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Test: «Resident Evil: Village» ist ein Horrortrip der besonderen Art

In einem prunkvollen Schloss macht Vampirlady Dimitrescu Jagd auf uns und sorgt für Stress.
In einem prunkvollen Schloss macht Vampirlady Dimitrescu Jagd auf uns und sorgt für Stress.bild: zvg
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Warum das Horror-Game «Resident Evil: Village» für reichlich Stress sorgt

Wenn du an einem Sonntag völlig geschlaucht aus dem Bett kriechst, hast du entweder am Vorabend zu tief ins Glas geschaut oder das neue «Resident Evil»-Game durchgespielt. So oder so, es folgt die körperliche als auch seelische Verarbeitung.
10.05.2021, 18:0311.05.2021, 12:12
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Wer in einem Dorf aufgewachsen ist, weiss, wie stark dort die gesellschaftliche Verknüpfung ist. Jeder und jede kennt sich und wenn jemand neu in die Gemeinschaft zieht, wird sofort der kritische Blick ausgepackt. So ergeht es auch Ethan Winters, der sich in ein verschneites Bergdorf begibt. Sesshaft möchte er dort aber auf keinen Fall werden, denn unser Protagonist ist auf der Suche nach seiner Tochter. Als fremdes Subjekt wird er von den Einwohnern nicht nur kritisch beäugt, sondern auch tätlich angegriffen. Dass es sich dabei um blutrünstige Werwölfe handelt, ist nur eine von vielen merkwürdigen Tatsachen, mit denen er sich in den nächsten Stunden auseinandersetzen muss.

Nicht ohne seine Tochter

«Resident Evil: Village» knüpft inhaltlich an den Vorgänger an. In «Resident Evil 7» erlebten Ethan Winters und seine Frau Mia einen Horrortrip, der auch noch drei Jahre nach den Ereignissen in den Knochen des Ehepaars steckt. Nachdem sie von der Baker-Familie im Hinterland des amerikanischen Bundesstaats Louisiana terrorisiert wurden und Bekanntschaft mit einem Virus machten, wurde es Zeit für einen Tapetenwechsel. Ethan und Mia wanderten nach Osteuropa aus, um dort ein neues Leben zu beginnen.

Auch wenn die beiden noch sehr viel zu verarbeiten haben, stecken sie ihre gesamte Aufmerksamkeit in ihre frisch geborene Tochter Rosemary. Doch das neue Elternglück wärt nicht lange. Ihr trautes Heim wird plötzlich angegriffen, Mia wird mit Kugeln durchsiebt und das Baby entführt. Auch Ethan wird verschleppt, wacht plötzlich nach einem Autounfall im Nirgendwo auf und begibt sich alleine in ein nahegelegenes Dorf über dessen Antlitz ein gespenstisches Schloss thront. Ethan ist sich sicher, dass seine Tochter hier irgendwo sein muss und ahnt noch nicht, dass bald ein Horrortrip beginnt, der alles verändern wird.

Werwölfe statt Zombies: Für Stress sorgen die Gegner aber allemal.
Werwölfe statt Zombies: Für Stress sorgen die Gegner aber allemal.bild: zvg

Ein verstörender Mikrokosmos

Nein, in diesem abgelegenen Dorf geht vieles nicht mit rechten Dingen zu. Dass Werwölfe um die Häuser schleichen und die noch übrigen normalen Dorfbewohner in den kaputten Häusern terrorisieren, ist nur eines von vielen abgefahrenen Horrorbildern, das sich uns in den nächsten Stunden präsentieren wird.

Je weiter Ethan in diese Gemeinschaft eindringt, desto abstruser wird es. Ein religiöser Kult scheint hier über Jahrzehnte einen Mikrokosmos erschaffen zu haben, in dem zwielichtige Gestalten das Sagen und die Bevölkerung jahrelang ausgebeutet haben. Eine übergrosse Vampirlady, eine irre Frau, die mit Puppen spielt oder ein deformierter Gnom sind nur drei von vielen bizarren Figuren, die uns quälen wollen. Aber Ethan hat Erfahrungen und weiss aus dem Vorgänger, wie er sich gegen diese Bestien zur Wehr setzen muss.

Zu Beginn des Horrortrips verfügen wir nur über eine herkömmliche Handfeuerwaffe.
Zu Beginn des Horrortrips verfügen wir nur über eine herkömmliche Handfeuerwaffe.bild: zvg

Sammeln und wieder verkaufen

Zu Beginn macht unser Held die Bekanntschaft mit einer alten Hexe, die ihm den Weg weist. So geht er nur mit einer einfachen Handfeuerwaffe seine Wege durch das Dorf und tut das, was man in einem «Resident Evil» halt so tut: Munition sammeln, Heilkräuter finden, Kisten zerschlagen, Schlüssel suchen, Geld klauen und natürlich wichtig aussehende Gegenstände mitnehmen, um sie später irgendwo an der richtigen Stelle einzusetzen.

