Florence Schelling, herzliche Gratulation zu deinem neuen Job! Was geht bei dir gerade ab?
Florence Schelling: Es «tschätteret» im Moment gerade ziemlich. Ich musste mein Telefon gerade zum zweiten Mal aufladen. Es kommen etliche Nachrichten und viele Anrufe rein. Die Meldung wirft definitiv Wellen.
Wirklichen Bezug zum SCB hattest du bislang eigentlich nicht.
Das stimmt. Bis zu den ersten Gesprächen mit Marc Lüthi und Rolf Bachmann hatte ich in meiner Karriere nie etwas mit dem SCB zu tun. Ausser, dass ich früher auch gegen den Klub gespielt habe.
Du hast die letzte Saison von Bern mitverfolgt. Was lief schief?
Ich bin ein ziemlich zielorientierter und ehrgeiziger Mensch, das heisst, was letzte Saison war, ist für mich nicht mehr zentral. Klar muss man Lehren daraus ziehen und gewisse Dinge – positiv wie negativ – analysieren. Aber ich will mich auf die kommende Saison konzentrieren und die Voraussetzungen schaffen, dass wir wieder an die Spitze kommen können.
Wie würdest du deine Hockey-Philosophie beschreiben und wie willst du sie beim SCB einbringen?
Der Verantwortlichen bei Bern haben eine Strategie, die sie seit Jahren fahren. Eine Strategie, die sich bewährt hat. Ich will mich da einarbeiten und schauen, wo wir Anpassungen machen können und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt.
Du bist die erste Frau weltweit, die eine Position als Sportchefin im Profieishockey inne hat. Gibt es da überhaupt Vorbilder?
Es ist effektiv so, dass ich die erste Frau als Sportchefin bin weltweit. Natürlich gibt es niemanden in der genau gleichen Position, zu dem ich aufschauen könnte. Niemanden, bei dem ich sagen könnte: «Aha, sie hat das in der gleichen Position so gemacht und hatte dabei Erfolg.» Andererseits hat es gerade in der NHL schon einige Frauen in operativen Position – vor allem als Scouts – bei denen ich Einblick erhalten und mich austauschen kann.
Du übernimmst also selbst eine Vorreiterrolle.
Ich nehme an, dass ich eine derartige Rolle übernehmen kann. Mir ist es extrem wichtig, dass ich wirklich gute Arbeit leisten kann. Das ist mein primäres Ziel. Sobald es losgeht, gebe ich alles für den SCB und werde mich mit einem riesigen Bärenherz an die Arbeit machen.
Du bist Newcomerin im Sportchef-Wesen und erst 31 Jahre alt. Warum wirst du trotzdem Erfolg haben?
Es ist für mich eine neue Position, das ist klar. Gleichzeitig habe ich mich in den letzten Jahren akribisch mit dem Schweizer und dem internationalen Eishockey auseinandergesetzt. Ich habe ein Wirtschafts-Masterstudium abgeschlossen. Hatte meine eigene Karriere in der Schweiz, aber auch in den USA, in Kanada und in Schweden. Das sollte mir alles helfen in diesem neuen Job.
Druck weil du als Frau jetzt besonders im Rampenlicht stehen wirst, verspürst du keinen?
Nein, bis jetzt zumindest nicht. Ich habe ja mit dem Job noch gar nicht begonnen. Zudem arbeite ich beim SCB in einem routinierten Team. Und ich bin auch keine One-Woman-Show. Alle Entscheidungen werden gemeinsam angeschaut und diskutiert. Deshalb glaube ich nicht, dass ich unglaublich unter Druck stehen werde.
Wie gut sind deine Kontakte in der Männer-Hockeywelt?
Ich hätte gesagt, die sind ganz ok. Ich habe jahrelang selbst bei den Männern gespielt und so schon viele Kontakte aufbauen können. Ich habe während meiner Karriere den Kontakt zu Spielern und Trainern gepflegt. Natürlich muss ich mein Netzwerk vergrössern, aber es ist auf jeden Fall schon vorhanden.
Deinem Vorgänger wurde vorgeworfen, er wage es nicht, Marc Lüthi zu widersprechen. Traust du dir das zu?
Ja, wenn es eine solche Situation gibt, scheue ich nicht davor zurück, meine Meinung zu vertreten. Natürlich nicht, ohne die Gegenseite anzuhören. So wie die Gespräche zwischen Marc Lüthi und mir bislang verlaufen sind, sehe ich das sehr positiv.
Als Sportchefin bei einem der grössten Klubs der Schweiz bist du auf einer neuen Bühne angekommen. Hast du im Eishockey jemals so viel verdient wie jetzt?
Nein, noch nie.