Die skandalöseste Silvesterparty von anno dazumal: The Chelsea Arts Ball
Willkommen in der Royal Albert Hall in London auf dem jährlichen Kostümball des Chelsea Arts Club, einem 1891 gegründeten (und heute noch bestehenden) Privatclub, der seine Mitglieder (wie der Name erahnen lässt) aus den Reihen von Künstlern, Bildhauern, Architekten, Schriftstellern, Designern, Schauspielern, Musikern, Fotografen und Filmemachern rekrutiert.
Vielleicht ist es diese künstlerische thematische Ausrichtung, vielleicht aber auch bloss good old British Partybereitschaft ... Fakt ist, dass der von 1908 bis 1958 veranstaltete Neujahrsball den Ruf hatte, die schrillste, spektakulärste und skandalträchtigste Veranstaltung im gesellschaftlichen Kalender zu sein.
Hier wurde mit der grossen Kelle angerichtet, mit über 100 Darstellern, aufwendigen Dekorationen und bis zu 4000 Tänzern, die alle in Kostümen auf dem Tanzparkett der Albert Hall feierten. Bei exotischen Partymottos wie «Ägyptisch», «Arche Noah» oder «Sonnenanbeter» tanzten die Gäste bis in die frühen Morgenstunden, bis schliesslich um 5 Uhr morgens ein Frühstück serviert wurde, um die Feierlichkeiten zu beenden.
Die Veranstaltung war gut besucht von Bohemiens und Promis – aber auch von gewöhnlichen Londonern. Aufwändige, dekadente oder zumindest knappe Kostüme waren Pflicht.
Der Ruf der ultimativen Silvesterparty wurde durch Berichte über öffentliche Nacktheit, freizügige Liebesbekundungen und offen gelebte Homosexualität bestärkt (letzteres in einer Zeit, als dies noch illegal war). Damals, als schwule Männer für bis zu zwei Jahre ins Gefängnis kamen und/oder Opfer von chemischer Kastration wurden, war der Chelsea Arts Ball ein Ort, an dem homosexuelle Menschen sie selbst sein konnten – ohne die Kontrolle und Überwachung, der sie in ihrem täglichen Leben ausgesetzt waren.
Höhepunkt der Party war das Schaulaufen der riesigen, von namhaften Künstlern entworfenen Paradewagen. Mit den Jahren entstand daraus die bizarre Tradition, ebendiese Wagen anschliessend zu zerstören, trotz der Bemühungen des Sicherheitsdienstes, das Unvermeidliche zu verhindern, wie dieser Pathé-Wochenschaubericht aus dem Jahr 1954 zeigt.
Nach 1958 wurde der Anlass verboten, weil die Veranstalter die Verantwortung für das ausufernde Verhalten ihrer Partygäste in der geschichtsträchtigen Royal Albert Hall (versicherungstechnisch) nicht übernehmen konnten.
Was bleibt, sind Bilder für die Ewigkeit: