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Sekteneltern vergewaltigen ihre Kinder psychisch

Kinder, die in einem Sektenmilieu aufwachsen, brauchen Schutz.
Kinder, die in einem Sektenmilieu aufwachsen, brauchen Schutz.bild PD
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Sekteneltern vergewaltigen ihre Kinder psychisch – und niemand schaut hin

13.08.2016, 09:4815.08.2016, 06:01
Hugo Stamm
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Kürzlich fand im Hallenstadion der Kongress der Zeugen Jehovas statt. Für Beobachter eine Tortur. Bei solchen Monsterveranstaltungen salbadern die Redner ihr Mantra vom richtigen Glauben an Gott, von der bösen Welt und dem nahen Weltende stundenlang herunter.

Was für Erwachsene schon eine Geduldsprobe ist, muss für Kinder auch in den langen Gottesdiensten im Königreichssaal quälend sein. Denn es ist schlicht nicht kindgerecht, stundenlang still zu sitzen und sich Dinge anzuhören, die sie nicht richtig verstehen.

Kinder sitzen wie brave Lämmer in den Gottesdiensten

Trotzdem sitzen sie wie brave Lämmer da und regen sich kaum. Das hat nichts mit Gott oder dem Glauben an ihn zu tun, sondern mit der rigiden Erziehung. Die meisten Kinder der Zeugen Jehovas werden darauf konditioniert, still zu sitzen, wenn Gott ins Spiel kommt. Sie müssen lernen, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, wenn es um ihren Jehova geht.

Religion
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Zehntausende Kinder wachsen in der Schweiz in einem Sektenmilieu auf. Sie haben keine Wahl. Niemand schaut hin, wenn die Indoktrination die Qualität eines seelischen Missbrauchs hat. Selbst die Behörden greifen in der Regel erst ein, wenn körperlicher Missbrauch hinzukommt und nachgewiesen werden kann. Sie berufen sich auf die Religionsfreiheit der Eltern.

Verfassung und Kinderrechtscharta garantieren Kindern  Religionsfreiheit. Doch das ist eine Farce. 

Doch was ist mit der Religionsfreiheit der Kinder? In diesem Punkt gilt das Kindswohl nichts. Dabei garantiert die UNO-Kinderrechtscharta den Kindern Glaubensfreiheit. Sie dürfen also den Glauben selbst bestimmen. Übrigens garantiert uns auch unsere Verfassung die Glaubens- und Kultusfreiheit.

In der Kinderkonvention heisst es wörtlich: 

«Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Die Vertragsstaaten achten die Rechte und Pflichten der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds, das Kind bei der Ausübung dieses Rechts in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise zu leiten. Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der Öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.»

Diese Artikel sind für die Katz'. Kaum ein Land hält sie ein. Ich erlebe es immer wieder bei Scheidungen, bei denen ein sektenhafter Hintergrund eine Rolle spielt.

Wenn ein Elternteil in eine Sekte abrutscht, wird es für Kinder ungemütlich

Konkret: Driftet eine Mutter in eine radikale esoterische oder religiöse Bewegung ab, bewirkt dies oft eine Trennung. Konfrontiert beispielsweise ihr Ehemann sie mit kritischen Argumenten, hintertreibt die Sekte die Beziehung des Paares, indem sie religiöse Kriterien ins Spiel bringt.

Ihr Mann hindere sie mit seiner Ignoranz an ihrer spirituellen oder religiösen Entwicklung. Die einzige Lösung, um ihr Seelenheil zu retten, sei die Trennung, argumentieren sektenhafte Gruppen.

Vor Gericht versuchen die geschockten Männer meist, ihre Kinder vor der religiösen Indoktrination zu schützen. Sie verlangen von den Scheidungsrichtern, der Mutter diesbezügliche Auflagen zu machen.

Kinder zu Sektenbesuch gezwungen

Dies ist aber in den allermeisten Fällen ein hoffnungsloses Unterfangen, wie die Erfahrungen zeigen. Es gibt auch den umgekehrten Fall. Mütter wollen verhindern, dass der Vater nach der Trennung seine Kinder bei den Besuchswochenenden in die esoterische oder religiöse Gruppe mitnimmt. Auch in dieser Situation scheuen sich die Richter in der Regel, Auflagen zu machen, die zum Kindswohl beitragen würden.

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Religion und Glauben sind bei uns immer noch heilige Kühe. Auch wenn darunter Kinder leiden. Auch wenn die Kinderkonvention missachtet wird. Kinder sind der religiösen Indoktrination der Eltern schutzlos ausgeliefert.

Natürlich braucht es die Glaubensfreiheit. Natürlich gehört die religiöse Erziehung ins Elternhaus. Es bräuchte aber dringend eine Ombudsstelle mit Weisungsgewalt, an die sich Kinder oder Jugendliche wenden könnten.

Kinder brauchen Anlaufstelle, die eingreifen kann

Bei Verdacht auf eine religiöse Radikalisierung müsste den Kindern ein Beistand zur Seite gestellt werden. Auch Verwandte, Lehrer oder Nachbarn müssten die Ombudsstelle auf gefährliche Entwicklungen aufmerksam machen können.

Doch solche Vorschläge bleiben eine Illusion. Es sei denn, dass immer mehr Jugendliche von Islamisten für den heiligen Krieg rekrutiert werden und als Attentäter heimkehren. Nur dies könnte den politischen Willen fördern, endlich etwas zu unternehmen.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und auf Twitter folgen.

Von Religion bis zur Gotteslästerung

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96 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Incognitor
13.08.2016 10:32registriert August 2015
Bin bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen, klar war es mühsam, aber seelische Tortur war es nur bedingt. Mit 18 konnte ich zum Glück selber entscheiden das ich gehen konnte. Meistens wurde bei vielen Leuten in diesem Alter dermassen eine Gehirnwäsche durchgezogen das es sehr schwierig ist rauszukommen. Vorallem sind alle deine Freunde und deine Familie dann gegen dich... Es war hart, aber ich schaffte es rauszugehen aus dieser Anhäufung von Dummheit.
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OnePercent
13.08.2016 10:31registriert Juli 2016
Aus eigener Erfahrung als Kind bis Erwachsener innerhalb der Zeugen Jehovas kann ich folgendes sagen: Als Kind ist es unmöglich der von den Zeugen erschaffenen Welt zu entfliehen, es Regiert die Wachturmgesellschaft und diese gibt vor wie die Regeln, Art die Welt zu sehen bzw. diese zu interpretieren ist/ist.

Als Kind denkt man nicht daran dies zu hinterfragen. Und wenn doch verfolgt man den Gedanken aus Angst vor Ausschluss und Isolation nicht weiter.

Ein perfektes System aus dem es nur schwer wenn nicht fast unmöglich auszubrechen ist.
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Dasrauschen
13.08.2016 16:55registriert August 2015
Ich, 38, und meine 3 Geschwister haben das selbe als Kinder durchgemacht.
Gingen nach Dozwil, ca 2mal pro Woche. Es war von Weltuntergang und Ufos die Rede, wir haben alles geglaubt.
Mit 14 hab ich mich dann langsam geweigert bis ich dann gar nicht mehr ging. Meine Eltern gehn immernoch. Das ganze Thema ist noch heute Tabu obwohl wir sonst mehr ider weniger gut mit unseren Eltern auskommen.
Ich hege keinen Groll gegen meine Eltern, jedoch hat es meine Abneigung zu Religion stark geprägt.
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