Der im April 2020 veröffentlichte erste Teil des Remakes von «Final Fantasy VII» verlief noch recht linear und bot eher schlauchige Levels. Im zweiten von drei geplanten Teilen, «Final Fantasy VII Rebirth», ist das anders. Hier erwarten euch nun auch weitläufige Open-World-Abschnitte, ein deutlich erweitertes Kampf- und Charaktersystem sowie neue Minigames. Wie unser Hands-on in London zeigt, ist aber nicht alles perfekt und manch drängende Frage bleibt noch offen.
Während der Vorgänger lediglich ein sehr kleinen Part der Story des Originals bot, umfasst die Handlung von «Final Fantasy VII Rebirth» vom erzwungenen Exodus aus Midgar am Ende des Vorgängers bis zum Erreichen der «Vergessenen Stadt» einen deutlich grösseren Storybatzen. Entwickler Square Enix orientiert sich dabei erzählerisch am Klassiker von 1997, scheut sich jedoch nicht, in Details stärker abzuweichen. Wie weit die Macher dabei in späteren Passagen genau gehen, wissen wir noch nicht. Das Prologkapitel, in dem ihr eine spielbare Rückblende erlebt und dabei Cloud und gemeinsam im Kampf steuert, deutet aber zumindest an, dass Square Enix mehr Mut wagt. Das geht nicht so weit, dass sich Kenner des Originals auf den Schlips getreten fühlen, sorgt aber dafür, dass sich auch für sie das Abenteuer noch frisch anfühlt und so manche Überraschung bereithält.
Zumeist wird die Story auch ansprechend bis mitreissend in Form hochwertig vertonter Dialoge und Zwischensequenzen inszeniert, etwa wenn in der Stadt Kalm die Shindra-Truppen einfallen, um Hauptheld Cloud Strife und seine Begleiter festzunehmen. In manchen Passagen drosseln die Entwickler das Tempo aber einen Hauch zu stark, oft auch indirekt, indem sie zwischenzeitlich eure Interaktionsmöglichkeiten einschränken. Das ruiniert keineswegs die Atmosphäre, ändert aber nichts daran, dass einzelne Szenen ihre Dramatik nicht vollends entfalten können. Gut ist die Inszenierung insgesamt immer noch, perfekt allerdings nicht.
Mit «Final Fantasy VII Rebirth» wird das Remake zwar nicht zum reinen Open-World-Rollenspiel. Anders als im ersten Teil betretet ihr nun aber häufiger weitläufige Gebiete, die ihr sehr frei erkunden und euch darin unzähligen Bonusmissionen und Herausforderungen stellen könnt. In «Rebirth» erreicht ihr die erste dieser offenen Zonen bereits im zweiten Akt in Form des Graslands am Fusse der Stadt Kalm. Wer will, kann linear der Main Quest folgen.
Ihr könnt euch aber genauso gut dem reichhaltigen, glücklicherweise aber nicht ausufernden Angebot widmen. So trefft ihr schon bald auf Clouds aus Teil 1 bekannten Freund Chadley, der euch eine grosse Bandbreite an Forschungsaufträgen anbietet. Direkt innerhalb der Welt stellt ihr euch dabei unter anderem Kampfchallenges, bei denen ihr bestimmte Zielvorgaben erfüllen müsst. Im Kampf mit ein paar Toxiratten gilt es etwa, von den kleinen Biestern nicht vergiftet zu werden oder bei ihnen im Kampf einen Schockeffekt zu erzeugen.
Die vielfältigen Aufgabentypen umfassen auch minispielartige Herausforderungen in den pilzförmigen Häusern der putzigen Mogrys. Auch an Rennen auf den früh im Spiel verfügbaren Chocobos könnt ihr teilnehmen oder euch in Chadleys Kampfsimulator mit besonders dicken Brocken wie einem grimmigen Titan anlegen. Natürlich gibt es für all das oder die Teilnahme an Duellen im internen Sammelkartenspiel «Blut der Königin» zusätzliche Erfahrungspunkte, Belohnungen in Form spezieller Materia zur Anpassung eurer Ausrüstung und anderem. Wie stark dieses optionale Angebot zur Pflicht wird, um im späteren Verlauf noch mithalten zu können, bleibt abzuwarten.
