Du hast vielleicht eine Flasche Portwein gekauft, weil ein Rezept danach verlangte. Und nun hast du eine angefangene, fast volle Flasche Port und weisst nicht, was damit anfangen.
Denn: Die meisten von uns mögen Port. Ganz gerne, sogar. Aber ausser der vagen Idee, dass man diesen nach einem Essen oder gegebenenfalls zum Käse-Gang trinkt, wissen die wenigsten von uns wirklich, was damit anfangen. Und überhaupt: Was hat es eigentlich mit jenem Portwein auf sich, der nun während den bevorstehenden Festtagen urplötzlich wieder zum Thema wird?
Okay, erstmal von vorne:
Port, vinho do Porto auf gut Portugiesisch, gehört zur Gattung der fortified wines, auch Likörweine genannt. Dabei wird im Vergleich zur normalen Weinherstellung der Gärprozess unterbrochen, indem Alkohol dazugegeben wird. Man spricht hier von Aufspritung. Das resultiert in einem Alkoholanteil von 15–22 %. Je nach Art haben diese Weine einen höheren oder niedrigeren Restzuckergehalt. Bei Port oder Marsala etwa erfolgt die Aufspritung mit reinem Alkohol, bei Sherry, der ebenfalls zur Gattung gehört, wird Branntwein hinzugefügt. Bei anderen Kreationen kommen noch Kräuter und andere Zusätze dazu (Stichworte Vermouth, Amaro etc.).
Portwein stammt aus der Region Alto Douro im portugiesischen Douro-Tal. Namensgebend ist aber die portugiesische Hafenstadt Porto, weil er dort zur Reifung und zum internationalen Vertrieb gelagert wurde und wird. Der Name ‹Portwein› ist gemäss internationalen Handelsabkommen in vielen Ländern geschützt. Nur ein Wein, der die Kriterien des Instituto do Vinho do Porto – IDVP erfüllt, bekommt das offizielle Siegel und darf sich entsprechend der geschützten Herkunftsbezeichnung innerhalb der Europäischen Union ‹Portwein› nennen.
Gefühlt gehört Portwein doch irgendwie zu britischer Kultur, nicht? Portwein zu Stilton, etwa. Bilder von befrackten Gentlemen, die nach einem formellen dinner sich eine Flasche Port gönnen und dergleichen. Diese Assoziation ist in der Tat korrekt, und die Gründe reichen bis weit ins Mittelalter zurück:
Ursprünglich waren Anbau, Kellerei und Handel von Portwein streng getrennt. Während der Anbau im Douro-Gebiet im Landesinnern fest in portugiesischer Hand war, wurde der Export in der Hafenstadt Porto von Ausländern aus den Absatzgebieten übernommen. Dies spiegelt sich in den Namen vieler traditionsreicher Portweinhäuser wider: Graham’s, Forrester, Warre’s, Taylor & Fladgate, Croft, etwa, aus Grossbritannien, aber auch Deutschland oder den Niederlanden: Kopke, Niepoort etc.
Bereits 1373 unterzeichneten die Portugiesen mit den Engländern ein Handelsabkommen, das sie berechtigte, für die Lieferungen von Vinho de Lamego – Vorgänger des Portweins – Kabeljau vor der britischen Küste zu fischen. Die erste schriftliche Erwähnung des Begriffs ‹Porto› für Weine aus dem Dourotal findet sich 1678 in englischen Zolldokumenten. Damals wie heute herrschte in Grossbritannien eine grosse Nachfrage nach Wein, doch aufgrund der schlechten Beziehungen zu Frankreich suchten englische Händler Ende des 17. Jahrhunderts in Spanien und Portugal nach exportfähigem Wein. Diese eigneten sich aber aufgrund Qualität und hygienischen Bedingungen schlecht für den Seetransport. In einem Kloster sollen englische Kaufleute darauf den sogenannten Priest-Port entdeckt haben. Der Unterschied zu gängigem Wein bestand hier darin, dass während der Gärung Neutralalkohol hinzugefügt wurde, wodurch der Gärprozess gestoppt wurde – und die Haltbarkeit für den Transport gesichert war.
Nach dem Methuenvertrag zwischen Portugal und England in 1703 folgte ein derartiger Exportaufschwung, dass ein Qualitätseinbruch erfolgte, weshalb der Premierminister Marquês de Pombal 1756 eine Gesellschaft zur Garantie von Qualitätskriterien initiierte, eine der ersten Formen der regionalen Qualitätssiegel, wie wir sie heute in ganz Europa kennen. Die Satzung sah unter anderem vor, dass ein Kataster der Douro-Ufer angelegt wird. Die Klassifizierung der Weinberge erfolgte in sechs Klassen auf der Grundlage eines Punktesystems mit den Faktoren Klima, Boden, Hangneigung, Meereshöhe, Ertragsmenge sowie Alter der Rebstöcke. Die Rebsorten wurden ebenfalls in drei Kategorien aufgeteilt.
Womit wir bei den Portwein-Varianten wären.
