«Manchmal muss man den Mund halten»: Xhaka äussert sich zu Okafor und Sunderland-Erfolg
Granit Xhaka und der AFC Sunderland sind nach einem knappen Drittel der Saison die grosse Geschichte der Premier League. Der Aufsteiger steht auf Platz vier und daran hat der 33-jährige Basler einen grossen Anteil. Xhaka ist Captain, Antreiber, Aggressivleader und verlängerter Arm des Trainers in Einem. Erst am letzten Wochenende beim 2:2-Unentschieden gegen Ex-Klub Arsenal sorgte er mit seiner aufbrausenden Art für Ärger, als er Gegenspieler Mikel Merino erst foulte und dann lautstark anging.
Doch bei den Fans aus der Arbeiterstadt Sunderland kommt der Mittelfeldspieler damit sehr gut an. Zumal er gleichzeitig auch mit seinen Füssen eine deutliche Sprache spricht. Keiner bei den Black Cats spielt so viele Pässe, ist so häufig am Ball oder kreiert so viele Chancen wie Xhaka. Ausserdem ist er im Vergleich zu seinen zwei Jahren in Leverkusen auch defensiv wieder mehr gefragt: Über dreimal pro Spiel erobert er den Ball zurück, das ist – natürlich – Spitzenwert im Team.
Wie wichtig das für den Erfolg Sunderlands ist, erklärte Xhaka in einem Interview beim Blick nun selbst. «Es gibt zwei Arten, wie man verteidigt: weil man es muss oder weil man es liebt», führt er an und stellt dann klar: «Wir lieben das Verteidigen. Das ist der Unterschied!» Deshalb hätten es gegnerische Teams so schwierig, gegen Sunderland Chancen zu kreieren. Tatsächlich kassierte das Team von Trainer Régis Le Bris die viertwenigsten Gegentore der Premier League. Dafür müsse der Underdog leiden, aber: «Es macht Spass, für die Ergebnisse zu leiden.»
«Keine Touristen» in Sunderland
Vereinfacht wird dies wohl auch durch die Unterstützung der Fans. «Sie supporten uns seit dem ersten Spieltag mit einer Wucht, die unbeschreiblich ist.» Beim 2:1-Sieg an Chelseas Stamford Bridge Ende Oktober habe man nur die Gästefans gehört, berichtet Xhaka. «Das sind richtige Fans, keine Touristen. Sie sind nicht zufällig in der Stadt, Sunderland ist ihr Leben!»
Der Wechsel vom deutschen Topklub Leverkusen zum Aufsteiger nach England wurde im Sommer auch etwas kritisch beäugt. Xhaka erklärte seinen Entscheid auch mit Blick auf die geplante Trainerkarriere nach seinem Rücktritt, dass es wichtig sei, auch mal Momente des Leidens zu erleben. «Es war die grösste Challenge meiner Karriere, nicht nur meinetwegen, sondern auch wegen meiner Familie», erklärt Xhaka nun und sagt: «Jede Minute hier hat sich bisher gelohnt.» Nicht nur, weil es gut laufe, sondern ihm passe auch die Umgebung, das Familiäre im Verein. «Schon beim ersten Schritt in die Kabine wusste ich: eine gute Wahl.»
Die «vielleicht letzte WM» für den Captain
Jetzt stehen für Xhaka aber erst einmal zwei wichtige Spiele mit der Nati an. Gegen Schweden und Kosovo will die Schweiz sich für die WM 2026 qualifizieren. Für den 33-Jährigen könnte das «vielleicht die letzte WM» sein. «Nur schon deshalb will ich das WM-Ticket unbedingt!» Die Nati ist als ungeschlagener Leader in einer guten Ausgangslage, dabei war die Skepsis nach dem schwachen Herbst 2024 mit dem Abstieg aus der höchsten Klasse der Nations League gross.
Für Xhaka war das Problem klar: «Ich habe die Mannschaft vor dem WM-Quali-Start daran erinnert, was uns immer ausgezeichnet hat: der Zusammenhalt! Es gab eine Phase, in der wir dieses Gesicht nicht mehr zeigten.» Zwischenzeitlich sei es zu einfach gewesen, ins Team zu kommen. Dagegen, dass nach den Rücktritten von Xherdan Shaqiri, Fabian Schär und Yann Sommer nach der EM 2024 etwas ausprobiert worden sei, sei nichts einzuwenden. «Aber irgendwann mussten wir und ich mir als Captain die Frage stellen: was und wie jetzt? Wo ist die Schweiz, die wir alle kennen?» Danach habe die Nati den Schalter umkippen und wieder zur EM-Form finden können. Dominante Auftritte gegen alle drei Qualifikationsgegner waren das Resultat. Nach vier Spielen steht bei der Nati ein Torverhältnis von 9:0 zu Buche.
Die Personalie Okafor und die Nationenwechsel
Als Kapitän des Schweizer Nationalteams wurde Xhaka auch auf die Situation von Noah Okafor, den Murat Yakin erneut nicht nominiert hat, angesprochen. In dessen Situation würde sich Xhaka «realistisch mit der Lage auseinandersetzen: Weshalb schaffe ich es nicht? Weshalb gehöre ich nicht zum Aufgebot?» Der Schweizer Rekordnationalspieler attestiert dem 24-Jährigen ein grosses Potenzial, das dieser in den letzten Jahren aber zu selten gezeigt habe.
«Jetzt bei Leeds kommt er besser zur Geltung. Die Liga passt zu ihm», so Xhaka. Nur seien Spieler wie Dan Ndoye (Xhaka: «Unverzichtbar für die Nati») oder Ruben Vargas («enorm wichtig») stärker aufgefallen. Xhaka findet aber, dass auch Okafor in Zukunft eine Rolle spielen könnte, «wenn er gewisse Dinge besser in den Griff bekommt». Sein Rat an den Offensivspieler: «Manchmal muss man auf den Boden blicken, den Mund halten und arbeiten. Das gilt für alle – auch für mich.»
Überhaupt nicht mehr für die Nati spielen werden Leon Avdullahu und Albian Hajdari, die sich für einen Nationenwechsel entschieden haben. «Spieler mit ihrer Qualität will man definitiv nicht abgeben», sagt Xhaka. Gleichzeitig versteht er die Entscheidung aber auch, da es für beide wohl schwierig gewesen wäre, sich in den nächsten Jahren einen Stammplatz in der Schweizer Nati zu erkämpfen. Dies hätten auch Spieler, die schon weiter in der Karriere seien, bisher nicht geschafft. «Ardon Jashari ist seit drei Jahren bei uns dabei und kommt auf vier Spiele. Ist Leon Avdullahu weiter als Ardon? Ich glaube es nicht», erklärt Xhaka und fügt in Bezug auf den Hoffenheim-Legionär an: «Vielleicht fehlte ihm etwas die Geduld im Zusammenhang mit der Schweiz.» (nih)
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