So lange Square Enix es damit aber nicht übertreibt, sind die Open-World-Inhalte absolut willkommen. Bislang haben wir die Zusatzinhalte jedenfalls als lohnenswertes Angebot und nicht als lästige Pflicht empfunden. Sehr schön an der Erkundung der offenen Gebiete ist auch, dass euch die vier zu Beginn verfügbaren Begleiter allesamt auch sichtbar in der Welt folgen. Sie klettern euch also wirklich zu einer Schatztruhe auf ein altes Aquädukt hinterher. Und sie schwingen sich allesamt auf den Rücken eines Chocobo, wenn ihr es tut. Inklusive des wolfsartigen Mitstreiters Red.
In «Final Fantasy VII Rebirth» baut Square Enix auch das Kampf- und Charaktersystem deutlich aus. Im Kern bietet es weiterhin eine gute Mischung aus effektreich präsentierter Action und taktischer Tiefe, wobei ihr wie gehabt jederzeit zwischen einer aktiven und einer klassischen Variante wählt, die stärker an das «Active Time Battle»-System des Originals erinnert. Neben den Energieleisten für ATB- und Limit-Angriffe gibt es nun eine dritte für die neuen Synchro-Attacken, bei denen dann zum Beispiel Cloud und Aerith gemeinsam eine mächtige Kombo zünden.
Die verfügbaren Attacken müsst ihr zunächst über die charakterspezifischen Kodizes aktivieren und könnt ihre Stärke durch die verschiedenen Arten der mächtigen Materia-Substanzen, aber auch durch die Verbesserung der Beziehung der Helden aufwerten. Da sich die erzielte Teamstufe, die genutzten Materia und anderes mitunter auch darauf auswirkt, wie schnell sich ATB- und Limit-Leiste im Kampf aufladen, bietet das System nun noch viel mehr Raum zum Experimentieren beziehungsweise zur Freischaltung von Vorteilen, die besser zu eurem Spielstil passen.
Die erhöhte Komplexität des Systems könnte langfristig aber womöglich auch dem ein oder anderen Spieler über den Kopf wachsen. Eine akute Gefahr dafür sehen wir zwar noch nicht. Allerdings konnten wir «Final Fantasy VII Rebirth» auf dem Event eben auch nur gut drei Stunden spielen, wovon allein etwas mehr als eine Stunde für das eher im Eilverfahren gespielte Prologkapitel draufgingen. Gänzlich ausschliessen können wir aber nicht, dass das komplexere System später zu Problem in der Spielbalance führen könnte, wenigstens in Bezug auf jene unter euch, die sich stärker auf die Main Quest konzentrieren möchten.
Auch nach dem ausführlichen Hands-on zu «Final Fantasy VII Rebirth» bleiben noch ein paar Fragen offen. Ganz besonders, was das deutlich komplexere Charakter- und Fortschrittssystem und mögliche Auswirkungen auf die Spielbalance betrifft. Abseits dessen nehmen wir aber fast ausnahmslos positive Eindrücke aus London mit. Das Kampfsystem ist vielfältiger, bringt mehr Action und taktische Tiefe. Die visuelle Darbietung ist noch mal deutlich besser als im Vorgänger. Und die offenen Areale machen mit den gewachsenen spielerischen Freiheiten und dem breit gefächerten Angebot an Nebenmissionen und Aktivitäten definitiv Lust auf mehr.
Kurzum: «Final Fantasy VII Rebirth» müsste im weiteren Verlauf schon gravierende Schwächen zeigen, um den Vorgänger nicht deutlich zu übertreffen. Gänzlich auszuschliessen sind die nicht, wir sind aber sehr zuversichtlich, dass «Rebirth» selbst den höchsten Erwartungen gerecht werden kann.