Unruhe ist im französischen Nationalteam ein ständiger Begleiter. Sei es an der WM 2010, als die Spieler das Training bestreikten, weil sie mit der Entscheidung, Nicolas Anelka nach Hause zu schicken, nicht einverstanden waren. Der Stürmer hatte Trainer Raymond Domenech beleidigt. Oder an der EM 2016, als Karim Benzema wegen des Erpressungsskandals um Mitspieler Mathieu Valbuena aus dem Nationalteam verbannt wurde. Und zuletzt an der EM 2020, wo Adrien Rabiots Mutter für Stunk sorgte.
Auch jetzt beschäftigen das Team von Didier Deschamps einige Schauplätze abseits des Fussballplatzes. Kylian Mbappé streitet mit dem Verband um die Bildrechte der Nationalspieler, Paul Pogba wird von seinem Bruder erpresst und nach den letzten Resultaten sitzt auch der Trainer nicht mehr so fest im Sattel wie auch schon. Deschamps selbst sagte in der vergangenen Woche: «Die Stimmung ist nicht die ruhigste.»
In den verbleibenden Nations-League-Spielen gegen Österreich und Dänemark brauchen die «Bleus» dringend Punkte, denn sonst droht gar der Abstieg in Liga B. Frankreich steht mit zwei Punkten aus vier Spielen auf dem letzten Platz ihrer Gruppe.
Nicht im Kader der Franzosen ist N'Golo Kanté, der mit einer Verletzung kämpft. Unabhängig von der Verletzung stellt sich jedoch auch die Frage, ob der Mittelfeldspieler immer noch so einflussreich sein kann wie beispielsweise bei der WM 2018. Es gab ein Sprichwort, nach dem zwei Drittel der Erde von Wasser bedeckt sind und der Rest von Kanté. Der Mittelfeldspieler schien überall zu sein, der Gegner musste bei jedem Pass fürchten, dass Kanté ihn abfangen könnte. Doch bereits letzte Saison war dies gemäss «smarterscout» nicht mehr ganz so stark der Fall.
Die vielen Spiele und der grosse Aufwand, den der 31-Jährige jeweils betrieb, haben ihren Tribut gefordert. Kanté ist deutlich verletzungsanfälliger geworden. Und er ist nicht der einzige Patient bei den Franzosen. Paul Pogba droht, die WM zu verpassen. Dazu kommen mit Karim Benzema, Hugo Lloris, Théo Hernandez und Kingsley Coman weitere wichtige Spieler, die aktuell nicht einsatzfähig sind. Deschamps muss also weiter hoffen, an der WM sein bestmögliches Team aufstellen zu können.
Seit Miroslav Klose 2014 aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist, sind die Deutschen auf der Suche nach einem echten Mittelstürmer. Einer, der «die Dinger vorne reinhaut». Dass die Rufe nach Spielern wie Simon Terodde oder aktuell Niclas Füllkrug immer wieder laut werden, ist bezeichnend. Im Kader von Hansi Flick sind mit Timo Werner und Lukas Nmecha zwei Akteure für die Position des Neuners vorgesehen. Doch Werners Probleme mit der Chancenverwertung sind bekannt.
Ob Nmecha, der die U21 im vergangenen Jahr mit vier Treffern zum EM-Titel schoss, diese Lücke füllen kann, muss sich erst zeigen. Klar ist, dass Bundestrainer Flick im Mittelfeld und auf den Flügeln auf viele starke Spieler zählen kann. Doch weder Serge Gnabry noch Kai Havertz oder Thomas Müller konnten restlos überzeugen, wenn sie als Sturmspitze eingesetzt wurden.
An der EM im letzten Jahr stürmte England bis in den Final. Auch die WM-Qualifikation bewältigten die «Three Lions» mit Bravour als Gruppensieger. Doch in der Nations League im Sommer resultierten nur zwei Punkte aus vier Spielen. Die beiden Niederlagen steckte England gegen Ungarn (0:1 und 0:4) ein. Eine Blamage für das selbsternannte «Mutterland des Fussballs». Wie Frankreich droht auch England der Abstieg in Liga B.
Doch steht es um das englische Nationalteam wirklich so schlecht oder lag es vor allem an fehlender Motivation in dem belächelten Wettbewerb und der Müdigkeit nach der langen Saison? Ein Grossteil der englischen Nationalspieler ist in der Premier League angestellt und hatte bereits weit über 40 Partien in den Knochen.
