Die Aargauer Polizei entdeckt das Darknet – und jagt Cannabis-Verkäufer 🙈
Begeisterung ist ansteckend.
Dies sah man diese Woche an der Berichterstattung über einen aktuellen Fall der Aargauer Justiz.
Die Nachrichtenagentur SDA verbreitete am Dienstag die frohe Botschaft Medienmitteilung der Kantonspolizei Aargau, dass drei mutmassliche Schweizer Darknet-Drogenhändler überführt worden seien. Nachrichtenportale (ja, auch watson), Radio und Fernsehen übernahmen die Meldung, die in weiten Teilen der Verlautbarung der Strafverfolger entsprach.
Mittlerweile hat sich der Pulverdampf verzogen und wir halten fest: Es waren keine «grossen Fische», die ins Netz gingen. Wer über mehrere Jahre Drogen verkauft und einen (geschätzten) Umsatz von lediglich 100'000 Franken erzielt, ist im illegalen Business höchstens eine durchschnittliche Nummer.
Andere Kaliber gingen im letzten Monat der deutschen Polizei ins Netz:
- In Dortmund wurden zwei mutmassliche Drogenhändler verhaftet, die laut Polizei-Mitteilung vom 4. August allein in den vergangenen Wochen «mehrere hundert Kilogramm vor allem an Amphetaminen verschickt haben» sollen.
- Anfang Juli informierte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main über die Festnahme von mutmasslichen Verantwortlichen und Mitgliedern der Kinderschänder-Plattform «ELYSIUM» und deren Abschaltung.
Was ist das Besondere am Fang der Aargauer? Dem «Blick» sagte der Sprecher der Kantonspolizei:
Die Aargauer haben also das Darknet entdeckt. Und während man in den USA und anderen Ländern Cannabis legalisiert, jagt man in Züri West weiter Gras-Dealer.
Zur Verteidigung der Ordnungshüter: Die Ermittlungen ergaben nicht nur den Handel «beträchtlicher Mengen Marihuanas», zumindest einer der Verhafteten verkaufte auch «grosse Mengen» Amphetamin, Ecstasy, Kokain und LSD.
Ob das kiloweise Substanzen waren, ist nicht bekannt. Konkrete Zahlen nennen die Aargauer nicht. Was wir wissen, ist, dass mindestens einer der mutmasslichen Täter viele Monate in Untersuchungshaft sass und dieser Tage entlassen wird.
Auf Anfrage von watson bestätigt die Aargauer Kantonspolizei, dass sie keine «Wunderwaffe» besitze, um die Verschlüsselung des Tor-Netzwerks zu knacken. Viel mehr will man aus ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten.
Doch war offensichtlich Kommissar Zufall am Werk. Gegenüber dem «Blick» sagte der Mediensprecher: «Bei den ersten Ermittlungen ging es eigentlich nicht um Drogen.»
Sprich: Einer der mutmasslichen Dealer verhielt sich dermassen dumm oder unvorsichtig, dass er nicht nur ins Visier der Polizei geriet, sondern seine Darknet-Aktivitäten aufflogen.
Verhaftet wurden drei Schweizer, darunter zwei Männer mit den Darknet-Pseudonymen «DerErsteAffe» und «DrFeelWell».
Und hier schliesst sich der Kreis.
«DerErsteAffe» (oder jemand, der das gleiche Pseudonym nutzte, um über das Darknet Cannabis zu verkaufen) stand auch mit dem Schweizer Journalisten Otto Hostettler in Kontakt. Dieser recherchierte für ein Sachbuch über das Darknet*.
Nachdem Hostettler beim Affen 2,5 Gramm Cannabis bestellt hatte, traf nicht nur die Bestellung in einem luftgepolsterten Briefumschlag ein. Der Journalist erhielt auch noch elektronische Post. Über einen verschlüsselten Web-Mail-Dienst schickte ihm der Darknet-Dealer diesen Reim:
Da hat sich ein Journalist getraut
und kaufte sich etwas von meinem Affenkraut.
Neugierig bin auch ich
was ist der Hintergrund dieser Geschicht.
Wohin geht das Kraut
wenn man sich als Journalist das traut.
Geht es zu den Wilderern in Blau
da wird dem Affen schon etwas flau (...).
Dem OPSEC ist man treu geblieben und verwischt diese Ziele mit viel Liebe.
Dennoch ein kleiner Appell an Dich für mich.
Lass die Wilderer von der Geschicht.
Vernichte es, zerstöre es, was man halt so tut mit dieser Pflicht.
Denn Bullen braucht es keine in dieser Geschicht.»
🙈 🙉 🙊
Nun ja. Bei den Sicherheitsmassnahmen, OPSEC (Operations Security) genannt, lief offensichtlich etwas schief. Dabei hatte der Erste Affe noch erklärt, er liefere nur an Abnehmer in der Schweiz, damit beim Zoll nichts hängenbleibe.
Genützt hat es ihm nichts. Sorgen machen müssen sich allerdings auch die Kunden des Darknet-Dealers, der unter dem Pseudonym DrFeelWell agierte. Sein Händler-Profil beim derzeit grössten Darknet-Schwarzmarkt zeigt, dass noch im Juli angeblich erfolgreich Deals abgewickelt wurden.
* Otto Hostettler: «Darknet: Die Schattenwelt des Internets» (2007, erschienen bei NZZ Libro)
