Australien ist super, ich möchte mich ja eigentlich gar nicht beschweren. Aber ich mach’s trotzdem. Schliesslich werde ich dafür bezahlt. Nach nun fast vier Monaten auf der anderen Erdhalbkugel, wo die Klospülung angeblich in die umgekehrte Drehrichtung abfliesst, beginnen mir schon langsam gewisse Dinge zu fehlen. Zum Beispiel ...
Betreffend Milchprodukte bin ich überhaupt kein Connaisseur und schon gar nicht heikel. Aber das, was die hier Käse nennen, fass ich nicht einmal mit einer extralangen Fonduegabel an. Sobald ich mitte Sommer zurück in der Schweiz bin, ist es mir Wurscht, dass nicht Fonduesaison ist. Während andere mit ihrem stinkenden Alu-Einweggrill Brandlöcher in die Rentenwiese stanzen, sitze ich strahlend mit dem Caquelon daneben und rühre fleissig Achten.
Wenn ich diesen Satz zu hause noch einmal hören sollte, gibt’s eins mit dem Didgeridoo auf den Schnabel. Der Bus kommt hier nur, wenn er Lust dazu hat. Die Fahrt wird oft zum «Fast-and-Furious»-Erlebniskino mit herzhaftem Wechsel zwischen Bleifuss und Vollbremsung. Und das alles auf der falschen Strassenseite. Hier bestünde niemand den WAB2-Kurs.
Ich muss zwar jedes Mal Nein sagen, obwohl ich seit Jahren in der gleichen Migros-Filiale einkaufe, aber ich schätze es dennoch sehr, dass man mich fragt.
Ich brauche morgens meine Ruhe. Und so sehr ich die Offenheit und Gesprächsbereitschaft der hiesigen Leute schätze – ich will ein paar ungestörte Minuten mit meinen Kopfhörern! Schlimm genug, dass der Schulweg hier nur ein paar hundert Meter ist – das ist nicht einmal ein ganzer Song! Dann bleib ich vor dem Gebäude sitzen bis er fertig gespielt ist.
Auch hier wird Abfall getrennt. Jedoch wird alles Recycling in dieselbe Tonne geschmissen. Dabei ist es doch so lustig, Glas zu trennen und ...
Hinzu kommt dann noch das Bündeln von Papier und Karton. Nur, um es dann in den Keller zu stellen und regelmässig den Abholtag zu verpassen. Und das Aufregendste zum Schluss: Das vergammelte Kompostkübelchen leeren.
Ich meine nicht die Abstimmungen, Debatten und Elefantenrunden. Ich meine nicht das Hauptprogramm, sondern das unterhaltsame Bonusmaterial. Nacktselfies, Sexskandale, Plagiatsaffären und kleine Twitter-Geplänkel von unbekannteren C-Promi-Nationalräten. Alles was «Bundesbern – Tag und Nacht» so aufregend macht.
Ungesund aber geil.
Klar, hier regnet es ab und zu. Aber meist ist es schön. Manchmal möchte ich auch einfach ohne schlechtes Gewissen zuhause bleiben, eine Serie schauen oder Videospiele spielen. Wenn die Sonne scheint, kommt der Drang, was unternehmen zu müssen. Zoo, Surfen, Bootstouren, etc. Zuhause herrscht hierfür eine gute Balance. Hier würden sich sowohl Portemonnaie als auch innerer Faulenzer mal über schlechtes Wetter-Budget-Programm freuen.
Nach «Blick am Abend» ist «20 Minuten» ja mein liebstes Kreuzworträtselmagazin. Und auch die «Nachrichten» haben durchaus ihren Wert: So kann ich mich morgens auf dem Weg zur Uni inspirieren lassen, welche Geschehnisse ich später in richtigen Zeitungen nachschauen gehe.
Vermissen ist vielleicht etwas übertrieben. Aber es ist schon von Vorteil, wenn man nicht bei jedem Insektenstich googeln muss, wie lange man noch zu leben hat oder ob einem bald der Arm abfällt. Ah und Spinnen, die nicht so gross und flink sind wie das Händchen der Adams Family, find ich ab sofort auch voll in Ordnung.
In Australien leben so viele Nationen und Kulturen durchmischt – und keiner macht dumme Sprüche ... langweilig! Nach sieben Jahren mit unversteckbarem Baslerdialekt im Zürcher Exil (nein, nicht dem Club) gehören für mich gewisse Kommentare mittlerweile dazu:
Lustig gemeinte Sticheleien und seltene, ernstgemeinte Drohungen – was mach ich in Australien bloss ohne euch?!