Mit der Zeit finden sich immer stärkere Waffen und auch diverse Metall-Teile und Schiesspulver, die wir zu neuer Munition selber zusammenbauen können. Auch eigene Heiltränke dürfen wir zusammenstellen. Wer dazu zu faul ist, kann beim immer wieder auftauchenden Händler einkaufen, sofern genügend Geld im Portemonnaie vorhanden ist. Auch seine Gesundheit und körperliche Ausdauer darf beim übergewichtigen Händler via Verkauf von Tierfleisch verbessert werden. Generell kauft der mysteriöse Typ alles ab, was man loswerden möchte und hat zusätzlich immer wieder einen mysteriösen Ratgeber-Spruch auf den Lippen.

Das Herz schlägt schneller

Wer bereits Erfahrungen mit der «Resident Evil»-Marke gemacht hat, wird sich schnell dank vertrauter Spielmechanik und den bekannten Rahmenhandlungen heimisch fühlen. Die Eingewöhnungszeit ist kurz, denn der achte Teil gibt gleich zu Beginn ordentlich Gas. Schleicht man am Anfang durch das angeblich menschenleere Dorf, setzt sofort dieses beklemmende Gefühl ein. Bei jedem Knurren aus der Ferne wird automatisch die Waffe gezückt und innegehalten. Jederzeit kann ein Angriff starten. Das Herz schlägt schneller.

Und kommen dann die Bestien einmal aus ihren Löchern gekrochen, wird der Stress noch grösser. Sofort erinnert sich der Serien-Veteran an «Resident Evil 4», das mit einem ähnlichen Szenario startete und der Serie 2005 mit dem Fokus auf Terror und Action einen Neustart schenkte. Aber für nostalgisches Sinnieren ist keine Zeit mehr, wenn die Unholde den Stresspegel nach oben schrauben.

Nebst Werwölfen wollen uns auch ein paar Vampir-Damen das Blut abzapfen.
Nebst Werwölfen wollen uns auch ein paar Vampir-Damen das Blut abzapfen.bild: zvg

Ein Höhepunkt nach dem anderen

Das verwinkelte Dorf mit seinen zahlreichen Pfaden, verschlossenen Toren und mysteriösen Gebäuden wird schliesslich zum Ort, den wir immer wieder durchqueren werden, um die jeweiligen grösseren Areale ausserhalb der Dorfstruktur zu erobern, um dort storytechnisch wichtige Dinge zu erledigen.

Im Schloss, das uns schon beim Weg in das Dorf aus der Ferne zu begrüssen scheint, machen wir die Bekanntschaft mit einem Vampirkult, der von der übergrossen Lady Dimitrescu angeführt wird und uns mit drei Vampirschwestern und sonstigen Schreckensgestalten durch die üppige Kulisse jagt. Und wenn dann die Lady anmutig aber ziemlich hässig selber durch das Schloss stampft und uns stets dicht auf den Fersen ist, wird die Gänsehaut zum Dauergast. Der Überlebenskampf im Schloss mit seinen klassischen Rätseln ist ein erstes Highlight, das uns audiovisuell zum staunen bringt und ein perfektes «Resident Evil»-Feeling vermittelt. Gruseliger kann es nicht mehr werden. Oh doch, es kann ...

Die friedliche Kulisse täuscht: In diesem Schloss wartet der pure Horror.
Die friedliche Kulisse täuscht: In diesem Schloss wartet der pure Horror.bild: zvg

Nach dem ersten Höhepunkt folgt bereits der nächste. Denn in einem kleinen Horrorhaus, wo eine irre Dame die Fäden zieht, erleben wir einen besonders gruseligen Trip. Wir suchen hier nicht nur diverse Gegenstände und lösen simple Rätsel, sondern erleben auch Passagen, wo das Herz regelmässig in die Hose wandert. Dunkle Gänge, in denen man sich komplett wehrlos fühlt, beklemmende Gruselatmosphäre und Horrorgestalten, die uns verrückt machen, nein, diesen einen Kurztrip werden wir so schnell nicht mehr vergessen.

Wenn sich das Spiel verliert

Ja, «Resident Evil: Village» bietet uns eine Horrorshow der Superlative und packt alles rein, was reinpasst. Dass wir es mit serienuntypischen Werwölfen und Vampiren zu tun bekommen, ist nach den ersten Stunden komplett vergessen. Denn mit unterschiedlichen Settings und Herangehensweisen um den Horror zu kreieren, werden wir in eine abstruse Welt hineingesogen, die uns einfach nur fasziniert und von der wir nicht genug bekommen.

