Sag das doch deinen Freunden!
Verbote brauchen einen guten Grund. Besonders dann, wenn bisher Selbstverständliches nicht mehr erlaubt sein soll. Wenn es ums traditionelle Kirchengeläut geht, plädieren denn auch viele dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. Haben sie Recht?
Nein. Das nächtliche Gebimmel – sei es der Stundenschlag oder das Frühgeläut morgens um sechs Uhr – ist eine Zumutung für lärmgeplagte Anwohner. Sie wird nicht dadurch kleiner, dass sie sozusagen schon immer da war.
Was dem einen vertraut-trauliches Traditionsgut sein mag, ist für den anderen der reinste akustische Terror. Etwas Objektivität in den Widerstreit der Befindlichkeiten bringt da die Wissenschaft: Schon Immissionen von 40 dB (A) führen laut einer Studie der ETH zu Schlafstörungen.
Dass ein Gericht das Recht von Anwohnern auf ungestörte Nachtruhe höher wertet als das Recht der Kirche, ihre Glocken auch mitten in der Nacht bimmeln zu lassen, ist daher folgerichtig. Hoffentlich ist das Urteil auch wegweisend.
Aber wo bleibt das christliche Abendland, wenn wir das Kirchengeläut in der Nacht abstellen, fragen besorgte Bürger. Wo bleibt das Recht auf Religionsfreiheit – das auch das Recht umfasst, seine Religion allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen?
Nun, das Abendland mag an vielen Orten verteidigt werden, aber bestimmt nicht im Glockenstuhl. Das herausragendste Merkmal dieses Abendlandes ist doch gerade, dass es säkular ist – und diese Säkularität musste dem Christentum Stück für Stück abgerungen werden.
Und was die Freiheit der Religion betrifft: Sogar die Evangelisch-reformierte Landeskirche räumt ein, dass Glockenschläge als Zeitangabe keine kirchliche Notwendigkeit darstellten. Wenn aber das Glockengeläut uneingeschränkt Teil der Religionsfreiheit sein soll, dann muss das auch für den Muezzin gelten, der die Gläubigen traditionellerweise bereits um fünf Uhr morgens zum ersten Mal zum Gebet ruft. Was es dazu zu sagen gibt, hat der deutsche Schriftsteller Peter Hacks schon gesagt:
Das Recht auf Religionsfreiheit ist auch das Recht auf Freiheit von der Religion. Niemand verlangt, dass die Kirchenglocken künftig auch am Tag schweigen sollen. Aber in der Nacht sollen sie uns nicht mehr behelligen.