In der Nähe eines Selbstmordattentäters von Paris wurde ein syrischer Pass gefunden. Vorerst liefert diese Erkenntnis mehr Fragen als Antworten, so scheint es. Ist der Pass echt oder gefälscht, wie die Polizei annimmt? Hat er tatsächlich einem der Täter gehört? Und falls ja: War es ein Zufall, dass er ihn beim Anschlag bei sich trug?
Eines ist klar: Der Fall rückt die Bedeutung syrischer Pässe in der aktuellen Flüchtlingskrise wieder ins Scheinwerferlicht. Seit syrische Bürger wegen des Kriegs in ihrer Heimat einen Massen-Exodus angetreten sind, sind ihre Pässe – echt oder gefälscht – eine begehrte Handelsware auf dem Schwarzmarkt.
Denn mit einem syrischen Ausweis kommt man zurzeit einfacher nach Europa. Wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat werden Syrer automatisch als Flüchtlinge anerkannt und gegenüber Bürgern anderer Nationalitäten bevorzugt behandelt. Und das nicht nur in Ländern wie Deutschland und Schweden, sondern auch schon bei der Registrierung an den Aussengrenzen Europas, etwa in Griechenland.
An Fälschungen zu kommen, ist nicht allzu schwer. Das bewies ein niederländischer Journalist, der seinem Premierminister Mark Rutte einen syrischen Pass organisierte.
Keep in mind its so easy for anyone to get #Syria passport. @HaraldDoornbos organized one recently for Dutch PM. See pic.twitter.com/JYluI8zmBg
— Jenan Moussa (@jenanmoussa) November 14, 2015
Während sich die einen auf Fälschungen konzentrieren, kann man für bis zu 5000 Franken auch einen echten syrischen Pass kaufen – einer, der wahrscheinlich gestohlen wurde.
Ein syrischer Flüchtling erzählt gegenüber dem britischen Guardian, wie er mit einer Gruppe von Landsleuten von einem Schlepper von Thessaloniki an die griechisch-mazedonische Grenze hätte gebracht werden sollen. Unterwegs habe der Fahrer ein Problem mit dem Motor vorgetäuscht und die Syrer überzeugt, das Fahrzeug zu verlassen. Angeblich, damit sie nicht von der Polizei entdeckt würden. «Dann klaute er unsere Pässe», so der Flüchtling.
Bereits im September warnte Fabrice Leggeri, Direktor der EU-Grenzagentur Frontex im französischen TV, dass Araber von ausserhalb Syriens mit falschen syrischen Pässen nach Europa kommen. «Sie wissen, dass Syrer in allen europäischen Staaten Asyl erhalten», so Leggeri.
Nach dem Fund des Ausweisdokuments meldete die griechische Regierung, dass Anfang Oktober eine Person mit diesem Pass auf der griechischen Insel Leros angekommen ist. Die Spur, so wie sie sich zum jetzigen Zeitpunkt rekonstruieren lässt, führt durch Mazedonien, Serbien, Kroatien und Österreich.
Es scheint so, dass die Attentäter wollten, dass die Behörden den Weg über die Balkanroute nachvollziehen können. Wieso soll sonst ein Dschihadist, der das Konzept einer Staatsbürgerschaft ablehnt, bei einem Anschlag einen Pass bei sich tragen?
Verschiedene Kommentatoren merken an, dass es sich um Kalkül des Islamischen Staates handeln könnte, um das Klima in Europa zu destabilisieren. Falls dem so ist, trägt die Strategie erste Früchte: Die neue Regierung in Polen nahm seine Zusage zurück, mehrere tausend syrische Flüchtlinge aufzunehmen. (rey)