Das Markenzeichen vieler strenggläubiger Christen ist die Selbstgefälligkeit. Mit Gott im Rücken und der Bibel in der Hand schwingen sie sich gern zu Hütern von Moral und Ethik auf.
Dabei können sie anmassend bis radikal werden, glauben sie doch, im Namen Gottes für Recht und Ordnung sorgen zu müssen. Geht es um die Sexualität, verfallen sie gern in einen heiligen Furor. Beim Thema Homosexualität sehen sie endgültig rot.
Zwei aktuelle Beispiele zeigen, in welch engstirniger Welt rückständige Christen leben. Dass sie sich dabei auch mal mit strenggläubigen Muslimen verbünden, rundet das Bild ab.
Im Schulhaus Obermatt in Pfäffikon ZH zettelten Eltern aus freikirchlichen und muslimischen Kreisen einen Aufstand gegen einen Primarlehrer an, der seine Schülerinnen und Schüler lehrplanmässig in Sexualkunde unterrichtete, wie der Tages-Anzeiger am Donnerstag schrieb. Sie kritisierten die Unterrichtsweise des Lehrers und wollten, dass ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht suspendiert werden.
In einer ersten Reaktion gab die Schulleitung ihrem Lehrer vorbehaltlos Rückendeckung und wies die Vorwürfe der unzufriedenen gläubigen Eltern in einem Brief zurück. Auch die Schulassistenz attestierte dem Lehrer, den Unterricht altersgerecht umgesetzt und die pädagogische Aufgabe voll und ganz erfüllt zu haben.
Doch die Eltern suchten weitere Verbündete und erhöhten das Trommelfeuer. Schliesslich gelang es den christlichen und muslimischen Fundis, die Schulbehörde in die Knie zu zwingen. Diese entliess den Lehrer mit einem verbalen Doppelsalto.
Ah ja, da ist noch etwas: Der Lehrer ist homosexuell. Für die aufständischen Eltern eine doppelte Zumutung. Schwul und Sexualkundeunterricht? Alarmstufe rot.
Der Konflikt rief auch die Schulpflege, den Leiter der Bildung und die grosse Mehrheit des Lehrkörpers auf den Plan. In einem Brief an die Schulleitung stellten sie sich zu hundert Prozent hinter den diffamierten Lehrer und hielten fest, dass dieser wegen seiner Homosexualität diskriminiert worden sei. Doch es half alles nichts, die Fundis fuhren auf der ganzen Linie einen Sieg ein.
Konservative Christen berufen sich stets auf die Bibel. In 3. Mose 20,13 heisst es: «Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft. Ihr Blut soll auf sie kommen.»
Wie prüde viele muslimische Kreise sind, zeigt die erzwungene Verhüllung der Frauen in manchen Ländern.
Am vergangenen Montag musste ein prominenter Angeklagter vor dem Polizeigericht in Bellinzona antraben. Dem an der theologischen Fakultät der Universität der italienischen Schweiz lehrenden Professor Manfred Hauke wurde vorgeworfen, in einem Artikel Homosexuelle diskriminiert und zu Hass aufgerufen zu haben.
Den Aufsatz geschrieben hatte der polnische Theologe Dariusz Oko in der erzkatholischen Monatszeitschrift «Theologisches», die Manfred Hauke herausgibt. Oko geisselte darin Schwule als rücksichtslose Parasiten und bezeichnete sie als Homomafia und Krebsgeschwür, das sogar bereit sei, seinen Wirt zu töten, wie die NZZ schreibt.
Bezeichnend ist auch der Titel des Artikels: «Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen.» Eine bemerkenswerte Aussage, sind doch überdurchschnittlich viele katholische Geistliche schwul. Im Vatikan sollen es bis zu 50 Prozent sein, wie Insider behaupten.
Die Tessiner Staatsanwaltschaft verhängte gegen Hauke eine bedingte Geldstrafe von 9450 Franken und eine Busse von 1800 Franken. Doch der Professor reichte einen Rekurs dagegen ein, weshalb es diese Woche zum Prozess in Bellinzona kam.
Der Anwalt von Hauke behauptete, der inkriminierte Artikel sei kein Angriff auf alle Homosexuellen, sondern nur auf jene, die innerhalb der Kirche pädophile Verbrechen begangen hätten. Das Urteil steht noch aus.
Mitglieder von Freikirchen lassen sich von der Bibel radikalisieren. Sie interpretieren das «heilige Buch» als authentisches Wort Gottes. Dabei orientieren sie sich an der Verurteilung von Homosexuellen und der rigiden Sexualmoral.
Deshalb sind für viele Gläubige aus Freikirchen schwule Lehrer eine Bedrohung für die Kinder. Und sie bekämpfen den Sexualkundeunterricht, weil dort zum Beispiel Geschlechtsteile benannt werden.
Freikirchliche Eltern versuchen immer mal wieder, ihre Kinder von diesen Unterrichtsstunden dispensieren zu lassen. Erfolglos, denn der Schulbesuch ist obligatorisch. Manche beschreiten deshalb den Rechtsweg, doch die Gerichte schmettern die Begehren jeweils ab – bis hinauf zum Bundesgericht. Darum bleibt als Alternative nur noch das Homeschooling.
Die betroffenen Kinder können einem leidtun: Zur strengreligiösen Erziehung kommt auch noch der Unterricht durch die prüden Eltern hinzu. Ein streng religiöses Regime rund um die Uhr. Denn selbst die Onanie gilt als schwere Sünde.