Wohl kaum. Federer gewann 7 von 12 Turnieren, bei denen er teilnahm, darunter seine beiden ersten zwei Grand-Slam-Titel seit 2012. Es war das Resultat einer klugen Planung, doch ihm spielten auch andere Faktoren in die Karten. Diese werden nun neu gemischt.
Novak Djokovic (30) kehrt zurück, die Generation um Alexander Zverev peilt den Vorstoss an die absolute Weltspitze an. An der Zielsetzung Roger Federers ändert das indes wenig. Er peilt Titel bei den grossen Turnieren an.
Gewinnt er mehrere Titel, wäre das bereits ein Erfolg. Krönt er sich gar zum 20. Mal zum Sieger eines Grand-Slam-Turniers, wäre das sogar überragend. Und alles andere als selbstverständlich.
Kaum. Er startet mit einem Defizit von 1020 Punkten gegenüber Rafael Nadal in die Australian Open. Doch es gibt ein Szenario, das Federer Ende Januar an die Spitze zurückbringt. Dazu müsste der Baselbieter den Titel in Melbourne verteidigen und Rafael Nadal vor den Viertelfinals ausscheiden.
Gelingt das nicht, wird die Rückkehr auf den Thron zur Utopie, weil der Schweizer danach in Indian Wells und Miami ebenfalls als Titelverteidiger antritt. Wirklich Boden gutmachen könnte Federer nur dann, wenn er – anders als im Vorjahr – auch auf Sand mehrere Turniere bestreitet. Das scheint jedoch unwahrscheinlich. Denn das letzte Jahr hat Federer darin bestärkt, dass der Verzicht auf seine schwächste Unterlage goldrichtig ist.
Ähnlich wie im letzten Jahr. Nicht zur Debatte stehen aber nur die Australian Open, Wimbledon, die US Open, Halle, Basel und der Final der Jahresbesten (sofern Federer sich qualifiziert). Sehr wahrscheinlich sind die Teilnahmen in Indian Wells und Miami – denkbar ist aber, dass Federer wie in früheren Jahren nur eines der Masters-Turniere bestreitet.
Kann er an die Erfolge aus dem Vorjahr anknüpfen, dürfte Federer im August in Cincinnati und im Herbst in Schanghai spielen. Kaum anzunehmen ist, dass der Baselbieter eine vollständige Sandsaison spielt. Viel wahrscheinlicher ist, dass er erneut auf die French Open verzichtet. Offen sind auch die Teilnahmen in Dubai und Stuttgart.
Wie bei Federer gilt: Nichts ist unmöglich und doch ist das unwahrscheinlich. Nadal gewann die grossen Titel, bei denen er Federer aus dem Weg gehen konnte: Vier Mal trafen sie aufeinander, vier Mal verlor der Spanier.
So beeindruckend Nadals Jahr war: Selten kam er so einfach zu einem Grand-Slam-Titel wie bei den US Open, wo er keinen Spieler aus den Top 20 der Weltrangliste bezwingen musste. Zudem gönnte sich der Spanier wieder kaum Pausen, bestritt 78 Partien und damit 21 mehr als Federer.
Prompt erhielt Nadal im Herbst einmal mehr die Quittung. Die Knieschmerzen erschwerten auch die Vorbereitung auf die neue Saison. Auf Sand wird Nadal kaum zu bezwingen sein. Auf allen anderen Unterlagen ist er hingegen verwundbar.
Nicht einmal er selber kennt die Antwort auf diese Frage. Zwar überzeugte er bei einem Schaukampf im Vorfeld der Australian Open, doch der rechte Ellenbogen, der ihn zu einer halbjährigen Pause gezwungen hatte, bereitet ihm noch immer Probleme.
Zudem stellt sich noch immer die Frage nach dem inneren Feuer, das erloschen schien, nachdem Djokovic alles gewonnen hatte. Dass «Guru» Pepe Imaz noch immer in seinem Dunstkreis verkehrt, wirft Fragen auf.
Sein Trainer, Andre Agassi, verweigert den Dialog mit dem Spanier. Djokovic hat sein Team zudem erneut radikal umgebaut. Neu dabei sind Co-Trainer Radek Stepanek und Tennisanalyst Craig O’Shannessy.
