Mit ein paar Kollegen reise ich fürs Wochenende in die wunderschöne Region des Margaret Rivers im Süden Westaustraliens.
Wir sind eine Gruppe von zehn Nasen, kompakt in zwei Suzuki Swifts verstaut. Hinzu kommen die Gepäckstücke. Manche bringen vier Taschen. Nicht alle haben verstanden, dass wir nur zwei Tage weg sind.
Etwa 1400 Kilometer legen wir insgesamt in diesem Auto-Tetris zurück. Selbst Sardinen werden in ihren Büchsen mit mehr Beinfreiheit gehalten. Trotzdem lohnt sich die Reise allemal, denn die Landschaft ist fantastisch, hier ein paar Eindrücke:
Über Nacht bleiben wir in einer Jugendherberge. Dabei fällt mir wieder einmal auf, dass eine solche Unterkunft ein eigenes Mikrouniversum ist. Und in ihm leben die verschiedensten Charakteren ...
Es folgt:
Frisch vom Gymnasium oder dem Lehrabschluss, noch nicht für ein Studium entschieden oder Job beworben, kehren Reisende dieses Typs auf ihrem ersten grossen Abenteuer ausserhalb der Heimat in der Jugendherberge ein. Mit grossen Augen bestaunen sie die Flyer der Tour-Unternehmen, die am Empfang rumliegen. Sie hören bei den lustlosen Instruktionen des Nachtschicht-Rezeptionisten aufmerksam zu und lesen jedes Schild sorgfältig durch. In der Regel sind sie zu zweit unterwegs und mit verblüffend grosser Wahrscheinlichkeit deutsche Mädchen.
Beim Onlinebuchen nicht richtig aufgepasst oder die Unterkunft nicht selbst gebucht und schon steht diese zarte Blume mit gesenkter Kinnlade und poliertem Rollkoffer im Zwölfer-Schlag. Wohlbehütet in Luxusressorts auf den Kanaren oder Malediven aufgewachsen, ist sich der Reisende dieses Typs nicht gewohnt, einen miefenden Raum voller Doppelstockbetten mit fremden Menschen zu teilen. Etwas verlegen versucht er oder sie sich nichts anmerken zu lassen und kämpft sich durch die bereits gebuchten Nächte oder wechselt nach zwei schlaflosen Nächten ins nächste Hotel.
«Ich habe für dieses Bett bezahlt, also nutze ich es auch», muss sich dieser Typ wohl denken. Denn egal ob du morgens, mittags oder spät nachts ins Zimmer trittst: Er liegt auf seinem Bett. Entweder schlafend oder mit dem Handy in der Hand. Er ist zwar der erste, der dir nach Anreise «Hallo» sagt. Dabei bleibt es dann aber auch. Zusammen mit dem «Tschüss» bei Abreise sind dies die einzigen beiden gewechselten Worte des ganzen Aufenthalts.
Ganz anders geht es bei diesem Typ zu und her. Dein Rucksack hat noch nicht einmal den Boden berührt und schon geht die pausenlose Unterhaltung los:
Ab allen Antworten begeistert, doch von keiner zufriedengestellt, löchert er dein durch Jetlag stark beeinträchtigtes Hirn. Und das noch bevor du dich überhaupt akklimatisieren kannst. Das Interesse ist zwar schmeichelhaft, doch oft leider auch bloss oberflächlich.
Ein grosser Teil der Betten ist von Leuten belegt, die für eine längere Zeit bleiben. Sie haben es sich in den Aufenthaltsräumen und Küchen gemütlich gemacht und sind zu einer kleinen Hostelfamilie geworden. Die Rede ist von Work-and-Travel- oder Working-Holiday-Gästen. Dabei lässt sich zwischen zwei Typen unterscheiden:
1. Der Erfolgreiche: Er oder sie macht tatsächlich das, wofür das Visum gedacht ist: arbeiten. Diese Typen stehen früh auf und kommen abends erschöpft von der Arbeitsstelle zurück. Nach ein paar Wochen oder wenigen Monaten wechseln sie in eine andere Stadt, um dort was Neues zu suchen.
2. Der Erfolglose: Schon lange ist dieser Typ im Hostel gestrandet. Es lässt sich einfach keine Arbeit finden. Das liegt aber auch daran, dass nicht wirklich welche gesucht wird. Zu gemütlich ist das Rumhängen im Hostel geworden. Weiterzureisen wäre eine Option, wird aber nicht mehr wirklich verfolgt. Stattdessen hat er sich ans Leben als Dauergast gewöhnt. Die simple Schlafzimmereinrichtung wurde durch einen Minikühlschrank, einen Fernseher und eine Mikrowelle ergänzt.
Nach all diesem Schubladisieren muss ich natürlich zugeben, dass ein Grossteil der Jugi-Bewohner total angenehm, freundlich und hilfsbereit ist. Wer schon eine Weile da ist, hilft den Neuankömmlingen gerne dabei, die Waschmaschine zu verstehen und das Tagesprogramm zu planen. Es werden internationale Freundschaften geschlossen und Reiseerfahrungen ausgetauscht.
Auf unserem kleinen Wochenendausflug bleiben wir nur eine sehr kurze Nacht. Wir kommen spät an und sind sehr früh wieder weg. Dieser Aufenthalt ist zu kurz, um all diesen Typen zu begegnen.
Bis auf die Bettwanze. Die ist tatsächlich wieder da.