einer Zweitinfektion mit Symptomen von 0,02 Prozent. Eine Untersuchung in Grossbritannien an 20'000 Krankenhausmitarbeitern fand verhältnismässig mehr Fälle, wobei die asymptomatischen Fälle mitgezählt wurden. Diese Studie kam zum Schluss, dass der Immunschutz nach einer überstandenen Ansteckung das Risiko einer Reinfektion um 83 Prozent senkt. Die Wahrscheinlichkeit, erneut mit Symptomen zu erkranken, war sogar 95 Prozent niedriger.
Eine im März in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlichte Studie aus Dänemark konnte zeigen, dass der Schutz vor einer Reinfektion nach überstandener Covid-19-Erkrankung altersabhängig ist. Während Genesene im Schnitt zu 80 Prozent vor einer erneuten Infektion geschützt waren, lag der entsprechende Wert in der Altersgruppe der Über-65-Jährigen lediglich bei 47 Prozent. Der Grund dafür dürfte wohl in der Tatsache liegen, dass das Immunsystem bei älteren Personen weniger gut auf Herausforderungen reagiert als bei jüngeren. Die dänische Studie fokussiert allerdings auf den ursprünglichen SARS-CoV-2-Typ; Mutanten wie die britische Variante, die mittlerweile dominiert, oder die südafrikanische Variante wurden nicht berücksichtigt.
SARS-CoV-2 kursiert erst seit kurzem in der menschlichen Population. Vieles ist noch unklar und kann erst durch Langzeitstudien geklärt werden. Noch ist beispielsweise unklar, ob eine überstandene Infektion auch langfristig vor einer erneuten Infektion schützen kann – dies werden erst Langzeitstudien klären können. Ebenso ist derzeit noch kaum absehbar, ob eine durchgemachte Infektion genügend vor den verschiedenen Varianten des Virus schützen kann.
Unter «Long Covid» versteht man das Phänomen, dass ein Teil der an Covid-19 Erkrankten einen verlängerten Krankheitsverlauf mit sehr unterschiedlichen Symptomen aufweisen. Es handelt sich schätzungsweise um 10 bis 30 Prozent; die Wahrscheinlichkeit, ein solches Long-Covid-Syndrom zu entwickeln, ist unabhängig von der Schwere der akuten Infektion. Betroffen sind auch Patienten mit leichtem oder mildem Verlauf, die nicht hospitalisiert werden mussten. Die Ursache von Long Covid ist nicht geklärt. Möglicherweise spielen dabei quasi «schlummernde» Virus-Restbestände im Gewebe des Zentralnervensystems eine Rolle, die sich nur langsam vermehren.
Mittlerweile gibt es Hinweise, dass eine Covid-19-Impfung Patienten, die am Long-Covid-Syndrom leiden, Linderung verschaffen könnte. So berichteten Patienten verschiedentlich auf Twitter von verschwindenden Symptomen nach einer Impfung. Und eine im März als Preprint veröffentlichte britische Studie zeigte, dass Long-Covid-Patienten, die einen Impfstoff erhalten hatten, eine geringe allgemeine Verbesserung der Symptome erlebten. Insgesamt 66 Patienten, die zuvor mit Covid-19 hospitalisiert worden waren, wurden jeweils drei sowie acht Monate nach der Einweisung ins Krankenhaus untersucht. 44 von ihnen hatten nach ihrer Infektion einen Impfstoff von Biontech/Pfizer oder AstraZeneca erhalten. 82 Prozent der Probanden litten acht Monate nach der Einweisung an mindestens einem Symptom, wobei Müdigkeit (61 %), Atemnot (50 %) und Schlaflosigkeit (38 %) dominierten.
Die nach der Infektion Geimpften zeigten im Vergleich zu den Ungeimpften eine Abnahme von sich verschlechternden Symptomen – bei den Ungeimpften kam es in 14,2 Prozent der Fälle zu einer Verschlechterung, bei den Geimpften nur bei 5,6 Prozent. Zudem verschwanden bei den Geimpften eher Symptome (23,2 %) als bei den Ungeimpften (15,4 %). Es konnte dabei kein Unterschied in der Wirkung der beiden verabreichten Impfstoffe festgestellt werden.
Die Studie ist jedoch noch nicht von Experten geprüft, zudem basiert sie auf einer geringen Zahl von Probanden. Im Lichte der Ergebnisse erscheint jedoch die Praxis, bereits mit SARS-CoV-2 Infizierte frühestens sechs Monate nach der Infektion zu impfen, nur durch die Impfpriorisierung gerechtfertigt – medizinische Gründe dafür gibt es nicht. Möglicherweise könnte eine frühere Impfung Long-Covid-Fälle verhindern oder lindern.