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Gehirngewaschene Selbstmordattentäter: So ticken Terroristen

epa05991506 Police and the military on guard in tandem at Downing Street in central London, Britain, 26 May 2017. Britain is on high alert following the Manchester terror attack on the Manchester Aren ...
Ein Selbstmordattentäter riss am Montagabend in Manchester 22 Menschen in den Tod – Sicherheitskräfte an der Downing Street 10, dem britischen Regierungssitz.Bild: ANDY RAIN/EPA/KEYSTONE
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Gehirngewaschene Selbstmordattentäter: So funktionieren Terroristen

Gedanken zum Terroranschlag in Manchester.
27.05.2017, 08:0717.09.2019, 15:08
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Terroranschlag an Ariana-Grande-Konzert in Manchester

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Terroranschlag an Ariana-Grande-Konzert in Manchester
Eine Konzertbesucherin von Ariana Grande. Am Konzert der US-Sängerin in Manchester ist es am Montagabend (22.30 Uhr Ortszeit) zu einer Explosion gekommen.
quelle: epa/epa / nigel roddis
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Nicht schon wieder! Dieser Gedanke ist wohl vielen durch den Kopf geschossen, als sie vom Terroranschlag beim Konzert von Ariana Grande in Manchester erfahren haben. Wann hören diese feigen Selbstmordkommandos fanatisierter Islamisten endlich auf, ist meist der zweite Reflex.

Wer halbwegs mit einem ausgeglichenen Bewusstsein ausgestattet ist, kann die barbarische Tat nicht begreifen. Und schon gar nicht nachvollziehen oder erklären. Es ist für uns schwer möglich, uns in einen Selbstmordattentäter hineinzuversetzen.

Was läuft im Hirn eines potentiellen Attentäters ab? Wie ist seine Gefühlslage? Empfindet er überhaupt noch etwas? Was muss mit ihm passiert sein, dass er einen Lustgewinn daraus zieht, ihm völlig unbekannte Personen in die Luft zu sprengen – und gleichzeitig ebenfalls zerfetzt zu werden? Wie ist es möglich, den Selbsterhaltungs- und Überlebenstrieb auszuschalten – die wohl stärksten Kräfte in uns Menschen?

Gehirnwäsche

Dieses Phänomen schafft wohl nur der religiöse Fanatismus. Allenfalls noch eine extreme politische Ideologie, die dann aber die Merkmale einer pseudoreligiösen Gesinnung aufweist.

Der Schlüsselbegriff ist die Indoktrination – oder die Gehirnwäsche. Besser vielleicht: die Seelenwäsche. Tatsächlich hat die Indoktrination das brutale Potential, das Bewusstsein der Opfer völlig umzukrempeln, auf den Kopf zu stellen.

Die Methode der Gehirnwäscher ist in der Theorie relativ einfach: Umwertung aller Werte. Mit raffinierten psychologischen Methoden gelingt es den «Sittenwächtern», das angestammte Weltbild und das Bewusstsein ihrer Adepten abzuwerten, ja zu zerstören.

Bisherige ethische und moralische Empfindungen werden als geistiger Auswuchs der dekadenten westlichen Welt interpretiert, als teuflische Entartungen, die es schleunigst zu korrigieren gilt, um ein gottesfürchtiger Mensch zu werden.

Der Kampf der Dschihadisten gegen sich selbst

Verteufelt werden vor allem die emotionalen Werte. Alles, was Freude oder gar Lust bereitet, wird als Versuchung und Verführung gebrandmarkt, die von einem geistlichen Leben ablenken.

Das führt zu einem verhängnisvollen autosuggestiven Prozess, der die Indoktrination verselbständigt: Die jungen Dschihadisten führen einen geistigen Kampf gegen sich selbst. Sie müssen alles in sich bekämpfen und abtöten, was nach überkommenen Werten und Emotionen riecht.

Dies führt zur radikalen Entpersönlichung, ja zur Entmenschlichung. Das Ich und das Über-Ich werden entkernt. Alle kulturellen Werte – Empathie, Zuneigung, Bildung, Kultur, Kunst – werden als gefährliche Disziplinen gewertet, die vom Ziel ablenken, Allah zu gefallen und zu dienen.

Angst vor Strafe

Die herkömmliche Identität wird zerstört und durch eine neue ersetzt. Dies führt zu einer geistigen Verwirrung, das geistige und moralische Koordinatennetz zerfällt. In dieser Irritation sind die Gehirngewaschenen erst recht gezwungen, sich an die neuen «Lebensspender» anzupassen und anzulehnen.

