Ist Arno Del Curto (62) noch der wahre Arno Del Curto? Die Frage ist berechtigt: nur mit dem wahren Arno kommen die ZSC Lions in die Playoffs und dort über die erste Runde hinaus.
In Genf bekommen wir die Antwort auf diese Frage. Wenn die ZSC Lions in der finalen Partie der Qualifikation die Playoffs nicht schaffen, dann gibt es den wahren Arno nicht mehr.
Wer ist der wahre Arno? Ganz einfach: der wahre Arno gewinnt ein entscheidendes Spiel, also ist er. Im Frühjahr 2009 gewann er mit dem HC Davos im Viertelfinale, im Halbfinale und im Finale jeweils das 7. Spiel. Im Finale die alles entscheidende Partie um den Titel sogar auswärts in Kloten mit 2:1.
Selbst wenn wir berücksichtigen, dass Eishockey ein unberechenbares Glücksspiel auf einer rutschigen Unterlage ist – wenn Arno mit diesen ZSC Lions in Genf die Playoffs heute verspielt, dann ist er nur noch ein Operetten-Coach. Und die ZSC Lions stehen vor einer turbulenten neuen Saison. Dieses Servette ist nur noch eine Karikatur der grossen Mannschaft, die 2008 die Zürcher im Finale auf Augenhöhe herausgefordert hat. Und Chris McSorley (56) zeigte erste Anzeichen von Altersmilde.
Schaffen die Zürcher die Playoffs, dann dürfte der Vertrag mit Arno nach ein paar Tagen medialem Geschnatter verlängert werden. Wenn er es wünscht auch um zwei Jahre. Und für mindestens 400'000 Franken Salär pro Saison.
Ein Scheitern, also das Verpassen der Playoffs, würde uns noch bessere Unterhaltung, ja ein grandioses Theaterstück bescheren. Arbeitstitel: «Mit oder ohne Arno in die Zukunft?».
Die ZSC Lions wären völlig ratlos. Wen sollen sie dann als Trainer holen? Es ging nicht mit einem Schweden, es funktionierte nicht mit einem Kanadier und nicht einmal Arno hat es geschafft.
Eine Hockeyfirma mit dem Selbstverständnis, den finanziellen Mitteln und der sportlichen Substanz der ZSC Lions muss zwar eine Niederlage akzeptieren können. Das gehört zum guten Stil. Aber nur nach aussen. Niemals intern.
Der Trainer, der diese Pleite zu verantworten hat, kann eigentlich kein Thema mehr sein. Arno hat bereits nicht mehr alle Spieler hinter sich und mit einem Scheitern würde aus einem Meistertrainer mit Kultstatus für die jüngere Spielergeneration ein «Alpöhi» mit Rockmusik statt Ländler.
Aber zweimal hintereinander haben die Zürcher den Trainer nach bestem Wissen und Gewissen, nach sorgfältigster Prüfung und nach fachlichen Kriterien ausgesucht. Und zweimal hintereinander haben sie sich getäuscht.
Der nächste Trainerentscheid wird kaum mehr ein fachlicher mehr sein. Sondern ein populistisch-politischer. Die überwiegende Mehrheit auf den Rängen im Hallenstadion und in den Redaktionsstuben Zürichs steht hinter Arno. Komme was wolle. Er kann deshalb selbst im Falle eines Scheiterns mit einer Vertragsverlängerung und mindestens 400'000 Franken Jahreslohn rechnen. Was schon die alten Römer wussten, ist auch dem Management der ZSC Lions bewusst: Vox populi vox Dei («Volkes Stimme ist Gottes Stimme»). Und das gilt auch heute noch. Zumal sie sich, anders als im alten Rom, über die sozialen Medien Gehör verschaffen kann.
Für die ZSC Lions als Hockeyunternehmen wäre ein Scheitern in Genf zwar peinlich, hätte aber keine weiteren Folgen: sie würden sich davon eher früher als später erholen. Der SCB hatte als Meister 2014 die Playoffs verpasst. Zwei Jahre und ein Trainerwechsel später waren sie 2016 bereits wieder Meister. Trainer kommen und gehen, Hockeyfirmen bleiben bestehen.
Aber Arnos Trainerkarriere wäre trotz einer Vertragsverlängerung bei den ZSC Lions nicht mehr zu retten. Sein Charisma hätte nur noch den Glanz von Trompetengold. Seine Autorität wäre die eines Hauptmannes von Köpenick. Wer dann auf seine Entlassung zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 wetten würde, wäre auf der sicheren Seite. Ein «schwarzer Montag» in Genf kann den Ruhm aus 22 Jahren und 6 Titeln löschen.
Es geht in Genf also mehr um Arnos Karriere als um das Glück ZSC Lions.