Da hatte Säuli Päuli Freude. Säuli Päuli ist ein Sparschwein, welches während der Playoffs seine Auftritte in den EishockeySendungen des TV-Senders «MySports» hat. Wann immer einer der Protagonisten im Studio oder in den Stadien eine der weithin bekannten Playoff-Floskeln von sich gibt, dann wird Säuli Päuli mit einem Fünfliber gefüttert.
HOCHGLANZPOLIERT steh ich da! #lookinggood 😎 #füttertmich #floskelfrei #famefürpoili pic.twitter.com/NUswuYCrEj
— Säuli Päuli (@saeuli_paeuli) March 15, 2018
Darum war bei ihm die Freude gross, als er hörte, was Lugano-Trainer Greg Ireland vor dem ersten Finalspiel gegen die ZSC Lions von sich gab. Da kam eine Floskel nach der anderen aus dem Mund des Kanadiers. Für sein Aussage, man müsse das Spiel «Shift for shift», also «Einsatz für Einsatz», angehen, liess Moderatorin Steffi Buchli schliesslich die Kasse klingeln.
Greg Ireland bestätigte mit diesem kurzen Auftritt so ziemlich jedes Vorurteil, welches über den Mann hinter der Bande des HC Lugano herumgeistert. Er verströme den «Charme eines Kofferträgers», war da schon zu lesen. Und andere, wenig schmeichelhafte, ja bisweilen gar despektierliche Vergleiche. Aber vor allem fällt eines auf: So richtig bekannt ist in der hiesigen Eishockey-Szene wenig bis gar nichts über den 52-Jährigen, der seit 15 Monaten in den Diensten der Luganesi steht und auch noch einen Vertrag bis zum Ende der Saison 2018/19 besitzt.
Weshalb das so ist? Nun: Greg Ireland ist sicher kein Mann, der sein Ego in irgendeiner Form in den Vordergrund stellt. Und schon gar kein Lautsprecher. Das ist umso auffälliger, als er in Lugano im Januar 2016 die Nachfolge von Doug Shedden antrat. Jener, der bekanntermassen einer der «lärmigsten» Vertreter seiner Zunft ist, der in seiner Rolle als «Feuerkopf» gerne mal die Aufmerksamkeit auf sich ziehen will.
Doch genau einen Vertreter der ruhigeren Trainersorte, einen ausgesprochenen Teamplayer ohne Hang zur Selbstdarstellung suchte man in Lugano, als mal wieder die Krise ausgebrochen war.
Da erinnerte man sich im Sottoceneri an den Mann, der die Luganesi im Frühling 2011, als sie in den Playouts gegen die Rapperswil-Jona Lakers gegen den Abstieg kämpften, als klassischer Nothelfer souverän zum Klassenerhalt führte: Greg Ireland. «Der Kontakt zu ihm ist über die Jahre nie abgebrochen», erzählt Luganos Sportchef Roland Habisreutinger.
Nach seiner kurzen Stippvisite bei den «Bianconeri» coachte Ireland vier Jahre lang ein Team der kanadischen Juniorenliga OHL: die Owen Sound Attack, eine der kleineren Organisationen der Ontario Hockey League. Dort habe sich Ireland, der zuvor jahrelang in den nordamerikanischen Farmteamligen AHL und ECHL gearbeitet hatte, fast ein wenig «neu erfunden», wie es Roland Habisreutinger formuliert.
Oder anders ausgedrückt: Der Trainer lernte, mit jungen Spielern umzugehen. Habisreutinger sagt: «Er lernte auf psychologischer Ebene, sich in die neue Generation hineinzuversetzen.»
Greg Ireland wurde zum Jongleur der Charaktere. Eine Eigenschaft, die ihm in einem traditionell schwierigen, weil bisweilen überaus emotionalen und somit auch latent unruhigen Umfeld wie beim HC Lugano sehr zugute kommt. Oder wie es Habisreutinger formuliert: «Man kann heutzutage nicht mehr nur Trainer sein. Man ist gleichzeitig auch noch Vater, Cousin, Onkel und Grossvater.»
Habisreutinger sagt: «Bei Greg steht der Mensch im Vordergrund. Seine grosse Stärke ist es, dass er sich Zeit nimmt für alle Spieler, sich für sie interessiert. Vor allem auch für diejenigen, die nicht oder weniger spielen dürfen. Deshalb ist er sehr akzeptiert innerhalb der Mannschaft.» Es ist eine Charakter-Eigenschaft, die Ireland auszeichnet.
Habisreutinger erklärt: «Die Strategie, dass man jedem Element innerhalb einer Mannschaft dieselbe Aufmerksamkeit gibt, bietet letztlich viel weniger Angriffsfläche.» Die grosse Kunst sei es, dass auch ein überzähliger Starspieler wie Linus Klasen der Mannschaft seine Energie zur Verfügung stelle und ihr sie nicht – im Gegenteil – mit seiner Unzufriedenheit entziehe.
Natürlich ist auch Greg Ireland in den letzten Monaten nicht von den üblichen Lugano-Stürmen verschont geblieben. Im Dezember kam plötzlich eine Geschichte ans Tageslicht, wonach er einen heftigen Disput mit Starstürmer Damien Brunner hatte und von diesem vor versammelter Mannschaft übelst beschimpft worden war. Und als Mitte Januar die sportliche Krise ausbrach und die Luganesi vor allem durch ihre ungeheuerliche Inkonstanz auffielen, da wurden im Hintergrund schnell die Trainermesser gewetzt.
In allen Krisensituationen zeigte sich jedoch ein ungewohntes Bild. Das Trainerteam blieb ruhig. Und auch die Verantwortlichen bis hin zu Präsidentin Vicky Mantegazza stärkten Ireland und dessen Mitarbeitern den Rücken.
Eine Eigenschaft, die sich nicht zuletzt auch in den Playoffs ausgezahlt hat für den HC Lugano. Man hat nämlich Nehmerqualitäten entwickelt. «Wie oft habt ihr uns schon aufgegeben?», fragte Greg Ireland am Tag nach der 0:1-Niederlage zum Auftakt der Finalserie gegen die ZSC Lions in die Journalistenrunde. Und lächelt, als er erfährt, dass einer der Tessiner Medienvertreter in der Halbfinalserie gegen Biel angesichts des 0:2-Rückstands nach Siegen und des 0:3-Zwischenstands im dritten Spiel seine Sachen packte und das Stadion unverrichteter Dinge verliess.
Der Rest der Gesichte ist bekannt. Der HC Lugano gewann das Spiel noch und schliesslich die Serie. «Man darf den Glauben eben nie verlieren», mahnt Ireland. Über diese Aussage würde sich auch Säuli Päuli freuen.