Schon als Kind war ich immer begeistert vom Zeitreisen. Die Zeitmaschine «Doctor Who» und natürlich «Zurück in die Zukunft». Bis vor kurzem hingen Doc Brown und Marty McFly noch als Poster an meiner Wand. Vor allem der zweite Teil der Reihe hatte es mir angetan.
Denn vielmehr als die Vergangenheit, interessierte mich die Zukunft.
Ich wollte schon als kleiner Junge eine Zeitmaschine bauen, um herauszufinden was vor uns liegt. Ich wollte sehen, was aus uns wird. Ich wollte die grossen Fragen beantworten.
Ich habe mir damals vorgenommen, zu meinem jungen Ich zurückzureisen und mir Bescheid zu sagen, sobald ich das Zeitreisen gemeistert haben sollte. Statt auf den Weihnachtsmann, habe ich immer auf mich selbst gewartet – auf ein altes Selbst. Leider habe ich mich nie besucht und werde deshalb wohl auch in der Zukunft nie eine Zeitmaschine entwickeln.
Ich musste zu der ernüchternden Einsicht kommen, dass ich nie in die Zukunft reisen werde. Zumindest nie richtig. Einen kleinen Trost habe ich aber nun durch das Austauschsemester erfahren. Denn momentan lebe ich in der Zukunft!
Also leider nur von den Zeitzonen her. Ich bin der Schweiz sechs Stunden voraus. Und diese Zeitverschiebung hat auf Dauer seine Tücken.
Während ich in Australien schlafen gehe, ist der Tag zuhause in der Schweiz noch lange nicht vorbei. Erst nach dem Aufstehen erfahre ich, was sich dort nach Feierabend alles noch getan hat. Es ist oft eine Art Lotterie. Entweder ist nichts passiert. Oder aber es ist ein wildes Medien-Durcheinander: Macron wurde gewählt. May wurde demokratisch geohrfeigt. Die Bachelorette hat irgendeinem keine Rose gegeben. Und dann ist da noch die Trump-Spirale:
Und dann macht Trump dies und das.
Und dann verstickt das ganze wieder im Staub, den der nächste Skandal aufwirbelt.
Das Leben in der Zukunft, lässt mich viel in der Vergangenheit verpassen. Dementsprechend leidet auch der Kontakt mit Schweizer Freunden. Alles, was mir bleibt, sind die verbliebenen Manuskripte von Social-Media-Konversationen, die ohne mich stattgefunden haben. Ich lese mich morgens durch Gruppenchats und Facebookposts, sehe verpasste Skype-Anrufe und werde dabei etwas melancholisch.
Ich fühle mich wie derjenige, der zu spät zur WG-Party kommt. Dann, wenn die meisten schon gegangen sind und auf dem Buffet nur noch die Rosenkohl-Spiesse rumliegen, welche die seltsame Veganerin von nebenan gebracht hat.
Es hat aber auch Vorteile, einen Katzensprung in der Zukunft zu leben.
So bin ich technisch gesehen der erste, der Freunden zum Geburtstag gratulieren darf. Weil hier ja früher «morgen» ist, als daheim. Und während ich an der Uni sitze, schlafen alle noch. Ich lass mich also nicht so schnell von Whatsapp-Nachrichten ablenken.
Die Zeitverschiebung ist Gewöhnungssache, aber mit der Zeit normalisieren sich auch seltsame Umstände. Als meine Familie das Ostern-Festessen genoss, lag ich bereits im Bett und konnte mir die Bilder des Festmahls beim Cornflakes-Frühstück anschauen. Für das Champions-League-Finale musste ich für drei Uhr morgens den Wecker stellen, um es nicht zu verpassen. Und zum Muttertag schickte ich Mami eine betrunkene Sprachnachricht nach dem Ausgang. Gemerkt hat sie es zum Glück nicht.
Ich war noch nie so nahe am Zeitreisen dran, wie östlich der Schweiz in einer anderen Zeitzone zu wohnen. Es ist weder H.G. Well’s Zeitmaschine, noch der TARDIS aus «Doctor Who» und auch nicht Doc Brown’s DeLorean. Aber es ist besser als nichts.
Allzu lange bleibe ich nicht mehr hier. Denn in einigen Wochen geht es schon wieder zurück in die Vergangenheit, zurück in die Schweiz.
Was ist mit euch, würdet ihr lieber in die Zukunft oder die Vergangenheit reisen?