Mäc oder Mäci haben wir ihn liebevoll genannt. Dachten wir an ihn, lief uns das Wasser im Munde zusammen. Sind wir durch seine Türe geschritten, fühlten wir uns endlos cool. Der Pommesduft erhob uns in einen kindlich-naiven Fastfood-Himmel. Die McDonald’s-Filialen galten so viel und standen für noch viel mehr. Für Kindergeburtstagspartys, die man deswegen so aufregend fand, weil die eigenen Eltern sich strikt weigerten, für das Rumhängen mit der Clique und das endlich Zu-erwachsenSein für «Happy Meals», für Dates vor dem Milchshake, für die erste Fahrt zu McDrive mit dem gerade erlangten Fahrausweis.
Jahrzehntelang war McDonald’s eine
schöne Traumwelt. Goldgelbe Fritten,
Ronald der Clown, das süsse McFlurry.
Und vor allem war Mc Donald’s immer
da. Überall. Nachts tauchte mitten in
der Pampa plötzlich das damals noch
gelb-rote grosse M auf. Puhh. Nachts,
betrunken, hungrig, in einer fremden
Stadt, leuchtete verlässlich immer in
Reichweite das Logo vor der Nase.
Puhh. Schauspieler und Schönling
James Franco schrieb sogar nostalgisch:
«McDonald’s war für mich da, als
es niemand sonst war.»
Das war einmal. Nun schliesst sogar eine dreistöckige Filiale im Zürcher Niederdorf. Ein Hotspot voller Touristen, Schüler und Partygänger. Der Umsatz stimmt nicht mehr. McDonald’s-Sprecherin Aglaë Strachwitz gibt gegenüber «20 Minuten» an, dass die Frequenzen nicht mehr so hoch waren. Andernorts gebe es mehr Kunden.
Nicht nur im Niederdorf hat die bekannteste Fastfood-Kette der Welt ein Problem. Dabei war Mc Donald’s doch seit der Gründung 1948 eine amerikanische Erfolgsgeschichte – seit 1976, als das erste Restaurant in Genf eröffnete, auch eine schweizerische. Doch 40 Jahre später kriselt es. Es scheint für McDonald’s immer schwieriger zu werden, in Städten wie Zürich, in Ländern wie der Schweiz zu bestehen.
Der Druck auf die rund 160 Schweizer Filialen ist gross. Die Gäste bleiben öfter aus. Kamen 2013 noch 106 Millionen Schweizer, um Burger und Pommes zu vertilgen, waren es 2015 bereits 6 Millionen weniger. Auch der Umsatz brach von 2014 auf 2015 um rund 33 Millionen Franken ein. Ausserdem sind die Arbeitsbedingungen ständig in der Kritik. Genau wie das fettige Essen, das Gesundheitsbehörden und Ernährungspädagogen den Angstschweiss ins Gesicht treibt.
2009 verpasste sich der Fastfood-Riese einen Öko-Anstrich. McDonald’s setzte neu auf grün statt auf rot. Umweltbewusster, gesünder, regionaler. Salat und Rüeblisticks. Kalorien und Fettangaben auf jedem Produkt. Der Konzern musste es versuchen, um mithalten zu können, schliesslich lauerte der Feind «bewusste Ernährung» an jeder Ecke. Längst wurden wir belehrt, dass Fressorgien in der Nacht ungesund sind, dass Fastfood verteufelt werden muss. Wer eine McDonald’s-Kartonbox in den Händen hielt, wurde plötzlich missgünstig be- äugt. Das neue Motto: Burger ja, McDondald’s nein.
Essen ist zur Ersatzreligion geworden, gesund und saisonal die oberste Prämisse bei allem, was wir uns in den Mund schieben. Befeuert durch diesen Gesundheits-Hype poppen fast täglich hippe Burgerladen auf. Sie füllen die Städte wie das cremig-süsse Sundae-Glace die Plastik-Becher. Schütten Soja in den Milchshake und stecken Angus Beef ins Brötchen. Verbannt werden die einfachen, weich-gummigen Cheeseburger für Fr. 2.50. Aufgetischt werden Bio-Teile auf rustikalen Holzbrettern, für die Kunden schon mal 48 Franken hinblättern.
Während McDonald’s und Burger
King als ungesund abgestempelt werden
und als Konzerne dahinsiechen, ist
gesundes Fastfood so populär wie nie
zuvor: Der Burger feiert seine Renaissance
– als gesunder Snack. Das salzigdeftige
Gericht kommt neu als Slowfood
daher. Im Angebot: Trendy Gourmet-Burger
und eine Vielzahl an Vegi-Burgern,
ganz im Gegensatz zu Ronald
und seinem Konkurrenten, die seit
Jahrzehnten nur eine vegetarische Burger-Alternative
anbieten. Auch was
«Burger-Hippness» betrifft, versucht
McDonald’s mit Pulled Pork und Quinoa
Curry mitzuziehen.
Vor ein paar Tagen gab McDonald’s
Schweiz bekannt, dass sie auf ihren
Claim «100 Prozent Schweizer Rindfleisch»
pfeifen. Zumindest vorübergehend.
Weil es in der Schweiz immer
weniger Milchkühe gibt und diese sich
insbesondere in den Sommermonaten
auf der Alp befinden, ist Kuhfleisch
derzeit knapp und teuer. Deshalb importiert
McDonald’s während zweier
Monate Fleisch aus Österreich.
Wenn es nun mit dem Traditionsunternehmen abwärts geht, wird dies für viele mit etwas heimlicher Wehmut verbunden sein. Dass wir heute doch ein wenig sehnsüchtig auf das leuchtende Zeichen an der Raststätte schielen, dass wir im Tram, wenn aus einem Papiersack der altbekannte Pommes-Duft entströmt, an unser McParadies denken, geben wir natürlich nicht gerne zu. Genau wie der ein oder andere Partygänger verheimlicht, dass er spätnachts in seinen gelb-roten Kindheitstraum schleicht.