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Neblig und kühl, so zeigt sich das Wetter zum Jahreswechsel im Schweizer Mittelland. Nichts Besonderes für diese Jahreszeit. Ganz anders dagegen im hohen Norden: Das Tiefdruckgebiet Eckard sorgt dort für turbulente Verhältnisse und heizt dem Nordpol tüchtig ein.
Das Tief über Island saugt warme Luftmassen aus südlichen Breiten an. Die Folge ist ein mehrere hundert Kilometer langes Sturmsystem, das in dieser Heftigkeit – gerechnet wird mit Windgeschwindigkeiten von 160 Kilometern pro Stunde – noch nie beobachtet worden ist. Die zum Nordpol verfrachtete äquatoriale Warmluft sorgt dort für Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt – anstelle der sonst um diese Zeit üblichen minus 30 bis minus 40 Grad.
«Das hat es noch nie gegeben, dass die Temperatur am Nordpol in den drei Wintermonaten über den Nullpunkt steigt», sagt der Meteorologe Cédric Sütterlin von Meteo News. Der Grund für die Verfrachtung der warmen Luft liege im enormen Druckunterschied zwischen dem Tief Eckard und dem Hochdruckgebiet, das sich derzeit über dem Baltikum, Skandinavien und Nordrussland erstreckt.
Während der Luftdruck dort auf 1050 Hektopascal (hPa) steigt, ist er im Tiefdruckgebiet auf nur noch 920 bis 930 hPa gefallen. Ein durchschnittliches Sturmtief hat einen Luftdruck von 980 hPa. «Dieser niedrige Wert ist zwar nicht Rekord, aber er ist ausserordentlich tief», bekräftigt Sütterlin. Der Hurrikan Sandy, der 2012 die Ostküste der USA heimsuchte, wies beispielsweise lediglich einen Tiefstwert von 940 hPa auf.
Wie kommt es zu einer solchen extremen Wetterlage? Sehen wir hier die Auswirkungen der Klimaerwärmung, ist die Aufheizung der Ozeane schuld oder liegt es am Wetterphänomen El Niño? «Wetter ist nicht gleich Klima», erklärt Sütterlin. Einzelne Wetterlagen liessen sich nicht auf die Klimaerwärmung zurückführen, sagt der Meteorologe, auch wenn «solche Klimaextreme sich in Zukunft vermutlich häufen» werden.
Was einen möglichen Einfluss von El Niño betrifft, der sich dieses Jahr besonders stark bemerkbar macht, so gibt sich Sütterlin skeptisch: «El Niño hat tatsächlich Auswirkungen auf das Wetter in Europa, aber dass diese spezielle Lage davon beeinflusst ist, bezweifle ich.» Er halte es für einen Zufall, dass dieses Wettergeschehen am Nordpol mit der Aktivität von El Niño zusammentrifft. Die starken Überschwemmungen, die derzeit Nordaustralien zu schaffen machen, hätten dagegen durchaus mit diesem pazifischen Wetterphänomen zu tun.
Sütterlin bezweifelt auch, dass die Erwärmung der Ozeane für die ungewöhnliche Wetterlage verantwortlich ist. «Die Erwärmung bewegt sich bisher nur im Zehntelgrad-Bereich», betont er. In Zukunft werde die Aufheizung der Ozeane mit Sicherheit das Wetter stärker beeinflussen, doch derzeit sehe er keinen direkten Zusammenhang zwischen der Erwärmung der Meere und dem Wärmeeinbruch über dem Nordpol. «Vergessen wir nicht», sagt der Meteorologe, «Wetter ist ein chaotisches System.»