Für Parteien macht es sich gut, eine Auswahl bieten zu können. Schliesslich sind sie ein Fundament der Demokratie, die Mittler zwischen Volk und Politik. Auch die CVP und die FDP würden gerne eine Auswahl an Kandidaten haben, wenn sie ihre neuen Parteichefs wählen. Eigentlich. Denn damit wird es nun wohl nichts.
Bei der CVP ist seit gestern klar: Der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister ist der einzige Kandidat für die Nachfolge des abtretenden Parteichefs Christophe Darbellay. Hoffnungsträger wie Pirmin Bischof oder Martin Candinas verzichten aus unterschiedlichen Gründen. Bei der FDP wird die Schwyzer Nationalrätin Petra Gössi derweil wohl ohne Gegenkandidaten zur Nachfolgerin von Philipp Müller gewählt. Weitere Bewerber sind nicht in Sicht, zuletzt hat Christian Wasserfallen abgesagt.
Beide Präsidenten in spe, Gössi und Pfister, politisieren regelmässig am rechten Rand der Partei. Und beide wirken so, als wären sie der Reserve ihrer Partei entsprungen. Vielleicht ist die zähe Kandidatensuche sinnbildlich dafür, wie unbeliebt das Amt eines Parteichefs geworden ist.
Vertreter anderer Parteien kritisierten das Vorgehen der SVP. Für CVP-Chef Darbellay etwa ist es «nicht demokratisch», dass die Anhängerschaft vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Allerdings schafft es die SVP, ein Bild der Geschlossenheit zu vermitteln. Die Kandidatenkür war lange eine interne Angelegenheit.
Für den Politikberater Anton Schaller ist klar: Nur der SVP gelingt es, eine zukunftsorientierte Personalpolitik zu betrieben. «Die Parteiführung befasst sich frühzeitig mit offenen Personalien», sagt der ehemalige LDU-Nationalrat und «Tagesschau»-Chef. «Potenzielle Nachfolger werden sorgfältig aufgebaut. Davon erfährt die Öffentlichkeit vorerst nichts.» Die SVP wird seit Jahrzehnten straff geführt, die Fäden zieht ein Machtzirkel um Chefstratege Christoph Blocher.
Dabei ist die SVP in den Augen Schallers stets auch auf die Aussenwirkung und den Parteifrieden bedacht. Ist ein Spitzenposten zu besetzen, könne eine Partei vieles falsch machen. Anwärter bringen sich ins Spiel oder rennen weg, die Medien spekulieren, die Sachpolitik wird schnell einmal zweitrangig.
Das beobachtet auch Doris Aebi. Die bekannte Headhunterin und frühere Solothurner SP-Kantonsrätin will sich nicht zum Auswahlverfahren einzelner Parteien äussern. Sie ist jedoch überzeugt, dass die Kandidatensuche für ein Parteipräsidium so lange wie möglich ein interner Prozess bleiben sollte. Dieser erfordere ein klares Anforderungsprofil und beginne schon bei der Zusammensetzung einer Findungskommission, sagt Aebi. «Wird der Prozess parteiintern gut aufgegleist, ist das Resultat am Ende das bessere.» Ansonsten drohe die Gefahr, dass die Kandidaten verheizt werden.
Gleichzeitig kann man eine Partei laut Aebi nur bedingt mit der Wirtschaft vergleichen. So würde es kaum Sinn machen, einen Headhunter einzusetzen. Schliesslich kämen externe Kandidaten ja nicht infrage. Und letztlich, sagt Aebi, sei eine Partei eben eine demokratische Organisation: Ist die Kandidatensuche aufgegleist, müsse die Parteibasis zu Wort kommen.
Dass sich Politiker nicht um das Parteipräsidium reissen, ist nicht neu. Bei der FDP etwa sass bereits Philipp Müller bei seiner Wahl allein auf dem Kandidatenkarussell. Der Präsidentenjob ist Knochenarbeit, wie Politiker gern betonen. Wochen mit 80 Arbeitsstunden sind nicht selten, kein Parteichef soll dafür aber mehr als 70'000 Franken kassieren. Für Beruf und Familie bleibt nur wenig Zeit. Es ist kaum ein Zufall, dass sowohl Petra Gössi als auch Gerhard Pfister kinderlos sind und finanziell als unabhängig gelten.
Der langjährige FDP-Präsident Franz Steinegger spricht von einem «Verschleissjob». Eine Partei müsse froh sein, wenn sie überhaupt jemanden fürs Präsidium finde. «Es ist schwierig, alle Erwartungen und die eigenen Ansprüche auszufüllen.»
Ständige Erreichbarkeit wird erwartet, ein Parteichef muss sich zu jedem Dossier äussern können. Dies scheint umso wichtiger im Medienzeitalter. Parteiämter seien in den vergangenen Jahren aufgewertet worden, sagt der Lausanner Parteienforscher Andreas Ladner. «Im Vergleich zu früher werden nationale Themen stärker beachtet.» Lange hätten sich Politiker kein starkes Präsidium gewünscht.
Die Parteipräsidenten haben an Einfluss gewonnen. Mit ihren Kollegen in den Nachbarländern lassen sie sich trotzdem nur bedingt vergleichen. Die Parteichefs bestimmen hier den Kurs einer Partei, sie sind natürliche Anwärter für das Kanzleramt oder den Präsidentenpalast. Und sie versuchen meist frühzeitig, potenzielle Nachfolger gegeneinander in Stellung zu bringen.