Und dann kommt doch dieser eine Moment, wo man findet, dass es jetzt eigentlich genug sei ...

Je weiter wir der Geschichte und der Dorf-Mythologie folgen, je mehr sich das Spiel in Richtung Finale begibt, desto mehr verliert sich «Resident Evil 8» und versinkt in der Actiongrube. Dass es in einem «Resident Evil»-Spiel gegen Ende immer etwas ausufert und die Gegner als auch die Endbosse zum Kanonenfutter werden, ist nichts Aussergewöhnliches für die Reihe.

Der Stilbruch wird hier aber dadurch verstärkt, dass am Ende so viel storytechnisch hineingedrückt wird und noch so viele Ereignisse versucht werden zu erklären, dass man mit dem Zurechtlegen und dem Sortieren von Gedanken gar nicht mehr hinterherkommt. Es wirkt so, als ob die Macher erst am Schluss der Konzeption gemerkt haben, dass sie den Spielenden noch ein paar Antworten schuldig sind und nun auch hier aus allen Rohren feuern.

Rätselhafte Symbole und ein bekanntes Wappen aus der Vergangenheit sorgen für Stirnrunzeln.
Rätselhafte Symbole und ein bekanntes Wappen aus der Vergangenheit sorgen für Stirnrunzeln.bild: zvg

Ein gesichtsloser Held

Ist der Horror in den ersten Spielstunden noch stark und omnipräsent, fällt erst kurz vor der Zielgerade auf, wie unglaublich abstrus die Geschichte und vor allem wie unglaublich egal unser Protagonist Ethan ist. Auch wenn der Typ ständig leidet und von einem Schreckensereignis zum nächsten wandert, Mitleid ist kaum vorhanden.

Via Egoperspektive ist man hauptsächlich mit den eigenen Ängsten konfrontiert und hat keine Zeit, sich um Ethan zu kümmern. Auch die vielen Hintergrundinfos, die erst im finalen Akt auf den Tisch gelegt werden, ändern an dieser Distanz nichts mehr. Der Aufbau von Empathie kommt schlicht zu spät, weil die Actionschiene aufgebaut wird und das Subtile in den Hintergrund wandert.

Ethan besitzt übrigens kein Gesicht, respektive es ist nie genau ersichtlich. Auch in wichtigen Zwischensequenzen fehlt ein Blick auf sein Antlitz. Will uns Capcom damit mitteilen, dass wir alle Ethan Winters sind? Soll dadurch unser Mitleid, das Hineinwachsen in seine Rolle verstärkt werden? Wie dem auch sei, unser Held in «Resident Evil: Village» bleibt bis zum Schluss blass und im wahrsten Sinne des Wortes gesichtslos.

Jeden einzelnen Moment genossen

Fazit: «Resident Evil: Village» ist ein Horror-Game geworden, das aus allen Rohren feuert und den Gruselfaktor in unterschiedlichen Ansätzen auf diejenigen loslässt, die sich trauen in diesen abstrusen Mikrokosmos einzutauchen.

Auch wenn mir die letzten Spielstunden storytechnisch zu viel um den Kopf gehauen haben, ich den unterschwelligen Horror im finalen Akt vermisst habe und sich eine Empathie mit Ethan einfach nicht richtig ergeben wollte, habe ich jeden einzelnen Moment in «Resident Evil: Village» genossen. Alleine was Capcom hier audiovisuell abgeliefert hat, verdient Applaus.

Ja, ich habe während den ca. zehn Stunden öfters mit dem Kopf geschüttelt und finde ein paar Designentscheidungen unpassend, aber ich war erstaunt, wie gut dieser Mikrokosmos innerhalb des «Resident Evil»-Universums funktioniert und auch einen Bezug zu den Anfängen der Reihe herstellen kann.

Wie immer darf man ein «Resident Evil»-Spiel nie ganz ernst nehmen und muss mit vielen Trash-Inhalten, Dialogen zum Fremdschämen und Story-Chaos rechnen. Aber genau dafür lieben viele diese langlebige Marke so sehr. Egal ob schlurfende Zombies oder überdrehte Werwölfe uns nach dem Leben trachten wollen, es gibt kaum eine Spielreihe, die so unterhaltsam ist wie diese und uns immer wieder aufs Neue überraschen kann.

Und wenn ein spielbarer Horrortrip nach dem Abspann in den Gedanken noch lange kleben bleibt und verarbeitet werden will, haben die Macher einfach verdammt viel richtig gemacht.

«Resident Evil: Village» ist erhältlich für Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series X, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.

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28 Kommentare
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Pana
10.05.2021 18:57registriert Juni 2015
Teil 7 hat Spass gemacht. Aber nicht in VR. Der abgetrennte Arm oder das Hinabklettern in irgendwelche dunklen Löcher wurde mir plötzlich zu real :D
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