Der israelische Geheimdienst Mossad hatte laut einem Zeitungsbericht mehrfach die Möglichkeit, den in Südamerika untergetauchten Nazi-Verbrecher Josef Mengele festzunehmen. Dies schreibt der israelische Journalist Ronen Bergman in der Wochenzeitung «Die Zeit».
Bergman hat nach eigenen Angaben Interviews mit Angehörigen des Mossads geführt und Einblick in die Akte des Mossads über Mengele erhalten.
«Die Recherchen zeichnen das Bild einer gescheiterten Operation – und eines Geheimdienstes, der die Suche nach Mengele erstaunlich lange schleifen liess», schreibt Bergman. Der Mossad äusserte sich zunächst nicht zu dem Bericht.
Der Arzt Mengele war im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz für grausamste medizinische Experimente verantwortlich und unter dem Namen «Todesengel von Auschwitz» berüchtigt. Er führte Infektionsversuche mit Typhusbakterien an eineiigen Zwillingen durch, wobei er seinen Versuchspersonen Gliedmassen amputierte oder ihnen Organe aus dem Körper schnitt. Zahlreiche Opfer tötete er, um sie obduzieren zu können.
Mengele war nach Kriegsende zunächst die Flucht nach Argentinien und 1960 nach Brasilien gelungen. 1979 ertrank er bei einem Badeunfall im Küstenort Bertioga im Bundesstaat São Paulo.
Mossad-Agenten kamen laut «Zeit» 1962 dank der Hinweise eines Journalisten in der Nähe von São Paulo auf die Spur von Mengele. Der Geheimdienst observierte einen Exildeutschen, der öfter eine abgelegene Farm am Rande von São Paulo aufsuchte. Im Rahmen dieser Überwachung trafen im Juli 1962 mehrere bewaffnete Mossad-Agenten auf eine Gruppe von Männern, unter denen sich offenbar Mengele befand.
Doch die Zentrale erlaubte den Zugriff nicht. «Zu jener Zeit war der Mossad mit anderen Operationen im Nahen Osten beschäftigt, die Kapazitäten reichten nicht aus», schreibt Ronen. Der Mann verschwand wieder.
Später verwies das israelische Konsulat in Buenos Aires auf eine Frau, die berichtete, sie sei bei einem Verwandten auf der Geburtstagsfeier für Mengele gewesen, ebenfalls 1962. Doch der Mossad schickte nur einen Agenten hin zur Untersuchung, der später unverrichteter Dinge wieder abreiste.
1960 hatte der Mossad den Organisator des Holocausts, Adolf Eichmann, in Argentinien entführt und nach Israel gebracht, wo er vor Gericht gestellt und 1962 hingerichtet wurde. «Zur Zeit, als wir Eichmann festnahmen, lebte Mengele in Buenos Aires. Wir machten seine Wohnung ausfindig und observierten sie», sagte nun der damalige Leiter der Operation, Rafi Eitan, im israelischen Radio.
Mossad-Chef Isser Harel wollte, dass die Agenten neben Eichmann auch gleich noch Mengele kidnappen sollten. Eitan sagte, er habe damals dagegen argumentiert: «Ich wollte nicht zwei Operationen gleichzeitig abwickeln. Denn wir hatten eine erfolgreiche Operation in der Tasche, und wenn Du versuchst, eine zweite vorzunehmen, gefährdest Du meiner Erfahrung nach beide.»
Schliesslich blieb Eitan in Argentinien zurück, um Mengele zu überwachen, während seine Kollegen Eichmann nach Israel brachten. «Mengele war nicht zu Hause, und die Nachbarn sagten, er werde in einer Woche zurück sein», sagte Eitan. «Wir warteten eine Woche, doch in der Zwischenzeit ging die Nachricht von seiner (Eichmanns) Gefangennahme um die Welt, und Mengele kehrte nie in seine Wohnung in Buenos Aires zurück.»
(dhr/sda/dpa)