Weibliche Hauptcharaktere in Videospielen sind im Jahr 2024 längst keine Seltenheit mehr. Heldinnen wie Aloy aus der «Horizon»-Reihe, Senua aus «Hellblade» oder Ellie aus «The Last Of Us» zeigen, dass starke Frauen im modernen Storytelling ihren Platz längst gefunden haben. Vor allem aber rücken sie weg vom Klischee der «sexy Amazonen», welches die Charakterzeichnung einst bestimmte.
Das vom koreanischen Studio SHIFT UP entwickelte «Stellar Blade» geht allerdings einen Schritt zurück. Bereits Monate vor dem Start des am 26. April 2024 für PlayStation 5 erscheinenden Titels hagelte es einen gewaltigen Shitstorm. Auf frühen Screenshots sprangen einem der Allerwerteste von Heldin Eve und ihre Rundungen förmlich ins Gesicht.
Für viele ist «Stellar Blade» sexistisch, ein anderer Teil der Community erachtet die Darstellung als weniger gravierend. Trotzdem: An «Stellar Blade» spalten sich schon vor dem Release die Gemüter und daran änderte auch die kürzlich veröffentlichte Demo-Version nichts.
Tatsächlich inszeniert «Stellar Blade» auch dort Protagonist Eve arg erotisch. Das Spiel spielt in einer Zukunft, in der die Erde von monströsen Alpha-Naytibas eingenommen wurde. Die Menschheit versucht den Globus mit Invasionstruppen zurückzuerobern. Eve ist Teil dieser Einheiten und landet mit ihrer Kapsel unter schwerem Beschuss. Beim Ausstieg wechselt das Spiel in Zeitlupe und fast wie in einem Bademoden-Werbespot räkelt sich die androide Superheldin zunächst in der Sonne.
Nicht nur, dass diese Präsentation unpassend und unfreiwillig komisch wirkt, sie sorgt auch gleich für einen faden Beigeschmack. Auch die Outfits zeigen zu viel Haut und wirken allzu klischeebehaftet. Abzuwarten bleibt, wie sich die Inszenierung und auch die Charakterzeichnung von Eve im Verlauf der Geschichte darstellt. Sollten diese sexuellen Konnotationen über die gesamte Spielzeit eine prägnante Rolle einnehmen, würde dies dem Gesamterlebnis sicher schaden.
Wenn man jedoch «Stellar Blade» erst einmal gespielt hat, stellt man schnell fest, dass eine derartige Effekthascherei gar nicht notwendig gewesen wäre. Das Action-Abenteuer muss sich sowohl technisch als auch spielerisch nicht verstecken. Entwickler SHIFT UP liess sich augenscheinlich von Spielen wie «Bayonetta», «Sekiro» und auch «Dark Souls» inspirieren. Das zeigt sich im Kampfsystem und dem herausfordernden Duell mit Boss-Gegnern.
Man kontrolliert Eve dabei aus der Verfolgerperspektive, greift auf schwere und leichte Angriffe zurück und kann Angriffe blocken oder sogar auskontern. Für perfekte Paraden liefert «Stellar Blade» visuelles Feedback und öffnet ein kurzes Zeitfenster zum Reagieren. Greift man anfangs bevorzugt zum Schwert und Spezialaktionen, kommen später dank Upgrades auch noch Distanzwaffen hinzu.
Auch wenn das Actionspiel nicht ganz so schwer wie etwa «Dark Souls» sein mag, so haben es die Kämpfe dennoch in sich. Wer nicht aufpasst, wird von den flinken Kreaturen gnadenlos abgefertigt. Glücklicherweise bietet das Abenteuer aber auch Optionen, um den Schwierigkeitsgrad anzupassen. Im laufenden Spiel kann man diesen stets anpassen. Auf niedrigster Stufe richten gegnerische Attacken nur wenig Schaden an und auch Konter funktionieren leichter. Dadurch kommt man schneller wieder zurecht.
Im Gegensatz zu Titeln wie «Elden Ring» bietet «Stellar Blade» lediglich eine teiloffene Spielwelt. Es gibt also nicht ein gigantisches, zusammenhängendes Gebiet, sondern mehrere grosse Areale wie beispielsweise die Stadt Xion aus der Demo. Dadurch soll mehr Varianz in das Geschehen hineinkommen. Innerhalb der Gebiete finden sich immer wieder Lagerstätten – ähnlich wie in «Dark Souls». Hier kann man Vorräte auffrischen, Fähigkeitenpunkte verteilen oder … ein wenig Musik hören und entspannen.
«Stellar Blade» geizt nicht mit Möglichkeiten: Dank Radar-Funktion markiert das Spiel umliegende Geheimnisse und Gegner. Das Leveldesign erweist sich als überraschend vertikal, sodass Eve beim Erforschen ihrer Umgebung immer wieder klettern und springen muss. Das Erkunden der Gebiete und ihrer Geheimnisse macht einen Teil des Spielerlebnisses aus. Höhepunkte bilden natürlich die Boss-Kämpfe. Diese erweisen sich in der Vorschau-Version bereits als fordernd, aber gleichzeitig auch als stark inszeniert. Gewürzt mit Reaktionstests und grossen Attacken, sind diese Schlachten enorm stimmungsvoll. Das Spiel protzt nicht mit Effekten, Blut und durchchoreographierten Einspielern.
Kurzum: «Stellar Blade» besitzt spielerische Qualitäten, jedoch könnten Inszenierung und die im Vorfeld aufgekommene Kontroverse viele Gamer abschrecken. Wie «unnötig sexy» oder gar sexistisch das Spiel aber wirklich ist, wird erst der Langzeittest der fertigen Version zeigen.