Ab und an zaubern einem bestimmte E-Mails selbst in einer stressigen Woche ein breites Grinsen ins Gesicht. Heute war es mal wieder so weit: Post von Geoff Keighley. Er fragt, ob GAMES.CH wieder Lust hätte, an den diesjährigen Game Awards teilzunehmen und Teil der Jury zu sein. Unsere Antwort fällt – wie schon im letzten Jahr – positiv aus. Was folgt, ist ein komplexer Nominierungsprozess, in welchen die gesamte Redaktion eingebunden wird. Über ein Google-Formular kann jedes Teammitglied für jede der 31 Kategorien Vorschläge machen. Alle Einsendungen werden dann zusammengezogen und an den Veranstalter übermittelt.
Auf Basis der Einsendungen der mehr als 100 Jury-Medien hat der Veranstalter mittlerweile die Liste der nominierten Spiele festgelegt. Im nächsten Schritt muss nun wieder die Redaktion ran. Dabei stimmt jedes Teammitglied auf Basis der neuen Liste ab, welches der nominierten Spiele in seinen/ihren Augen einen Award verdient hat. Später gehen die Ergebnisse gebündelt an die TGA-Organisatoren.
Von Zürich aus jetteten wir über den grossen Teich direkt nach LA. Das Internet im Flieger war erfreulich flott, weshalb wir unterwegs letzte organisatorische Details klären konnten. Schön auch, dass am Flughafen LAX diesmal alles viel schneller ging als sonst. Nach nur fünf Minuten hatten wir die Einreise-Formalitäten abgeschlossen und befanden uns kurz darauf mittels Uber-Shuttle auf dem Weg zum Hotel.
Dass wir am Tag nach der Anreise mit Jetlag zu kämpfen haben, war abzusehen. Nicht jedoch, dass von drei im Vorfeld der Game Awards geplanten Terminen gleich zwei ausfallen. Macht aber nichts, denn so blieb mehr Zeit, den Santa Monica Pier zu besuchen und Material für den GAMES.CH-VLOG aufzunehmen.
Gut gestärkt mit einem american Breakfast erwartete uns heute ein straffes Programm. Los ging’s mit einem exklusiven Event von 505 Games. Der italienische Publisher drückte Journalisten knapp eine Stunde lang Controller in die Hand, um das JRPG «Eiyuden Chronicles: Hundred Heroes» aus der Feder von Yoshitaka Murayama anzuspielen. Letztgenannter landete 1995 mit «Suikoden» für PlayStation einen Rollenspiel-Hit und umschreibt sein neues Werk als spirituellen Nachfolger.
Im Anschluss an diesen vielversprechenden RPG-Exkurs lud Microsoft zu einem Networking-Gettogether. Branchen-Prominenz war in Form von Phil Spencer (Chef der Xbox-Abteilung), Todd Howard (Schöpfer von «Starfield») und Co. reichlich vertreten und die Stimmung ausgelassen. Kein Wunder, denn mit «Forza Motorsport», «Hi-Fi Rush» und «Starfield» sind gleich drei Microsoft-Spiele Award-nominiert.
Gegen 19:30 Uhr war es dann endlich so weit: Die 2023er-Edition der Game Awards startete – zunächst mit einer Pre-Show, die Sydney Goodman moderierte. Dabei vergab sie Preise in gleich mehreren Kategorien: «Super Marios Bros. Wonder» wurde zum besten Familienspiel gekürt, «Forza Motorsport» holte – u.a. aufgrund innovativer Spielhilfen für Blinde – die Zugänglichkeits-Trophäe.
Im Anschluss folgten zahlreiche E-Sport-Awards, die Goodman jedoch sehr hastig abfrühstückte. Die eigentlichen Gewinner waren nicht zu sehen und wurden auch nicht auf die Bühne geholt – schade. Immerhin: Als Goodman VTuberin Ironmouse als Content Creatorin des Jahres ehrte, konnte die vom variablen Immundefektsyndrom (CVID) heimgesuchte Puerto-Ricanerin mit Hilfe ihres Avatars dankende Worte an die Community richten.
Durch den Hauptteil des Abends führte dann Geoff Keighley, der – wie schon in den Jahren zuvor – immer wieder viel Hollywood-Prominenz auf die Bühne bat. So kündigte beispielsweise Matthew McConaughey («Interstellar») das Sci-Fi-Epos «Exodus»an, während Anthony Mackie («The Hurt Locker») den «Cyberpunk 2077»-Machern den Award für das beste «Ongoing-Game» übergab. Entwickler-Promis waren ebenfalls zahlreich vertreten, darunter Legenden wie Hideo Kojima, der sein Horror-Spiel «OD» anteaserte und Sean Murray von «No Man’s Sky»-Entwickler Hello Games. Die Briten enthüllten erstmals «Light No Fire» – ein beeindruckendes Multiplayer-Fantasy-Survival-Spiel mit einem prozedural generierten Planeten von der Grösse unserer Erde!
Und die grössten Awards-Abräumer? Eindeutig «Alan Wake 2» von Remedy aus Finnland und «Baldur’s Gate 3» von den belgischen Larian Studios. Während erstgenanntes Preise für die beste Spiel- und Art-Direktion sowie die beste Story einsackte, wird letztgenanntes nicht nur bestes Rollen-, Multiplayer- und Community-Spiel, sondern zudem Spiel des Jahres. Obendrein kassiert Neil Newbon einen Preis für die beste schauspielerische Performance.
Kaum sind die Game Awards vorbei, folgt schon der nächste Event – wieder in Downtown LA. Die Rede ist vom «Day of the Devs», einem u.a. von Adventure-Legende Tim Schäfer mit organisierten Indie-Festival, auf dem über 50 Spiele von kleinen Entwicklern gezeigt wurden. Vor Ort trafen wir das 2019 von den Schwestern Adriana und Eléonor de Pesters gegründete Schweizer Indie-Studio Oneira Games. Das Duo präsentierte ein wunderbar ruhiges, mit Wasserfarben gemaltes 2,5D-Spiel namens «Echo of the Waves».
Am Folgetag der Award-Verleihung fluten ausserdem erste Kontroversen unseren Twitter-Account. Heftig diskutiert wird insbesondere der mangelnde zeitliche Respekt gegenüber einigen Entwicklern, allen voran «Baldur’s Gate 3» Spieldirektor Swen Vincke, der – während er einen verstorbenen Mitarbeiter würdigt – per Teleprompter gebeten wurde, «zum Ende zu kommen». Auch wir pflichten dieser Kritik bei und wünschen uns für die Zukunft ein nochmals optimiertes Format, bei dem die eigentlichen Games-Macher noch mehr Redezeit bekommen, während man gleichzeitig die Gesamtlaufzeit auf unter drei Stunden herunterschraubt.
Kurz vor unserer Abreise zurück in die Schweiz durften wir noch den Amazon Studios einen Besuch abstatten. Also den Ort besichtigen, an dem derzeit die Streaming-Serien zu «God of War» und «Fallout» gedreht werden.