In diesem Jahr darf Viola Amherd die Schweiz als Bundespräsidentin repräsentieren. Bislang bringt das Prestigeamt der Oberwalliserin jedoch kein Glück. Zuletzt häuften sich die Probleme im Verteidigungsdepartement VBS in einem Ausmass, dass die Mitte-Politikerin von mehreren grossen Medien unter Beschuss genommen wurde.
«Amherd gerät unter die Panzer-Raupen», titelte der «Blick» am Donnerstag in Anspielung auf den neusten Skandal beim bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag. «Räumen Sie endlich diesen Laden auf, Frau Amherd!», kommentierte der «Tages-Anzeiger» am selben Tag. Die NZZ meint sogar, für die Walliserin gehe es in der Causa Ruag darum, «selbst zu überleben».
Auslöser war ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EKF), wonach im Fall der 2016 von der Ruag gekauften und in Norditalien «eingemotteten» 96 Leopard-1-Panzer fast alles schiefgelaufen sei. Der Bundesrat hatte letztes Jahr die Weitergabe an die Ukraine verboten. Ruag-Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin nahm den Hut.
Pikant daran: Perrin ist der Schwager von Brigitte Hauser-Süess, der engsten Vertrauten von Viola Amherd. Letztes Jahr musste bereits Ruag-Chefin Brigitte Beck abtreten, nachdem sie sich einige Fehltritte geleistet hatte. Hinzu kommen diverse Korruptionsfälle. Der EKF-Bericht zeigt, dass beim Rüstungskonzern grosser «Aufräumbedarf» herrscht.
Damit nicht genug der Negativschlagzeilen: Beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) herrschen gemäss der «NZZ am Sonntag» Missstände, die sich ein «Geheimdienst» nicht erlauben kann. Und Anfang Februar zeichnete Armeechef Thomas Süssli vor den Medien ein düsteres Bild der Finanzlage und der Kriegstauglichkeit des Schweizer Militärs.
In die Kritik gerät auch die VBS-Chefin. Viola Amherd neigt dazu, in heiklen Fällen anfangs abzutauchen und Untergebene an die Front zu schicken. Auch kommunikativ ist das Departement nicht immer auf der Höhe. Dennoch greift es zu kurz, die Kritik auf der 61-jährigen Bundespräsidentin «abzuladen». Das Problem ist grundsätzlicher Art.
Als Amherd vor fünf Jahren ihr Amt antrat, war das VBS ein «Mauerblümchen». Wer dort landete, wollte in der Regel schnell weg. Das hat sich gründlich geändert, selbst wenn man die von der NZZ in einem alarmistischen Kommentar geäusserte Meinung nicht teilt, das VBS sei «in Zeiten der erhöhten Kriegsgefahr das wichtigste Departement».
Die Schweiz tut sich nach wie vor schwer mit der «Zeitenwende»; die vor zwei Jahren mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat. Zu lange hatte sie sich in ihrer Neutralität bequem gemacht und die «Friedensdividende» nach dem Kalten Krieg in vollen Zügen genossen. Weshalb die Armee nur bedingt fähig ist, das Land zu verteidigen.
Bei den Finanzen haben Amherd und Süssli ihr Ziel immerhin erreicht. Das Militär bleibt von Sparübungen beim Bund nicht nur verschont. Auch Mitte-Politiker wollen den in der letzten Wintersession gefällten Entscheid rückgängig machen, das Ziel von einem Prozent des BIP für die Armee bis 2035 zu erstrecken. Es soll wie ursprünglich geplant 2030 erreicht werden.
Schwieriger wird es bei einem anderen Punkt: Die Schweiz wird angesichts der militärischen Bedrohung aus Russland nicht um eine Zusammenarbeit mit der Nato herumkommen. Sie droht jedoch, zwischen einer «unheiligen Allianz» aus den Neutralitätsfetischisten der SVP und linksgrünen Pazifisten und Antiamerikanern zerredet und zerrieben zu werden.
Diese Woche nahm die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats mit 16:8 Stimmen eine Motion von Fabian Molina (SP) an. Sie will der Schweiz die Teilnahme an Übungen der Nato gesetzlich verbieten, bei denen der Bündnisfall simuliert wird. Die gemeinsame Verteidigung im Fall eines Angriffs auf ein Mitglied ist jedoch der Zweck der Nordatlantik-Allianz.
Der Verdacht drängt sich auf, dass eine Annäherung an die Nato erschwert oder verhindert werden soll. Das aber könnte ins Auge gehen. Falls Donald Trump die Rückkehr ins Weisse Haus gelingt, müssen die Europäer mehr Verantwortung für ihre Verteidigung übernehmen. Sie werden es kaum hinnehmen, dass sich die Schweiz als «Trittbrettfahrerin» betätigt.
Trumps Drohungen und Putins Schatten belasteten die Münchner Sicherheitskonferenz am letzten Wochenende. Ausgerechnet zu diesem heiklen Zeitpunkt «schwänzten» Verteidigungsministerin Amherd und die übrigen Mitglieder des Bundesrats die Teilnahme. Die Schweiz wurde durch Markus Mäder vertreten, den Staatssekretär für Sicherheitspolitik.
Auch das wirft kein gutes Licht auf den Umgang der Schweiz mit der «Zeitenwende». Vielleicht fürchteten Amherd und Co. erneute kritische Fragen zur verweigerten Weitergabe von Rüstungsmaterial an die Ukraine, das diese dringend benötigen würde. Oder zum geplanten Ukraine-Friedensgipfel, der für die Schweiz zum peinlichen Flop zu werden droht.
Es zeichnet sich immer mehr ab, dass sich der Bundesrat gar blauäugig zur Austragung einer Konferenz nach Wolodymyr Selenskys «Drehbuch» verpflichtet hat. Von den Ländern des Globalen Südens, deren Teilnahme unerlässlich wäre, gibt es bestenfalls höfliches Desinteresse, wie Aussenminister Ignazio Cassis in China und Indien erfahren musste.
Ein «Friedensgipfel» mit Ländern, die die Ukraine ohnehin unterstützen, ist jedoch sinnlos. Diesen Aufwand kann sich die Schweiz sparen. Das Aussendepartement EDA bemüht sich gemäss der «Schweiz am Wochenende», den Fokus über den Krieg hinaus zu erweitern und die Erwartungen zu dämpfen. So stehe Genf als Austragungsort nicht mehr im Zentrum.
Faktisch bedeutet dies, dass das EDA eine Konferenz mit den Staats- und Regierungschefs als kaum realistisch betrachtet, denn dafür bietet eigentlich nur das «internationale» Genf die nötige Infrastruktur. Am Ende wird die Schweiz froh sein müssen, wenn sie ein halbwegs relevantes Treffen zustande bringt. Ein Ende des Kriegs wird sie damit nicht erreichen.
Auf der Suche nach ihrem Platz in der neuen Weltunordnung wirkt die neutrale Schweiz desorientiert und überfordert. Daran ist sicher nicht nur die Bundespräsidentin schuld. Viola Amherd ist bestenfalls ein Teil des Problems. Aber sie ist gefordert, zumindest in ihrem Bereich die Weichen zu stellen. Sonst landet die Schweiz zwischen allen Stühlen.
Dann wird die Schweiz ganz gewaltig im Regen stehen!