Angesichts des ungebremsten Andrangs von Flüchtlingen Richtung Westeuropa wollen die Länder an der Balkanroute ihre Grenzen besser schützen. Nach Slowenien, das schon diese Woche mit dem Bau von Grenzzäunen zum EU-Nachbarn Kroatien begonnen hatte, kündigte am Freitag auch Österreich «grosse und kleine Zäune» an.
Mit ihnen soll der Zustrom von Flüchtlingen besser kontrolliert werden. Beide Länder betonten, dass die Grenzen damit keineswegs geschlossen würden.
Österreich will in ein bis zwei Monaten einen knapp vier Kilometer langen und 2.20 Meter hohen Zaun direkt am Grenzübergang Spielfeld errichten. «Es geht um eine geordnete Einreise und nicht um eine Sperre», sagte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Slowenien werde bereits auf seinem Gebiet dafür sorgen, dass Flüchtlinge wesentlich geordneter als derzeit an den Grenzübergang geleitet würden.
Darüber hinaus werde in der Umgebung des Grenzübergangs Spielfeld die Errichtung eines 25 Kilometer langen Zauns vorbereitet, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in Wien. In einer zweiten Phase könne dieser Zaun dann binnen 48 Stunden aufgestellt werden. Über Spielfeld kommen täglich mehrere tausend Flüchtlinge nach Österreich. Insgesamt sind laut Mikl-Leitner seit September rund 450'000 Schutzsuchende nach Österreich eingereist.
Der schwedische Migrationsminister Morgan Johansson kündigte weitere Massnahmen an, um den Zustrom von Flüchtlingen zu bewältigen. Die am Vortag eingeführten Passkontrollen an den Grenzen führten vorerst zu keinem Rückgang der Flüchtlingszahlen. «Wir haben keine Veränderung in der Anzahl der Asylsuchenden bemerkt», sagte Fredrik Bengtsson von der Migrationsbehörde der schwedischen Nachrichtenagentur TT.
Seit Donnerstag kontrolliert die Polizei stichprobenartig den Zug-, Auto- und Fährverkehr von Deutschland und Dänemark nach Schweden. Auch an den Fähren wurden Flüchtlingen wegen fehlender Dokumente keine Tickets verkauft. Zu einem Rückstau sei es in den Fährhäfen von Kiel, Lübeck und Rostock aber nicht gekommen, sagten die Sprecher der Städte.
In Norwegen und Dänemark brachten die Regierungen inzwischen konkrete Massnahmen auf den Weg, die von den Parlamenten im Eilverfahren entschieden werden sollen. Die norwegische Regierung will das Ausländergesetz so ändern, dass Asylbewerber ohne Schutzbedarf schon an der Grenze abgewiesen werden können.
Auch Dänemark will seine Asylgesetze verschärfen. Anerkannte Flüchtlinge sollen nur noch eine mittelfristig begrenzte Aufenthaltserlaubnis bekommen, die Familie darf erst nach drei Jahren nachgeholt werden. Die Polizei soll das Recht bekommen, Asylbewerber zwangsweise festzuhalten, um ihre Identität zu bestimmen. Und wer betteln geht, wird ausgewiesen.
«Niemand soll nach Dänemark kommen, weil er hier eine bessere ökonomische Versorgung hat», sagte Integrationsministerin Inger Støjberg. Auch diese Massnahmen müssen noch vom Parlament genehmigt werden.
Ein Dutzend Aussenminister und Vertreter aus Mittel- und Südosteuropa sprachen in Prag über den Flüchtlingsandrang auf der Balkanroute. «Wir dürfen nicht zulassen, dass der Balkan destabilisiert wird», mahnte der tschechische Gastgeber Lubomir Zaoralek.
Die Europäische Union müsse der Migrationsroute über den Balkan mehr Aufmerksamkeit widmen, forderten die Minister in einer gemeinsamen Erklärung. «Keiner von uns hat die Kapazitäten, diesem Druck allein standzuhalten», sagte der mazedonische Aussenminister Nikola Poposki.
EU-Kommissionsvize Frans Timmermans rief zu gemeinsamen europäischen Lösungen auf. Dass wegen der Grenzzäune Flüchtlinge nicht mehr nach Ungarn gelangen könnten, sei kein Erfolg, widersprach er dem ungarischen Aussenminister Peter Szijjarto. Zudem warnte er nach Kritik an der offenherzigen deutschen Flüchtlingspolitik: «Billige Seitenhiebe auf die deutsche Bundeskanzlerin (Angela Merkel) helfen bei der Lösung der Probleme nicht weiter.» (wst/sda/dpa)