Beim Xbox Showcase Ende Juli 2020 liessen Microsoft und Entwickler 343 Industries den Master Chief endgültig von der Leine. Im präsentierten, knapp zehnminütigen Gameplay-Demo ballerte und prügelte sich der ikonische Xbox-Held durch Heerscharen von Gegnern – den so genannten Banished. Das Zauberwort der Stunde lautet «spiritual reboot» oder auch «geistiger Neustart».
Was das bedeutet? Einmal mehr eine Gratwanderung zwischen neuen Ansprüchen und der Befriedigung einer inzwischen seit beinahe zwanzig Jahren etablierten Community. Ganz egal, wie viele Teraflops die Xbox Series X auch unter der Haube hat - «Halo Infinite» ist das wichtigste Spiel im Launch-Lineup und damit das wichtigste Argument gegen die ebenfalls in den Startlöchern stehende Playstation 5.
Chris Lee, der Studio-Chef von 343 Industries, begründete den Begriff des «spiritual reboots» im Interview und erklärte, dass man vor allem aus den Vorgängern lernen wollte. Das Team betrachtet also Elemente wie die Waffen, die Figuren und auch die Geschichten und baut auf diesen auf.
«Wir möchten diese alten Stärken aufgreifen und in die heutige Zeit bringen», führt er diesen Punkt weiter aus. «Halo»-Kenner sollen sich über Anspielungen und manches Wiedersehen freuen. Neulinge, die sich Microsoft und 343 Industries gerade zum Start der nächsten Konsolengeneration erhoffen, sollen dagegen in eine fantastische Welt hinein gezogen und von dieser gefangen genommen werden.
Dich erwartet in «Halo Infinite» also ein Ego-Shooter, der eine offene Spielwelt mit gelegentlichen linearen Abschnitten vermischt. Als Master Chief kämpfst du gegen die Banished, die sich den Planeten Ring unter den Nagel gerissen haben. Deren Anführer Escharum zeigt in der Gameplay-Demos bereits seine Zähne und sprach eine Kriegserklärung an den Master Chief und dessen Verbündeten aus.
«Halo Infinite» spielt zwar zeitlich nach «Halo 5 Guardians» stellt aber für die Serie dennoch einen kleinen Neustart dar. Nicht nur, weil es der Titel ist, an dem sich die Xbox Series X messen lassen muss, auch weil es wohl der vorläufig letzte Ableger der Serie sein könnte. Im Interview erklärte Lee: «Halo Infinite ist unsere Plattform für die Zukunft. Wir möchten, dass Infinite über die kommenden Jahre weiter wächst – im Gegensatz zu all den numerisch sortierten Nachfolgern, die wir zuvor hatten.»
343 Industries und Microsoft möchten gemeinsam mit den Fans, der Community und «Halo Infinite» in die nächsten zehn Jahre «Halo» gehen. Offenbar plant man hier einen Games-as-a-Service-Charakter mit regelmässigen Updates und Erweiterungen.
Doch die so viel beschworene Community war nach der ersten Gameplay-Demo alles andere als glücklich und machte dem eigenen Unmut lauthals Luft. Grund dafür war vor allem die vergleichsweise schwache Grafik von «Halo Infinite». Das gezeigte Material wirkte nicht gerade sehr «next-gen» und sorgte für einen waschechten Shitstorm.
Microsoft und 343 Industries glätteten kurz darauf die Wogen und betonten, dass es sich bei dem gezeigten Material um eine ältere Version des Spiels handle. Man sei sich der Erwartungen bewusst und werde in den kommenden Monaten bis zum Release im Winter 2020 noch hart an der Fertigstellung arbeiten.
I’ve been in your shoes. I know what it's like to have expectations built + feel let down. I want you to know your voice matters + is heard. You're not falling on deaf ears. I always want to live up to the legacy that Bungie pioneered. I personally care a lot about honoring that.
— Dan Chosich (@DanChosich) July 25, 2020
Dan Chosich, mitverantwortlich für das Narrativ von «Halo Infinite», antwortete auf einen kritischen Tweet: «Ich kenne das Gefühl. Ich weiss, wie es ist, wenn sich Erwartungen aufgebaut und dann nicht erfüllt haben.» Er führte diesen Punkt fort und bestätigte, dass die Fans mit ihren Rufen nicht auf taube Ohren stossen würden.
Was Microsoft und 343 Industries bislang präsentierten, wirkte jedenfalls eher wie eine souveräne Fortsetzung denn wie ein Quantensprung. Gemeinsam mit seinem menschlichen Begleiter, dem Piloten, stürzt der Master Chief mit seinem Pelican-Raumschiff ab. Der Pilot soll als emotionale Brücke für den Spieler dienen und einen anderen, erzählerischen Ansatz in die Story bringen. Er darf – zumindest an dieser Stelle – noch nicht zu den Waffen greifen. Stattdessen steigt der Chief alleine aus dem Wrack und knöpft sich die Banished vor.
Statt kleiner Arenen setzt «Halo Infinite» auf grössere Schlachtfelder, die dir viele taktische Optionen bieten sollen. Der Master Chief greift nun zu zusätzlichen Hilfsmitteln, die du im Verlauf der Kampagne finden wirst. Mit dem Drop Shield stellst du einen vorübergehenden Energieschirm auf, der Schüsse abhält und sogar Granaten abblockt.
Spannender erscheint aber der Grapple Shot. Denn dieser Greifhaken erweitert die Action-Passagen deutlich: So ziehst du dich geschwind auf höhere Ebenen, schnappst dir Waffen aus der Distanz oder katapultierst dich an Widersacher heran. In der Demo nutzt der Chief das Seil, um so einem Brute einen saftigen Schlag zu verpassen. Nahkämpfe besitzen in der «Halo»-Serie ebenfalls eine lange Tradition. Es sieht alles danach aus, als würde 343 Industries diese noch weiter stärken.
«Halo Infinite» erscheint im Winter 2020 für PC, Xbox One und Xbox Series X. Das ist durchaus ein Novum, da in der Vergangenheit gerade die PC-Ableger, wenn es denn überhaupt welche gab, gerne länger auf sich warten liessen.
Fest steht, dass in den kommenden Monaten alle Augen auf «Halo Infinite» gerichtet sein werden. Der Druck auf Entwickler 343 Industries ist enorm und die erste Generalprobe beim Xbox Showcase liess erste Zweifel aufkommen. Wo steht «Halo Infinite»? Auf jeden Fall vor einer ganz schön grossen Herausforderung!