Dennoch stand Trainer Gareth Southgate in der Kritik. Diese wurde beim 0:4 gegen Ungarn schon im Stadion laut. Zuschauerinnen und Zuschauer riefen «Du weisst nicht, was du tust» von den Rängen. In den Spielen gegen Italien und Deutschland erwarten die englischen Fans eine deutliche Steigerung.
Den Spaniern gelang etwas, was keinem anderen Land gelang. Zwischen 2008 und 2012 wurde die «rote Furie» zweimal Europameister und einmal Weltmeister. So dominant wie die Iberer war ansonsten niemand. Doch danach scheiterte Spanien bei grossen Turnieren einmal in der Gruppenphase und zweimal im Achtelfinal. Erst an der EM im letzten Jahr gelang wieder einmal eine Halbfinalteilnahme. Nun fragt sich das Land: Ist die nächste Generation schon so weit?
Von den Spielern, die beim letzten Titel eine tragende Rolle gespielt haben, sind im aktuellen Kader nur noch Jordi Alba und Sergio Busquets dabei. Auf Sergio Ramos verzichtete Luis Enrique bei seiner Nominierung. Die Hoffnungen liegen jetzt auf den jungen Spielern wie Pedri (19), Gavi (18) oder auch Ferran Torres (22). An einem grossen Turnier ist aber auch die Erfahrung entscheidend, da sind unter anderem Alba oder Busquets gefragt. Aber reicht das?
Es waren herzerwärmende Bilder. Als Argentinien im Juli 2021 nach fast 30 Jahren erstmals wieder die Copa América gewann, stürmten alle Mitspieler zu Lionel Messi. Der war in Tränen auf den Boden gesackt. So viel bedeutete es ihm, endlich einen grossen Titel mit dem Nationalteam zu gewinnen.
Doch die Bedeutung der südamerikanischen Kontinentalmeisterschaft ist nicht mit der WM zu vergleichen. Um diesen Titel zu holen, bietet sich Messi und der «Albiceleste» nun die wohl letzte Chance. Bei der WM 2026 wäre Messi bereits 39. So hoffen die Argentinier, dass Messi und Co. es in diesem Jahr noch ein letztes Mal auf den Platz bringen. Damit die Finalniederlage gegen Deutschland aus dem Jahr 2014 nicht das beste Abschneiden an einer WM mit «la Pulga» bleibt.
Der grosse Rivale der Argentinier gilt bei den Buchmachern als Favorit auf den Titel. Doch auch die Brasilianer plagt eine Frage zu ihrem grössten Star. Neymar fiel in der Vergangenheit auf dem Fussballplatz nämlich immer wieder mit Schauspieleinlagen oder lustlosem Verhalten auf. Dabei müsste er das Team anführen. Captain ist der Flügelspieler von PSG zwar nicht, das waren zuletzt entweder der 39-jährige Dani Alves oder der 38-jährige Thiago Silva.
Dennoch hängt viel an Neymar. Er muss die Offensive um die talentierten Jungen wie Reals Vinicius, Manchester-United-Neuzugang Antony oder auch Spurs-Stürmer Richarlison anführen. Diese sehen ihn alle als Vorbild, Antony beschreibt ihn gar als «Leader, der allen anderen Selbstbewusstsein gibt». Und weil die Defensive mit Spielern wie Silva, Marquinhos oder Eder Militao ebenfalls so stark ist wie lange nicht mehr, scheint der Schweizer Gruppengegner bereit für den Titel – wenn Neymar die Rolle des Leaders ausfüllen kann.
Dank eines 4:0 gegen Bulgarien sicherte sich die Schweiz den Gruppensieg in der WM-Qualifikation – vor Italien. Kein halbes Jahr nach dem Einzug in den EM-Viertelfinal liess das die Euphorie bei den Schweizer Fussballfans in ungekannte Höhen steigen. Doch die Auftritte in der Nations League liessen das Standing von Team und Trainer Murat Yakin im Land wieder stark sinken. Vor allem das 0:4 in Portugal sorgte für Kritik.
Nun stellt sich die Frage: Wie gut ist die Schweiz wirklich? Wie so oft liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. In beiden Spielen gegen Italien vergab der sonst eigentlich sichere Schütze Jorginho einen Penalty. Einmal hielt Yann Sommer, einmal schoss der Mittelfeldspieler von Chelsea über das Tor. So waren die beiden Unentschieden auch etwas glücklich. Gegen Spanien und Tschechien steht die Nati jetzt unter besonderer Beobachtung, auch weil der Abstieg droht.