Die Zukunft gehört Alexander Zverev (20). Nachdem der Deutsche 2017 zwei Masters-Turniere gewinnen konnte, ist der Durchbruch bei einem Grand-Slam-Turnier überfällig. Daneben kommen aber zahlreiche weitere Spieler für grosse Titel infrage. Allen voran der Bulgare Grigor Dimitrov (26), der den Final der Jahresbesten gewann.
Aber auch der Österreicher Dominic Thiem (24), der Australier Nick Kyrgios (22), der Belgier David Goffin (27) oder der Argentinier Juan Martin del Potro (29) melden ihre Ambitionen an. Völlig offen ist, welche Rolle Novak Djokovic (30) und Stan Wawrinka (32) spielen. Andy Murray (30) kehrt nach einer Hüftoperation frühestens im Sommer zurück.
Eine Rückkehr wie Federer oder Rafael Nadal im letzten Jahr trauen ihm nur wenige zu, auch er selbst hält die Erwartungen tief. Stan Wawrinka gilt als Athlet, der lange braucht, um Vertrauen in sich, sein Spiel und seinen Körper zu gewinnen. Das aber hat seit den beiden Eingriffen am linken Knie im letzten Sommer massiv gelitten.
Die Zeit danach, die auch depressive Phasen beinhaltet habe, bezeichnete er jüngst als «die schwierigste in meiner Karriere». Dazu kommt die für ihn unerwartete Trennung von seinem Trainer Magnus Norman.
Wawrinka, im Vorjahr noch in den Halbfinals, droht nach Australien im Ranking weiter abzurutschen. Zudem wird der Romand im März bereits 33 Jahre alt. Auch deswegen spricht viel dafür, dass der dreifache Major-Sieger den Anschluss an die absolute Weltspitze nicht mehr schafft.
Belinda Bencic war schon einmal die Nummer 7 der Welt. Doch Verletzungen und schwache Leistungen warfen sie zurück. Letzten Frühling zog sie die Notbremse, liess sich am linken Handgelenk operieren, fiel fast ein halbes Jahr aus und wurde danach in der Weltrangliste bis auf Rang 318 durchgereicht.
Mit einem starken Herbst hat sich die 20-Jährige bereits wieder auf Rang 77 der Weltrangliste vorgearbeitet. Zuletzt besiegte sie beim Hopman Cup mit Coco Vandeweghe eine Spielerin aus den Top 10.
Nach der Schwangerschaft von Serena Williams fehlt dem Frauentennis das Gesicht. Darum ist auch für Bencic vieles möglich, auch eine Rückkehr in die Top 10. Allerdings braucht es dazu auch Losglück, das ihr auch in diesem Jahr bislang fehlte. In der 1. Runde des Australian Open trifft sie gleich auf Venus Williams (WTA 5).
Niemand. Die Rumänin Simona Halep (26) gewann wieder kein Grand-Slam-Turnier, beendete das Jahr aber als Nummer 1 der Weltrangliste. Doch bei den Frauen ist der begehrte Platz ohnehin ein Schleudersitz. Sieben Wechsel gab es in den letzten zwölf Monaten, fünf Spielerinnen führten das Ranking in dieser Zeit an.
Vor den Australian Open trennen 675 Punkte die ersten sechs (Halep, Muguruza, Wozniacki, Pliskova, Venus Williams, Switolina). US-Open-Siegerin Sloane Stephens (24, WTA 13) figuriert hingegen nicht einmal in den Top 10.
In Abwesenheit von Serena Williams ist nicht damit zu rechnen, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Das eröffnet Chancen – auch für Spielerinnen wie Timea Bacsinszky und Belinda Bencic.
Als Schwangere gewann sie im Vorjahr bei den Australian Open ihren 23. Grand-Slam-Titel. Am 1. September kam Tochter Alexis Olympia Ohanian zur Welt. Unlängst kehrte Williams auf den Platz zurück, doch in Melbourne fehlt die Titelverteidigerin.
Dass sie an die Spitze zurückwill, betont sie aber immer wieder, zuletzt sagte sie in der «Vogue»: «Ich kenne die Rekordbücher genau, leider. Es ist kein Geheimnis, dass ich die 25 im Blick habe.»
Williams sagte aber auch, sie habe das Gefühl, nicht mehr spielen zu müssen. «Ich brauche das Geld oder die Titel oder das Prestige nicht. Ich möchte sie, aber ich brauche sie nicht.» Wann sie zurückkehrt, lässt Williams noch offen.