Das Entwicklerstudio Sucker Punch hat im letzten Jahr eindrücklich bewiesen, dass Openworld-Spiele keineswegs eine überfrachtete Karte besitzen und die Spielenden mit ewig aufploppenden Hinweisen stressen müssen.
Eine gut erzählte Geschichte, viel Drama und allen voran eine berauschende Optik verzückten uns und lieferten wunderschöne Spielstunden auf der Insel Tsushima, wo wir Schritt für Schritt als Samurai Jin die Mongolen mit viel Widerstand bekämpften. Nun gibt es Dank dem Director’s Cut inhaltlichen Nachschub und zu Beginn steht die Frage im Raum, ob sich denn diese Upgrade-Version auch wirklich lohnt.
Der DC von «Ghost of Tsushima» kommt zum richtigen Zeitpunkt: Während vielen Sommerwochen waren grosse Blockbuster-Games Mangelware. Zwar schrie der Pile of Shame nach unserer Aufmerksamkeit und hie und da drückte sich ein kleiner Indie-Titel auf den Markt, aber das grosse Musthave-Spiel gab es nicht.
Bevor die grosse Spiellawine im Herbst und in der Vorweihnachtszeit auf uns zurollt und uns (hoffentlich) mit neuen Hochkarätern verwöhnen wird, winkt uns dieser Director’s Cut aus der Ferne zu und möchte gespielt werden.
Und für alle, die das Spiel noch nicht besitzen, kann hier jetzt schon eine uneingeschränkte Kaufempfehlung gesprochen werden. Doch wie sieht es mit all denen aus, die die Insel bereist haben? Lohnt sich hier ein erneuter Besuch wirklich?
Im Fokus der Erweiterung steht die Insel Iki, die nach dem ersten Kapitel im Hauptspiel besucht werden kann. Hier warten nicht etwa nur einzelne Minimissionen und eine malerische Landschaft zum Erkunden, sondern eine komplett neue Geschichte, die sich wunderbar in die Hauptstory einfügt.
Auf dieser Insel, die etwa so gross ist wie der südliche Teil von Tsushima, sind ebenfalls die Mongolen an der Macht. Da dieses Eiland Jins Heimat ist, macht die Motivation, die unterdrückte Bevölkerung dort zu befreien, besonders viel Sinn. Das Ziel ist einfach: Die Schamanin Adler, die das Zepter führt und mit unlauteren Mitteln kämpft, muss getötet werden, damit die Mongolen-Invasion ein Ende findet.
Folgt man der Hauptstory, vergehen etwa um die fünf Stunden. Wer auf Entdeckungsreise geht, darf noch viele Stunden zusätzlich auf das Konto verbuchen. Es gibt Nebenquests, Minispiele, Sammelkram und ihr dürft für Katzen Flöte spielen und sie auch streicheln (!).
Storytechnisch werdet ihr auf Iki nicht aus den Samuraisocken gehauen. Die neue Antagonistin sorgt zwar für den einen oder anderen Trip und diverse düstere Traumsequenzen, kann sich aber nicht in die Ahnengalerie der Über-Bösewichte einreihen. Dafür bekommt Jin ein paar Ecken und Kanten mehr, da wir tiefer in seine Persönlichkeit blicken dürfen und sich unser Bild von ihm noch detaillierter zeichnet.
Wie schon beim Hauptspiel kann sich auch die Optik auf der neuen Insel mehr als sehen lassen. Immer wieder bleiben wir auch hier stehen, machen Fotos und betrachten die wunderschönen Landschaften.
Man kann einfach gar nicht anders, als inmitten einer Blumenwiese stehenzubleiben und die Arbeit von Sucker Punch zu bestaunen. Wie in einem Museum harren wir immer wieder bewegungslos vor den Landschaftsbildern und lassen unsere Sinne darin eintauchen.
Wer aber jetzt völlig bahnbrechende Neuerungen in Sachen Schauwerte erwartet, wird enttäuscht. Auf Iki gibt es einfach nochmals die volle Dosis, wie wir sie schon von der Hauptinsel her kennen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Nebst dem inhaltlichen Iki-Zusatz gibt es für PS5-Besitzer die Möglichkeit 3D-Audio auszuwählen, haptisches Feedback durch den Controller und die Unterstützung der adaptiven Trigger zu fühlen.
Dann gibt es noch einen neuen, vierten Schwierigkeitsgrad, ein Artbook und Zugang zum Multiplayer-Part. In den Kämpfen gibt es zudem neu eine Lock-on-Funktion, die aber mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Und wer's braucht: Die Lippensynchronität der japanischen Sprachausgabe ist nun gewährleistet.
Fazit: Wer «Ghost of Tsushima» noch nicht sein Eigen nennt, bekommt mit dem DC-Paket ein hervorragendes Spiel, das mit viel Inhalt für viel Spielspass sorgt und für viele Wochen bestens unterhält.
Auch den Openworld-Muffeln sei dieses Spiel wärmstens empfohlen, da es sich in erster Linie auf eine dramatische Geschichte fokussiert und den Spielenden viel Freiheit schenkt, ohne dabei den gewohnten Druck mit überfrachteter Karte in den Vordergrund zu rücken.
Wer die Insel schon in und auswendig kennt, muss aber in sich gehen und sich selbst fragen, ob er für diese Erweiterung einen Aufpreis zahlen möchte (ca. 20 Franken für die PS4-Version, etwa 30 Franken für die PS5-Variante).
Die erzählte Geschichte auf Iki ist zwar nett inszeniert, wird aber nach fünf Spielstunden nicht lange in Erinnerung bleiben. Wer sich sicher ist, dass er auf der kleineren Insel noch mehr Zeit verbringen wird, um jedes Geheimnis zu entdecken, wird mit dem Preisleistungsverhältnis aber zufrieden sein.
«Ghost of Tsushima: Director’s Cut» ist erhältlich für Playstation 5 und Playstation 4. Freigegeben ab 18 Jahren.