Der E-Auto-Boom hat sich abgekühlt. Grosse Hersteller wie Tesla und VW müssen froh sein, wenn sie 2024 die E-Auto-Verkäufe vom Vorjahr halten können – bis zur Jahreshälfte lagen sie dahinter.
Ein Teil des Problems: E-Auto-Enthusiastinnen und -Enthusiasten fahren inzwischen elektrisch, nun muss der Durchschnittskonsument überzeugt werden. Doch die zögern. Nicht weil sie a priori gegen das Elektroauto sind, aber anders als die Early Adopter wollen sie keine Kompromisse eingehen: weder beim Preis noch bei der Lademöglichkeit.
Ist ein Elektroauto wie derzeit durchschnittlich 20 Prozent teurer als ein vergleichbares Benzin-Auto, gewinnt bei ihnen der Verbrenner. Kann das Auto zu Hause nicht geladen werden, was bei Mieterinnen und Stockwerkeigentümern sehr häufig der Fall ist, fällt das E-Auto meist aus der Kaufentscheidung.
Ein anderes Problem: Der E-Auto-Absatz ist stark durch Firmenwagen und Leasing getrieben. Reagieren die Autohersteller auf die gedämpfte Nachfrage mit höheren Rabatten, befürchten Firmenkunden einen überproportionalen Wertverlust ihrer E-Auto-Flotte (sinkende Restwerte), wenn am Ende der Laufzeit die Fahrzeuge weiterverkauft werden. In dieser Situation zögern sie den Technologiewechsel hinaus – trotz firmeninterner CO2-Reduktionsvorgaben.
Autobauer schalten folglich bei der Antriebswende einen Gang zurück: Tesla legt neue E-Auto-Werke auf Eis. Mercedes schiebt das für 2030 geplante Verbrenner-Aus auf die lange Bank und Volkswagen musste zuletzt einsehen, dass man länger als gedacht parallel Verbrenner- und E-Autos bauen muss, da die Kunden mehr Hybrid-Autos als Vollstromer nachfragen. Nicht nur E-Auto-Start-up-Firmen wie Rivian oder Polestar schreiben tiefrote Zahlen, Giganten wie Ford verlieren mit E-Autos ebenfalls Milliarden.
Rezessionsängste, gestiegene Strompreise und hohe Anschaffungskosten sind genauso Gründe für die Kaufzurückhaltung wie die Mythen um E-Autos, die sich hartnäckig in vielen Köpfen halten. Wenn 2024 noch immer breite Bevölkerungskreise glauben, E-Autos wären schlechter für den Planeten als Benzin-Autos, haben auch die Medien versagt.
Fehlgeleitete oder wie in Deutschland abrupt ausgesetzte staatliche Förderung der E-Mobilität sowie die mögliche Rückkehr Donald Trumps als US-Präsident drohen die Elektrowende zu verzögern. In Europa wollen rechtskonservative Politiker das für 2035 beschlossene Aus für klimaschädliche Neuwagen in der EU bereits wieder kippen. Und konservative Medien schreiben wie emsige Bienen das Comeback des Verbrennungsmotors herbei.
Ist der Vormarsch der E-Autos also bereits vorbei? Darauf sollte niemand wetten.
Die derzeitige Absatzflaute ist alles andere als ein Todesröcheln, sondern eher eine kurze Verschnaufpause, bevor die Elektromobilität endgültig durchstartet. Dafür gibt es gute Argumente:
Aktuell gibt es in Europa bereits gut 140 unterschiedliche E-Auto-Modelle. Das Gros der Kunden steigt aber erst um, sobald E-Autos beim Autohändler nicht mehr teurer als gleichwertige Benzin-Modelle sind. Das ist in wenigen Jahren der Fall, da die Preisdifferenz laufend schrumpft – sinkende Akkukosten und effizientere Produktionsverfahren sei Dank.
Renault beispielsweise will die Preisparität zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bis 2027/2028 erreichen und die Preise von E-Autos mittelfristig um 40 Prozent reduzieren. In China sind E-Autos im Durchschnitt bereits günstiger als Verbrenner, entsprechend gross ist die Nachfrage. Laut einer aktuellen Konsumentenbefragung wollen 97 Prozent der Chinesen auf E-Autos umsteigen, in Europa sind es 43 Prozent, in den USA 35 Prozent.