Dieser Zwang zur Anpassung unterhöhlt das Selbstwertgefühl weiter. Die Angst vor Strafe bei der kleinsten Abweichung von der Norm fördert die Konditionierung weiter. Ein Weg zurück gibt es nicht, die indoktrinierten Werte müssen verinnerlicht werden. Dies ist ein Überlebensmuster. Wer in der Mühle der Indoktrination steckt, ist auf Gedeih und Verderben verloren.

Wer sich in dieser «neuen schönen Welt» einzurichten beginnt, muss sich radikal von allem entfremden, was ihn an die alte Identität erinnert. Die Software wird konsequent gelöscht und neu programmiert.

Dies im wörtlichen Sinn, denn auch die Hirnstrukturen verändern sich bei diesem Prozess der Entpersönlichung. Sie passen sich durch die Konditionierung den Bedürfnissen und Sehnsüchten der radikalen Gläubigen und vor allem der Konvertiten an.

Verhängnisvolle Parallelwelt

Unser Hirn ist keine moralische Instanz, die die Notbremse zieht, wenn sich jemand verrennt. Es ist kein Kontrollorgan, das sich korrigierend einmischt. Es funktioniert eher wie ein Computer.

So verarbeiten unsere Hirnstrukturen selbst die Indoktrinationsprozesse widerstandslos und helfen mit, wenn das moralische Empfinden und die Empathie umprogrammiert werden. Um bei der Computersprache zu bleiben: Unser Hirn übernimmt auch gefährliche Programme und erkennt Viren nicht.

Eine besondere Rolle bei der Indoktrination spielt auch die Gruppendynamik. Das Abtauchen in eine Parallelwelt ist verhängnisvoll. Die Aussenwelt wird von den Führern als Feindesland deklariert, die es zu vernichten gilt, weil sie der eigenen Gruppe angeblich die Daseinsberechtigung abspricht.

Heimat und Geborgenheit ist nur in der Gegenrealität zu finden, was zwangsläufig zu einer Überidentifikation und Radikalisierung führt. So wird es unmöglich, dem Teufelskreis zu entrinnen. Selbstzweifel müssen radikal verdrängt werden, denn alle Brücken zum angestammten Lebensumfeld sind abgebrochen, ein Zurück ist aus mentalen, ideologischen und existentiellen Gründen nicht mehr möglich.

Die Lust des Kriegers

Die einzige Lust, die «IS»-Schergen bleibt, ist diejenige des Kriegers. Die Freude am Kämpfen, die Lust am Siegen. Was in diesem Umfeld bedeutet: Lust am Morden.

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Als mörderische Helden können Islamisten und Terroristen ihr unterminiertes Selbstwertgefühl auf perverse Weise wieder aufpolieren. Der Applaus aus den eigenen Reihen und angeblich von Allah ist für sie Doping.

Kurz: Alle islamistischen Ideen, Strömungen und Strategien sind ein klassisches Sektenphänomen. Es erinnert an die Massensuizide der Sonnentempler, der Aum-Sekte und der Jim-Jones-Bewegung, um nur drei Beispiele zu nennen. Bei den Islamisten und Salafisten kommt allerdings noch die politische Komponente ins Spiel, was das unheimliche Phänomen noch wesentlich gefährlicher macht.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und auf Twitter folgen.
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137 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Effersone
27.05.2017 12:31registriert April 2016
Guter Artikel. Jedoch finde ich, darf den Tätern nicht jegliche Selbstverantwortung genommen werden, in dem man alles auf eine Indoktrination schiebt. Ich finde es macht einen grossen Unterschied, ob jemand als Kleinkind in die Hände des IS gerät oder ob jemand sich mit 20ig dem IS anschliesst.

Ich bin überzeugt, zumindest bei den europäischen Attentäter, dass ein gewisses Grundpotential in Form von Aggressivität, religiösem Fanatismus und absonderung von der Gesellschaft schon vor der Indoktrination vorhanden gewesen sein muss.
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Lucida Sans
27.05.2017 09:36registriert Februar 2017
Ich denke, dass zu alledem eine sexuelle Frustration hinzukommt, welche islamischen Jugendlichen verbietet, einander unbefangen zu begegnen. Sexualität als starke Treibkraft sollte nicht unterschätzt werden.
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Wilhelm Dingo
27.05.2017 09:38registriert Dezember 2014
Messerscharf Herr Stamm! Diese Analyse lehrt uns auch, dass der aktuelle Terror keineswegs nur ein Phänomen der armen, abgehängten ist, auch gut gebildete sind indoktrinierbar! Die Strategie zur Bekämpfung dieses Terrorismus muss daher sein, die Indoktrinierer auszutrocken. Dann sind wir schnell bei den Aktivitäten der Saudis und den Türken welche im Westen Fundamentalusmus schüren. Und wir sind beim Islam-Lehrstuhl an den Schweizer Universitäten welcher endlich eingerichtet gehört.
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