Und nun zurück zum Artikel.
Auf meiner Reise nach Perth lege ich einen zwei-nächtigen Zwischenstopp in Singapur ein. «Eine weitere Stadt, die neben Zürich als eine der teuersten der Welt gilt», denke ich mir, «das muss ich als Student, der sich seit sechs Jahren von 50%-Rabatt-Artikeln ernährt, gesehen haben.»
Das Hostel ist dementsprechend eingerichtet: Ich schlafe zwar in einem 16er-Schlag, doch jedes Bett ist in einer abgetrennten Kabine mit Smart-TV und (vermutlich gefälschten) Beats-by-Dre-Kopfhörern ausgerüstet. Der Hostel-Mann erklärt mir beides eingehend. Den Smart-TV benutz ich jedoch nicht und auf die Kopfhörer verzichte ich aus Überzeugung. Für mich sind Beats quasi das «Canada Goose» für den Kopf. Sie schreien förmlich:
Im Hostel lerne ich Laurens kennen, einen belgischen Softwareentwickler, der vermutlich über zehn Sprachen spricht und gerade ganz Südostasien bereist. In seinem Job sei er so flexibel, dass er immer mal ein bisschen arbeiten, dann kündigen und reisen könne.
Das kann ich mit meinem Kommunikationsstudium zwar auch. Nur muss ich dafür deutlich länger arbeiten, werde danach gekündigt, und wenn ich Glück habe, reicht das Geld dann für ein verlängertes Wochenende in Strassburg.
Mit Laurens verbringe ich die ganzen drei Tage und schaue mir die wichtigsten Touristenstationen an.
Und zwar absolut unausgewogen und willkürlich, sodass sich jeder Reiseberater auf dem Bürostuhl umdrehen würde.
Ich bin grad etwas stolz auf mein intensiv recherchiertes Feedback. Ich sollte Reiseratgeber schreiben. Die hiessen dann vermutlich «Forever (a)Lonely Planet» oder so ähnlich.
Genug Singapur, ich habe mein Hauptziel schliesslich noch nicht erreicht.
Der Flug nach Perth ist nahezu leer, derart beliebt scheint die Hauptstadt Westaustraliens zu sein. Mir soll es recht sein, denn so freut sich mein Rucksack über einen eigenen Sitzplatz, meine Beine freuen sich über mehr Stauraum und meine Nerven über das Fehlen eines «Simons» an Bord.
Es ist einer dieser Billigflieger, wo man für alles Zusätzliche zahlt. Meine Beinfreiheit kostet 12 Stutz, mein Gepäck etwa 20. Optional gäbe es noch Essen, Internet und weiss der Teufel was alles. Es würde mich nicht wundern, wenn beim Druckverlust für die Sauerstoffmasken eine O2-Taxe und bei einer Bruchlandung eine «Highspeed-Landing-Fee» verrechnet würden.
Von da an läuft alles reibungslos: Durch die automatisierte Passkontrolle kann ich hindurch spazieren und an der Gepäckkontrolle werde ich vorbeigewinkt. So schnell kam ich noch nie aus einem Flughafen raus. Entweder will tatsächlich niemand nach Perth oder ich wirke einfach unheimlich harmlos. Dabei habe ich doch zwei lange Flüge und drei schlaflose Nächte hinter mir und sehe dementsprechend fertig aus. Jede, die schon mal neben mir aufgewacht ist, weiss wovon ich spreche. Und die anderen mögen es sich vorstellen.
Ich heisse mich selbst in Australien willkommen und blicke gespannt, nervös und hundemüde auf das nächste halbe Jahr. In der wohltuenden Dämmerungswärme bringt mich Herr Uber zum Studentendorf auf dem Campus. Eine einstündige Fahrt mit dem ÖV möchte ich zu diesem Zeitpunkt weder mir, noch den Mitreisenden antun.
Bereit fürs Bett komme ich beim Studi-Wohnbau an, wo schon diverse Vorglüh-Partys im Gange sind. Einer meiner neuen Mitbewohner begrüsst mich mit einem Bier und fragt, ob ich mitkäme; im Newport-Hotel in Fremantle sei heut Abend Party. Ich weiss weder, wie er heisst, noch wovon er redet. Mein inneres Ich schreit mich an:
Aus meinem Mund kommt jedoch ein «Klar, warum nicht.»
Und so schleppe ich mein erschöpftes, stocknüchternes Selbst mit etwa hundert betrunkenen Fast-noch-Teenagern in meine erste Partynacht in Perth.
Ein Hoch auf das akademische Leben.