Die Klimaerwärmung nimmt Fahrt auf. Seit den 1980er-Jahren war jedes Jahrzehnt wärmer als das vorangegangene. Die globale Jahresmitteltemperatur liegt seit 2015 konstant um 1 °C höher als in vorindustrieller Zeit. Und die wärmsten Jahre, die bisher gemessen wurden, finden sich allesamt in der jüngsten Vergangenheit. Die drei an der Spitze der Rangliste sind 2020, 2016 und 2019.
All dies hat Folgen: Der Klimawandel verändert die Welt. An diesen 6 Orten ist das bereits deutlich zu sehen.
Beginnen wir bei uns zu Hause: Der Morteratschgletscher in der Berninagruppe ist mit 6 Kilometern der drittlängste Gletscher der Ostalpen. Wie praktisch alle Alpengletscher befindet er sich aufgrund der Klimaerwärmung auf dem Rückzug: Seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen 1878 hat der Gletscher mehr als 2,6 Kilometer seiner Länge eingebüsst. Der Rückgang betrug im Schnitt gut 17 Meter pro Jahr, doch allein im Jahr 2015 zog sich die Gletscherzunge um 165 Meter zurück. Bis 2013 ging seine Fläche von 19,3 km2 auf knapp 15 km2 zurück.
Auch die Mächtigkeit seiner Eisschicht nahm bis 1991 um 5 Meter ab und betrug damals im Schnitt noch 70 Meter. Im eisfreien Gelände unterhalb der Gletscherzunge gibt es Stellen, an denen sich das Eis noch vor 50 Jahren 100 Meter hoch türmte. Die frühere Mächtigkeit der Gletscherzunge ist an den Seitenmoränen im Morteratschtal deutlich zu sehen. Der Rückgang des Morteratschgletschers ist entlang eines Gletscherlehrpfads mit Tafeln dokumentiert. Der Gletscherschwund scheint derzeit unaufhaltsam; bis 2050 werden die Alpengletscher etwa die Hälfte ihres heutigen Volumens verloren haben.
Gletscher gibt es natürlich auch im höchsten Gebirge der Welt, dem Himalaja. Der «dritte Pol», wie der Gebirgszug auch genannt wird, enthält nach den Polgebieten die grösste Menge Eis auf dem Planeten. Aber auch diese gewaltige Eismasse schwindet schnell, weil hier die Temperatur doppelt so schnell steigt wie im globalen Durchschnitt. Seit Jahrzehnten taut im Sommer mehr Eis auf, als sich im Winter neues bildet. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits ein Viertel der Eismasse verschwunden ist. Zum Gletscherschwund tragen allerdings nicht nur die steigenden Temperaturen bei, sondern auch winzige Russpartikel, die aus der Verbrennung von fossilem Brennstoff stammen und sich auf der Oberfläche der Eisdecke ablagern. Sie absorbieren das Sonnenlicht und damit die Wärme und beschleunigen so den Schmelzvorgang.
Die niedrigstgelegenen Gletscher sind stärker vom Eisschwund betroffen, aber selbst der höchstgelegene Gletscher der Welt, der South Col am Mount Everest, verspürt die Auswirkungen der Klimaerwärmung. Schätzungsweise verliert er jährlich 2 Meter an Dicke und könnte Mitte dieses Jahrhunderts gänzlich verschwunden sein. In den letzten 25 Jahren hat er rund 55 Meter an Dicke eingebüsst.
Der enorme Eispanzer, der mehr als vier Fünftel der Fläche Grönlands überzieht, ist nach dem antarktischen Eisschild die zweitgrösste permanent vereiste Fläche der Erde. Aber auch diese gigantische Eismasse schwindet zusehends. Bereits zwischen 1979 und 2002 erhöhte sich die Fläche, die im Sommer vom Abschmelzen betroffen war, um 16 Prozent. Zwischen 2011 und 2014 verlor der Eisschild im Schnitt jedes Jahr rund 269 Milliarden Tonnen Eis. Seit den 1980er-Jahren beschleunigt sich der Verlust; mittlerweile ist er um das Sechsfache höher als damals. Das geschmolzene Eis erhöht den Meeresspiegel – seit 1972 um 13,7 Millimeter, wovon die Hälfte in den letzten 8 Jahren anfiel. Ein vollständiges Abschmelzen des Eisschilds würde den Meeresspiegel um 7 Meter ansteigen lassen.
Das Schmelzwasser, das durch Risse im Eis abfliesst, beschleunigt den Schmelzvorgang zusätzlich. Neben den höheren Temperaturen in der Atmosphäre wirkt sich auch die erhöhte Wassertemperatur negativ aus; die Gletscherzungen, die auf Meerwasser aufliegen, verlieren dadurch schneller an Masse. Dies führt dazu, dass sie den nachrückenden Eismassen weniger Widerstand bieten und die Gletscher daher schneller Richtung Meer strömen. Zu sehen ist dies an der Oberfläche der Gletscher: Sie werden durch die schnellere Strömung, vornehmlich am Ende, quasi gedehnt, wodurch sich an der Oberfläche mehr Risse und Spalten bilden.