Hoffnung macht, dass sich viele Spieler bei ihren Klubs in den Topligen in sehr guter Form befinden. Granit Xhaka ist einer der Leistungsträger beim Höhenflug von Arsenal, Breel Embolo war bei Monaco bereits an fünf Toren beteiligt, und Manuel Akanji durfte seit seiner Ankunft bei Manchester City immer über 90 Minuten spielen. Nicht dabei sein wird derweil Hoffnungsträger Noah Okafor, der in der Champions League für Furore sorgte.
Dusan Vlahovic (Marktwert: 85 Mio. Euro), Sergej Milinkovic-Savic (70 Mio.), Filip Kostic (24 Mio.) oder auch Aleksandar Mitrovic (25 Mio.). Serbien hat mehrere hervorragende Spieler, die bei ihren Klubs in den Top-5-Ligen zum Stammpersonal gehören. Doch erstens sind diese hauptsächlich für die Offensive zuständig, und zweitens machen gute Spieler noch kein gutes Team.
So holten die Serben in der WM-Quali aus zwei Spielen gegen Portugal zwar vier Punkte, taten sich aber gegen Teams wie Luxemburg oder Aserbaidschan schwer und siegten nur knapp, in Aserbaidschan gar nur dank eines späten Treffers. Gleichzeitig sind sie defensiv anfällig. Dragan Stojkovic, Trainer des Schweizer Gruppengegners, hat zwei Monate vor der WM also noch einige Baustellen zu beheben.
«Ich bin nicht zufrieden», sagte Samuel Eto'o in der Kabine nach dem Spiel. Kamerun hatte gegen Burundi gerade 1:0 gewonnen, doch das reichte dem früheren Stürmer und jetzigen Verbandspräsident nicht. Eto'o verlangte mehr Einsatz und Aufopferungsbereitschaft. Niemand habe einen Platz in diesem Team auf sicher. «Ich würde mein Leben für Kamerun geben. Ich habe eine grosse Wertschätzung für dieses Land und ich werde es dort hinführen, wo es hingehört. Mit oder ohne euch.»
🎥 Samuel Eto’o remonté contre les Lions indomptables du Cameroun après leur prestation en demi-teinte face au Burundi 🗣🇨🇲@LIndomptables @FecafootOfficie pic.twitter.com/keb7zJ4Ry0
— AllezLesLions (@AllezLesLions) June 9, 2022
Es ist die einzige Hoffnung von Kamerun: Kampf und voller Einsatz. Einen Spieler wie Samuel Eto'o einer war, hat Trainer Rigobert Song nicht in seinem Team. Es ist die nominell schwächste Mannschaft in der Schweizer Gruppe. Aber mit der Energie und der Einstellung, die der 41-Jährige bei seiner Ansprache zeigt, ist vielleicht eine Überraschung drin.
Bei den letzten Turnieren galt Belgien immer als Geheimfavorit. An der letzten WM wurden sie Dritte, bei den Europameisterschaften 2016 und 2020 scheiterten sie im Viertelfinal. Der ganz grosse Wurf gelang der goldenen Generation um Goalie Thibaut Courtois, Mittelfeldstratege Kevin De Bruyne sowie die Offensiv-Stars Eden Hazard und Romelu Lukaku aber noch nicht.
Auch in diesem Jahr zählen sie nicht zu den ganz grossen Favoriten – auch weil die letzten Auftritte nicht mehr ganz so überzeugend waren wie auch schon. Um an dieser WM doch noch einen Titel an einem grossen Turnier zu gewinnen, muss dem Team von Roberto Martinez alles gelingen.
Cristiano Ronaldo ist das portugiesische Nationalteam. Das galt in den letzten Jahren eigentlich immer. Lief es dem Superstar, dann lief es auch der Mannschaft – und umgekehrt. Und noch immer ist das Team von Fernando Santos stark vom Stürmer abhängig. Wenn Ronaldo in der WM-Quali traf, gewann Portugal, wenn nicht, dann gewann es nur eines von vier Spielen.
Dabei hat Portugal viele Spieler auf internationalem Topniveau. Wie die Verteidiger Joao Cancelo und Ruben Dias, die Mittelfeldspieler Bruno Fernandes und Bernardo Silva oder auch den Offensiven Joao Felix. Diese sind nun gefragt. Denn ein Ronaldo allein reicht nicht. Das merkte nicht nur Manchester United in dieser und letzter Saison, sondern auch Portugal an den letzten beiden grossen Turnieren, als es jeweils im ersten K.o.-Spiel ausschied.