Man unterscheidet zwei Stilrichtungen nach Alter – Ruby und Tawny – sowie zwei weitere nach Rebsorten: White und Rosé Port.
Ruby: Diese Portweine werden zwei bis drei Jahre in einem grossen Tank gelagert und dann zwecks Erhalt ihrer kräftigen, fruchtigen Aromen direkt in Flaschen abgefüllt. Die weitere Reifung variiert und ergibt die verschiedenen Qualitäts-Bezeichnungen Ruby, Reserve Ruby, Crusted Port, LBV (Late Bottled Vintage) und Vintage. Nur herausragende Weinlese-Jahrgänge werden zu Vintage erklärt. Nach frühestens zehn Jahren ist ein Vintage trinkreif, ein grosser Jahrgang erreicht seine vollständige Reife oftmals erst nach einem halben Jahrhundert.
Tawny: Dieser Portwein lagert wie Ruby-Ports ebenfalls zwei bis drei Jahre in einem grossen Tank, wird aber dann in sogenannte pipes (kleinere Holzfässer) umgefüllt. Dort haben die Tawnies mehr Kontakt zur Luft, oxidieren mehr, altern schneller und bekommen so einen Geschmack, der an trockene Früchte erinnert (Nüsse, Mandeln usw.). Ein Tawny Port ohne Altersangabe ist ein Blend von Portwein, der mindestens zwei Jahre in Pipen gereift ist. Danach geht es mit der Lagerungszeit aufwärts mit Old Tawny (10, 20 oder 30 Jahre alt) und Very Old Tawny (40 Jahre). Ferner gibt es noch Colheita, quasi ein Jahrgangs-Port, der nach sieben Jahren Fasslagerung abgefüllt wird und den Jahrgang der Ernte trägt.
White Port: Wie der Name erahnen lässt, wird dieser Port aus weissen Trauben hergestellt. Der Wein lagert circa drei Jahre, bevor er dann verschnitten und abgefüllt wird. Ausschliesslich beim Port unterscheidet man zwischen den Süssegraden: Muito Doce/Very Sweet, Doce/Sweet, Meio Seco/Semi dry, Seco/Dry und Extra seco/Extra Dry.
Rosé Port: Ein Neuzuzüger – im Jahr 2008 nahm die Marke Croft einen Rosé-Port ins Sortiment. Hergestellt wird dieser bis zur Aufspritung analog wie ein Roséwein. Inzwischen sind weitere Hersteller gefolgt und diese Variante wird vom Instituto dos Vinhos do Douro e Porto – IVDP als offizielle Sorte geführt. Geschmacklich liegt Rosé zwischen White und Ruby; meist ist er leicht und fruchtig.
Und nun die alles entscheidende Frage:
Anno dazumal – sagen wir mal, so um 1930 oder so – zogen sich nach einem formellen Dinner die Damen und Herren in separaten Gruppen zurück, um im kleineren, etwas lockereren Kreise sich ein wenig zu unterhalten. Die Damenrunde im parlour gönnte sich etwas süssen Sherry, während die Herren in der library Zigarren rauchten und Portwein tranken. Das war einmal. Dennoch ist dieses Bild derart prägend, dass bis heute viele Menschen Portwein mit Dinner-Jackets, Ledersessel und dergleichen in Verbindung bringen.
Nun, ganz falsch ist dies nicht. Tawny Ports werden nach wie vor traditionell als Digestifs nach dem Essen serviert.
Zum Käsegang – ganz klassisch mit einem guten Silton, etwa – geht ein Ruby Port. Heute werden diese aber auch zu süssen Desserts serviert.
Auch mit Ruby Port wird der aus Irland stammende Hot Port zubereitet. Ein Verwandter des Glühweines, nimmt man dazu Ruby Port, heisses Wasser, Zimt, Nelken und Zucker.
White Port hingegen wird normalerweise vor dem Essen als Aperitif gekühlt serviert, weshalb man diesen idealerweise im Kühlschrank aufbewahrt. Immer mehr wird White Port mit Tonic Water im Verhältnis 1:1 als Longdrink getrunken. Dies mag dem einen oder anderen Port-Puristen nicht in den Kram passen, doch guckt mal:
W. & J. Graham's ist nur eines der altehrwürdigen Häuser, die dem Port eine gehörige Image-Kur verpassen wollen. Ja, gewiss werden weiterhin nach einem feinen Essen geschmeidige Tawny Ports getrunken, doch immer mehr werden leichtfüssigere Blends von White, Rosé oder Ruby Port spezifisch mit Sicht auf die Mixology angeboten. Wohl haben die Portugiesen neidisch nach Veneto geguckt und sich gedacht, dass es nicht sein kann, dass jenes klebrig-süsse Apérol das Monopol auf alle Spritzers haben darf. In der Tat kann man mit einem feinen weissen Port alle jene Hugos, Lillet Vives und wie alle jene Sommer-Spritzers so heissen, neu interpretieren.
Noch ist aber Winter und die Festtage stehen bevor. Hier fährt ein wenig Tradition durchaus angenehm rein. Besorgt euch ein paar Flaschen guten Portwein.
Thank me later.
Merry Christmas!