Insbesondere der Wechsel von Nickel-Mangan-Cobalt-Akkus (NMC) zu günstigeren und langlebigeren Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP) drückt die Kosten und ermöglicht selbst bei uns gute E-Autos mit ausreichend Reichweite für rund 25'000 Franken, die noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Noch günstigere E-Autos für rund 20'000 Franken werden wir von den grossen europäischen Herstellern ab 2026/2027 sehen.
Im mittleren und oberen Preissegment ermöglicht der technische Fortschritt bereits heute grössere Reichweiten und kürzere Ladezeiten, was Elektroautos auch für lange Fahrten konkurrenzfähig macht.
Die nächste Verschärfung der EU bei den CO₂-Flottengrenzwerten führt dazu, dass Autohersteller ihren E-Auto-Anteil 2025 erneut steigern müssen, um happige Strafzahlungen zu verhindern. Folglich werden sie Kaufanreize für Verbrenner kürzen und E-Autos mit Rabatten in den Markt drücken, um die strengeren CO2-Vorgaben einhalten zu können.
Da der E-Auto-Boom erst vor wenigen Jahren begann, nimmt der Occasionsmarkt erst jetzt mit einigen Jahren Verzögerung Fahrt auf, was die E-Mobilität weiteren Kundengruppen erschliesst.
Niemand kauft ein gebrauchtes E-Auto? Auch darauf sollte man nicht wetten. Sobald mehr Elektro-Gebrauchtwagen auf den Strassen rollen, wird sich herumsprechen, dass E-Auto-Akkus viel länger als Handy-Akkus halten – im Schnitt über 300'000 Kilometer.
In der EU werden derzeit rund 150'000 Ladesäulen pro Jahr neu installiert. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell das Elektroauto den Verbrenner ablöst. Norwegen als Pionier hat die Elektrowende bereits vollzogen: Rund 84 Prozent der im ersten Halbjahr 2024 neu zugelassenen Personenwagen sind E-Autos. Nebst umfassenden staatlichen Anreizen, insbesondere Steuererleichterungen beim Kauf, ist das bis in die hinterste Ecke ausgebaute öffentliche Ladenetz der Schlüssel für die erfolgreiche Antriebswende.
In Norwegen startete das E-Auto ab zirka 2011 verhalten, 2016 gingen die Verkäufe gar zurück, aber danach schoss ihr Anteil innert sieben Jahren von knapp 20 auf über 80 Prozent hoch. Im Juli 2024 waren 92 Prozent der gekauften Neuwagen elektrisch.
Zum Vergleich: In der Schweiz liegt der E-Auto-Anteil aktuell bei knapp 18 Prozent. Europa (13 %) und die USA (8 %) hinken Norwegen fast zehn Jahre hinterher.
Norwegen zeigt auch: Eine Absatzdelle im Hochlaufen einer neuen Technologie ist nichts Ungewöhnliches. Transformationen verlaufen selten linear. Niemand sollte sich wundern, wenn der E-Auto-Anteil in vielen anderen westlichen Ländern in zehn Jahren ebenfalls die 80-Prozent-Marke knackt. Dafür muss aber mehr in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur investiert und der undurchsichtigen Preispolitik an den Ladesäulen ein Ende gesetzt werden. Gleichzeitig sollten Mieterinnen und Stockwerkeigentümer einen gesetzlichen Anspruch erhalten, eine private Ladestation installieren zu dürfen.
Mit Wasserstoff betankte Brennstoffzellen-Autos oder mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betriebene Verbrenner werden allem Anschein nach in den nächsten Jahren keine bedeutende Rolle spielen. Allein schon, weil es auf absehbare Zeit nicht genug grünen und bezahlbaren Wasserstoff oder E-Fuel für den breiten Einsatz in Personenwagen gibt.
In der Wirtschaft sind daher die Investitionsentscheidungen in Ladeinfrastruktur, Akkuentwicklung und E-Auto-Fertigung gefallen. Benziner haben in China, Europa, Nordamerika und vielen weiteren Ländern langfristig keine Zukunft. Die E-Mobilität ist die effizientere und mittelfristig günstigere Technologie.
Kurz gesagt: Das E-Auto setzt sich nicht nur aus ökologischen, sondern auch finanziellen Gründen durch.
Und sollte ich mal eine längere Strecke fahren, so plane ich einfach 2 Tage im Vorher, dass das Auto vollgeladen ist an jenem Tag.
Vielen ist gar nicht bewusst, wie einfach die Handhabung überhaupt ist und suchen daher Ausreden.