Anders gesagt: Ein innovativeres Stück Hardware wird man in der Gamingwelt derzeit kaum finden. Und keines, das mehr Potenzial in sich trägt. Das legt schon der Name nahe: Der «DualShock» der vorigen Generationen weicht dem «DualSense». Statt auf Überwältigung, so könnte man das interpretieren, setzt Sony nun auf die Macht der Sinne.
Der Mann, der wohl am meisten über die Magie des PS5-Controllers erzählen kann, ist Nicolas Doucet. Der Franzose gehört zu «Team Asobi», das wiederum Teil von Sonys Japan Studio ist. In Japan wird auch die PlayStation-Hardware entwickelt, sodass sich laut Doucet eine natürliche Nähe zwischen den unterschiedlichen Arbeitsbereichen ergeben hat. «Wir arbeiten schon länger sehr eng zusammen», erzählt er gegenüber watson über die Kooperation. «Diese Leute haben wahnsinnig viel Fachwissen und sie haben eine Vision. Doch wenn es um die Zukunft von Computerspielen geht, sind sie eben in erster Linie Hardwareentwickler. Deshalb benötigen sie Input, was die Möglichkeiten angeht, die sich auf der Softwareseite aus ihrer Arbeit ergeben.» Asobis Rolle bestand also vor allem darin, die Ideen für den Controller mit Leben zu füllen.
«Wir bekamen den DualSense in einem sehr frühen Stadium in die Hände», so Doucet. «Der Formfaktor spielte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle. Wir hatten einfach Funktionen wie die Bewegungssteuerung, die Vibrationsfunktion oder das Mikrofon und dachten uns dazu um die 80 Tech-Demos aus. Die waren allesamt sehr einfach gestrickt, denn es ging vor allem darum, zu zeigen, wie sich durch das Zusammenspiel von Hard- und Software bestimmte Eindrücke erzeugen lassen: das Gleiten über verschiedene Untergründe, das Gefühl des Fliegens, Schwimmens und so weiter.»
In den Griffen des DualSense befinden sich zwei leistungsstarke E-Motoren, etwa doppelt so gross wie die des Vorgängers. Fast unnötig zu sagen, dass die Vibrationen dadurch merklich mehr Wumms haben. Noch wichtiger ist aber, dass damit noch mehr Abstufungen möglich sind. Die Bandbreite reicht nun von kaum merklichem Prickeln bis zum heftigem Beben. Am besten lässt sich das anhand eines Rennspiels verdeutlichen.
Während das imaginäre Lenkrad bei Asphalt nur leicht schnurrt, fängt das Steuergerät bei einer Offroadstrecke an zu tanzen. Dank eines integrierten Gyroskops registriert der DualSense ausserdem Bewegungen und kann sie in die Spielwelt übertragen. Es gibt einen Lautsprecher und ein Mikrofon, die einen auch akustisch ins Geschehen eintauchen lassen. Das Anpusten des Mikrofons kann von den Entwicklern ebenfalls für spezielle Features eingebaut werden. Auch am vergrösserten Touchpad können sie sich kreativ austoben.
Die grösste Überraschung haben die Schultertasten in petto. Die «Adaptive Trigger» können je nach Situation unterschiedlich starken Widerstand beim Drücken erzeugen. Auch hier sind die Entwickler gefragt, den technischen Möglichkeiten Leben einzuhauchen. In der Basketball-Simulation «NBA 2K21» werden so die Ermüdung der Athleten und das haptische Feedback Kollisionen spürbar. Bei «Dirt 5» blockiert auf unebenen Strecken schon mal das Gaspedal, während man bei «The Pathless» die Spannung der Bogensehne an den eigenen Fingern fühlt. Technisch steckt dahinter ein elektronisch gesteuerter Mechanismus: Über ein Spiralzahnrad wird der Druck angepasst, der von hinten auf die beiden Schultertasten ausgeübt wird.
Schon für Sonys VR Brille lieferten Doucet und sein Team eine Demo-Sammlung namens «The Playroom VR». Nun sind sie für «Astro’s Playroom» verantwortlich, das auf allen ausgelieferten PS5-Systemen vorinstalliert ist. Eigentlich war das Ganze zunächst als Controller-Demo gedacht. Eine Sammlung von Mini-Spielen, wie sie viele andere Konsolen-Releases begleitet haben, war den Asobi-Tüftlern aber zu langweilig. «Wir hatten ja schon gute Erfahrungen mit ‹Astro Bot Rescue Mission› für PSVR gemacht, und Astro war als Charakter gut angekommen. Also beschlossen wir, ihn auch hier als eine Art Magnet zu benutzen, der alle spielerischen Bestandteile zu einem stimmigen Ganzen macht und dem Endergebnis Charme verleiht.»
Irgendwann jedoch verselbständigte sich das Projekt. Die «Demo» wurde zu einer Art spielbarem Museum der PlayStation-Historie. Es gibt allerlei Zitate aus der PlaySation-Historie, sammelbare «Artefakte» und vieles mehr.
Aber vor allem ist «Astro’s Playroom» ein richtig gutes Spiel, dem man anmerkt, wie viel Spass die Entwickler gehabt haben müssen, dem Controller immer wieder neue Möglichkeiten zu entlocken und einzubauen. Selten wurden Gameplay, grafische Elemente, Sound, Musik und haptisches Feedback so schlüssig zu einer Einheit verschmolzen.
Um nur ein Beispiel von unzähligen herauszugreifen: Das Level «Kühle Quellen» beginnt mit einer Rutschpartie. Man hört das Schliddern von Astros metallenem Hosenboden auf dem glatten Untergrund, die Vibration ist ganz leicht, weher ein gleichbleibendes Schleifen. Am Ende der Rutsche fliegt er ein Stückchen durch die Luft, die Vibration reist urplötzlich ab. Nun läuft Astro über den Strand, man hört den Sand knirschen und spürt den weichen Untergrund, der das Vorwärtskommen schwieriger macht. Ein Sprung ins Wasser, und sogleich fühlt sich die Vibration weich und schwer an. Der linke und der rechte Griff vibrieren abwechselnd – ein genialer Trick, der den Spieler unwillkürlich an Schwimmbewegung denken lässt.
«Es ist die Kombination aus dem, was man sieht, was man hört, und was man über die Vibrationsfunktion fühlen kann», erläutert Doucet das künstlerische Konzept. Ein gutes Beispiel dafür ist der Regen:
All das wäre nicht möglich gewesen ohne diesen innovativen Controller, der genau deshalb der heimliche Star der PS5 ist. Bleibt zu hoffen, dass er noch viele Entwickler zu ähnlichen Grosstaten inspirieren wird.