Sag das doch deinen Freunden!
Die meisten Katholiken verehren Papst Franziskus wie kaum einen Pontifex vor ihm. Der Argentinier ist zugänglich, barmherzig, bescheiden, und er hat ein Herz für Kinder und Arme.
Als Tatbeweis entrümpelte er seinen Alltag vom klerikalen Pomp und Luxus, den seine Vorgänger liebevoll kultiviert hatten. Dafür verdient er die Note 6.
Und sonst? In vielen anderen – wichtigeren – Belangen ist der aktuelle Papst auch kein Musterschüler: Er hat im Heiligen Jahr die Gebeine des umstrittenen Selbstdarstellers und Schummlers Pater Pio im Vatikan ausgestellt, er lässt weiterhin die Geschiedenen im Stich, die Homosexuellen sowieso und vor allem die Frauen, die auch in seiner Ära in der Rolle der Dienenden gehalten werden. Ganz zu schweigen von der Sexualmoral.
Doch nun steht Franziskus offenbar vor dem ganz grossen Sündenfall. Er möchte die erzkonservative, traditionalistische Priestergemeinschaft der Piusbrüder zurück in den Schoss der Mutterkirche holen. Quasi als Akt der Versöhnung aus Anlass des Heiligen Jahres.
Doch wer sind denn die Piusbrüder, die sich offiziell Priesterbruderschaft St.Pius X nennen? Eine ganz feine Herrengesellschaft, die glaubt, den einzig wahren christlichen Glauben zu vertreten. Die Priester in ihren schwarzen Soutanen, die die Hauptsitze in Menzingen und Ecône in der Schweiz haben, leben geistig im Mittelalter.
Für sie ist der Vatikan eine hypermoderne Institution, die die wahre katholische Lehre beim Zweiten Vatikanischen Konzil verraten hat. Diese Bischöfe und Priester sind derart radikal in ihrer fundamentalistischen Auslegung des «wahren Glaubens», dass sie 1975 vom Vatikan sanktioniert wurden.
Das kümmerte den Gründer Marcel Lefebvre wenig, er bildete weiterhin Priester aus und ernannte eigenmächtig Bischöfe. So sah sich die Kurie genötigt, vier geweihte Bischöfe zu exkommunizieren. Ein einmaliger Vorgang in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche.
Dann erschrak der Vatikan über seinen eigenen Mut. Papst Benedikt XVI hob 2009 die Exkommunikation wieder auf. Ein Sieg der Fundis auf der ganzen Linie. Doch die bornierten Piusbrüder blieben in den Schlagzeilen.
Für die dicksten sorgte Bischof Richard Williamson, einer der vormals exkommunizierten Geistlichen. In einem Fernsehinterview leugnete er den Holocaust und bestritt die Existenz von Gaskammern im Nationalsozialismus.
Damit stürzte Williamson auch die katholische Kirche in eine schwere Krise. Der Ruf der feinen Piusbrüder sauste noch tiefer in den Keller. So tief, dass der neue Chef Bernard Fellay den rechtsradikalen Bruder und Bischof ausschloss.
Danach wurde es etwas ruhiger um die Priester, die eine Art Gegenkirche bilden. Doch nun sind sie zurück in den Medien.
Das aktuelle Thema überrascht nicht wirklich. Die Vorwürfe: Sexuelle Übergriffe von Piusbrüdern auf Internatsschüler. Zurzeit läuft ein Prozess in Brüssel. In erster Instanz wurde der beschuldigte Priester freigesprochen. Er bestritt einen bewussten oder gezielten Missbrauch.
Allenfalls habe er in einem Zustand der «Sexsomnie» gehandelt, sagte er vor Gericht. Also in einem schlafwandlerischen Zustand. Konkret: Er wusste angeblich nicht, was er tat und hatte auch keinen Lustgewinn.
Sexuelle Übergriffe von Piusbrüdern sind für Papst Franziskus natürlich kein Grund, die abtrünnigen Bischöfe und Priester nicht in den Schoss der Kurie zurückzuholen. Das Phänomen ist ihm schliesslich von seinen eigenen Geistlichen bestens bekannt.