EA Sports' «FIFA»-Franchise hat zweifellos die Videospielgeschichte verändert. Als «FIFA International Soccer» im Jahr 1993 zunächst exklusiv für das Sega Mega Drive erschien, konnte dessen Einfluss wohl niemand richtig abschätzen. Wo damals noch Pixel-Kicker mit Fantasie-Namen über den Platz liefen, sieht man heutzutage realistische 3D-Modelle der grossen Stars wie Kylian Mbappé oder Neymar.
Bei «FIFA 23» liegt allerdings Veränderung in der Luft. Es wird das letzte Spiel unter der Flagge des Fussballverbands sein. Nachdem die Verhandlungen zwischen EA Sports und der FIFA am Geld scheiterten, bekommt die Reihe ab dem kommenden Jahr einen neuen Namen: Aus «FIFA 23» wird «EA Sports FC».
Das finale «FIFA» erscheint für Vorbesteller am 27. September 2022 für PlayStation 4/5, Xbox One und Xbox Series X/S und PC. Alle anderen dürfen ab dem 30. September das Leder über die Plätze dieser Welt kicken.
Eine grosse Fussball-Revolution sollte man aber von «FIFA 23» trotzdem nicht erwarten. In dem alljährlichen Update schraubt EA Sports in erster Linie an Details und verfeinert Technik und Spielbarkeit. Besonders wichtig: «FIFA 23» besitzt erstmals auch Crossplay. Das bedeutet: «FIFA»-Fans unterschiedlicher Plattformen dürfen gemeinsam spielen. Allerdings gibt es Einschränkungen: PC-Gamer und Besitzer der aktuellen Konsolengeneration bleiben unter sich. Die Spielart Pro-Clubs ist ebenfalls davon ausgenommen.
Auf dem Platz wiederum nimmt EA Sports einige Änderungen vor: Dank Hypermotion-2-Technologie wurden die Animationen erweitert. Das sorgt dafür, dass Spieler etwa nicht mehr über den Platz rutschen, sondern fest auf dem Rasen stehen. Die Talente agieren schneller und wendiger. Dadurch ist die Steuerung direkter. Dribblings wurden durch verschiedene Sprint-Archetypen ergänzt: Ein explosiver Mbappé nimmt seinen Gegenspielern etwa direkt auf den ersten Schritten Meter ab, während ein Lewandowski ein paar Schritte länger benötigt, um Höchstgeschwindigkeit zu erreichen.
Torhüter agieren nun im direkten Zweikampf besser: Bei Ecken kommt es zu wuchtigen Kollisionen mit den Stürmern. Damit sind hoffentlich die Zeiten vorbei, in denen die Goalies in ihre Gegenspieler hineinragen. EA Sports spendiert neue Offensivmöglichkeiten: Der Power-Shot erfordert mehr Zeit und Präzision, ist aber aus der Distanz enorm gefährlich. Abwarten, ob diese neue Fähigkeit im Online-Modus für Probleme sorgt. Standards wie Elfmeter und Freistösse wurden ebenfalls angepasst und sind jetzt stärker von den Eigenschaften der Spieler abhängig.
Neben der Hypermotion-Bewegungstechnik fallen im Probespiel aber auch einige weitere Neuerungen in der Präsentation auf. Beispielsweise inszeniert EA Sports die Wiederholungen nun mit mehr TV-Charakter: Kamerafahrten und Zeitlupeneffekte sorgen für mehr Dramatik und lassen Torszenen noch besser aussehen.
Auch hier kommt es auf die Details an: Beispielsweise biegen sich beim Keeper die Finger nach hinten, wenn er eine Parade durchführt. Weiterhin fallen hier erst Feinheiten wie Pässe mit dem Aussenrist oder gar mit dem Rücken so richtig auf.
Auch in Sachen Stadionatmosphäre legt «FIFA 23» ordentlich zu: mit lebendigeren Fans auf den Rängen, zusätzlichen Animationen und mehr Gesängen. Dazu gesellen sich Zwischensequenzen, die vor den Matches für Stimmung sorgen und das Drumherum zeigen. Frische Menüs und Aufstellungsbildschirme für die verschiedenen Spielarten runden das Gesamtpaket ab.
EA Sports setzt in «FIFA 23» einen stärkeren Fokus auf den Frauenfussball – kein Wunder beim Erfolg der zurückliegenden Europameisterschaft. Aus diesem Grund ist auch die australische Nationalspielerin Samantha Kerr neben Kylian Mbappé auf dem «FIFA»-Cover. Zudem stehen erstmals neben Nationalteams auch Vereinsmannschaften der Damen zur Auswahl. Bemessen an den bislang angekündigten Kadern ist aber noch Luft nach oben.
Einen Story-Modus wie in der Vergangenheit präsentiert «FIFA 23» nicht. Stattdessen sollen Manager- und Spieler-Karriere mehr Persönlichkeit gewinnen. In der Manager-Karriere wählen Spieler nun aus realen Coaches wie Thomas Tuchel und dürfen sie mit Outfits ausstaffieren. Zusätzlich gibt es erweiterte Transfers mitsamt Abschlussurteil. In der Spieler-Laufbahn verdient man sich nun wie in einem Rollenspiel Punkte in den Bereichen Heartbeat, Maverick und Virtuoso. Die Entwicklung spiegelt die eigene Spielweise wider. Wer keine Zeit hat, ganze Matches zu absolvieren, kann auch nur die Highlights spielen. Das kommt gerade Nutzern mit begrenzter Freizeit sehr zugute.
Sehr schön: EA Sports verbindet den Spielfortschritt von Pro-Clubs- und Volta-Modus. Dadurch kann man sein virtuelles Alter-Ego übergreifend und in neuen Skill-Games verbessern. Für das populäre, wenn auch aufgrund der integrierten Lootbox-Inhalte in der Kritik befindliche, FIFA Ultimate Team modelt EA Sports die Team-Chemie um. Diese ist bei der Zusammenstellung des Kaders wichtig, um die maximale Leistung aus den eigenen Kickern herauszukitzeln.
In «FIFA 23» gönnt einem das Spiel mehr Freiheiten: Beispielsweise müssen Spieler der gleichen Nationalität nicht zwangsläufig nebeneinander positioniert sein, um einen Bonus zu erhalten. Neu integrierte Legenden wie Park Ji-Sung haben auf ihren angestammten Positionen automatisch volle Team-Chemie. Entsprechend wertvoll werden sie auch hier. Zudem möchte man Spielern mehr Gelegenheiten geben, Belohnungen abzugreifen und implementiert dazu die auf den Singleplayer ausgelegten FUT Moments – also Szenarien mit linearen Aufgaben.
Alles in allem macht «FIFA 23» einen guten Eindruck und überzeugt vor allem auf dem Spielfeld. Trotzdem wirken die Innovationen in einigen Bereich nicht konsequent umgesetzt: Die Auswahl an Damen-Vereinsmannschaften erscheint (noch) zu klein. Crossplay gibt es nicht für Pro-Clubs. Und auch die Veränderungen in den Karriere-Optionen sind nicht ganz so weitreichend, wie es sich viele gewünscht hätten. Ein Erfolg wird Platzhirsch «FIFA 23» aber allemal und beim Gameplay macht der letzte Ableger unter diesem Namen einen kleinen Schritt nach vorne.