Das Meereis des Arktischen Ozeans schwindet in den letzten Jahrzehnten stetig, und zwar sowohl in seinem Umfang wie in seiner Dicke. Im Vergleich zum langjährigen Mittel zwischen 1981 und 2010 nimmt das Minimum der Eisbedeckung (jeweils im September) derzeit mit einer Geschwindigkeit von 13 Prozent pro Jahrzehnt ab. Bereits in wenigen Jahren, in der Zeitspanne von 2030 bis 2040, könnte das arktische Meereis im Sommer gänzlich verschwunden sein.
Das Abschmelzen des Meereises hat im Gegensatz zu den schmelzenden Eisschildern in Grönland und der Antarktis keinen Einfluss auf den Meeresspiegel. Der Rückgang der Eisbedeckung ist indes besorgniserregend, weil er die Klimaerwärmung in einem Rückkopplungsprozess verstärken kann. Die Eisdecke verfügt nämlich über eine hohe Albedo, das heisst, sie reflektiert rund 80 Prozent des Sonnenlichts – und damit der Wärme – zurück ins All. Das dunklere Meerwasser hingegen absorbiert rund 90 Prozent des Sonnenlichts und heizt sich dadurch auf. Der durch die Klimaerwärmung hervorgerufene Schwund der Eisbedeckung trägt so zur weiteren Erwärmung des Planeten bei.
Der Eisschild der Antarktis ist, was das Volumen betrifft, etwa neunmal so gross wie der Grönländische Eisschild und enthält rund 70 Prozent des gesamten Süsswassers auf der Erde. Während das Eis im Osten des antarktischen Kontinents auf gebirgigem Untergrund ruht und durch Gebirgszüge beim Abfliessen behindert wird, fliesst das Eis in der Westantarktis schneller in den Ozean ab. Besonders dort ist der Eisschwund deutlich; von 1992 bis 2017 verlor die Westantarktis 94 Gigatonnen Eis pro Jahr – der Löwenanteil des gesamten antarktischen Verlusts von durchschnittlich 109 Gigatonnen pro Jahr. Die Westantarktis ist eine der Weltregionen, in denen die Temperaturen im Zuge der Klimaerwärmung am stärksten gestiegen sind. Forscher gehen davon aus, dass bestimmte riesige Gletschersysteme in dieser Region so instabil geworden sind, dass ihr Abbau unumkehrbar geworden ist.
Der Ostantarktische Eisschild konnte dagegen in den ersten beiden Jahrzehnten dieses Zeitraums sogar leicht an Masse gewinnen, doch in den letzten 5 Jahren dieser Zeitspanne verlor er ebenfalls an Masse. Insgesamt hat sich der Eisverlust innerhalb von 10 Jahren verdreifacht. Die Eisschmelze in der Antarktis hat den Meeresspiegel in den letzten 25 Jahren um 7,2 Millimeter ansteigen lassen. 3 Millimeter davon erfolgten in nur 5 Jahren. Würde die gesamte Eismasse der Antarktis abschmelzen, hätte dies einen Anstieg des Meeresspiegels um 58 Meter zur Folge.
Die Klimaerwärmung verursacht nicht nur den Verlust von Eismassen. Auch in den Tropen kann sie zu Verheerungen führen – etwa am Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens. Es ist das grösste Korallenriff der Erde und gehört seit 1981 zum Weltnaturerbe der UNESCO. Und dieses Weltnaturerbe ist bedroht: Es hat zwischen 1985 und 2012 mehr als die Hälfte seiner Korallen aufgrund der steigenden Wassertemperaturen verloren. Korallen sind lebende Organismen, die zu den Nesseltieren gehören und in Symbiose mit Einzellern auf einer stetig wachsenden Kalkschicht leben. Höhere Wassertemperaturen führen dazu, dass die Korallen die Einzeller abstossen. Da diese die Korallen färben, verliert der Korallenstock seine Farbe – diesen Vorgang nennt man Korallenbleiche. Die Korallen sterben dabei nicht unbedingt ab, sie reagieren aber empfindlicher auf Umwelteinflüsse. Mit der Zeit können sie wieder von Einzellern besiedelt werden und sich erholen, doch dafür benötigen sie etwa zehn Jahre.
Die zunehmende Kadenz der Korallenbleichen – 4 in den letzten 6 Jahren (2016, 2017, 2020 und 2022) – führt jedoch dazu, dass sich die Riffe kaum mehr erholen können. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES erwartet, dass eine Erwärmung um 1,5 °C den Verlust von 70 bis 90 Prozent der Korallen nach sich ziehen könnte; bei 2 °C sogar 99 Prozent. Zudem leiden die Korallen unter der Versauerung der Ozeane. Deren Säuregrad steigt, weil sie einen Grossteil des CO2 aus der Atmosphäre absorbieren. Dies wiederum tastet die Fähigkeit der Korallen an, Kalkskelette und Riffs zu bilden. Die Klimaerwärmung sorgt überdies dafür, dass Taifune und Zyklone häufiger werden, und diese können die Riffs schädigen.
Die hier aufgeführten Beispiele sind nur eine kleine Auswahl – die anthropogene Klimaerwärmung ist längst global spürbar. Sie ist auch nicht ein Problem der Zukunft – obwohl sie sich zweifelsohne noch verschlimmern wird –, sondern findet bereits jetzt statt.
Nicht einmal eine so vorhersehbare und existenzbedrohende Krise wie der Klimawandel kann das ändern.
Wir hätten genug Zeit gehabt, die Katastrophe zu vermeiden, aber Macht- und Geldgier waren und sind einmal mehr wichtiger. Wir sind so dumm, dass es mir den Magen dreht…