Dolly Partons «lebensverändernder» Coleslaw, oder: Die Macht der Gurke
Kann ein Krautsalat «lebensverändernd» sein? Sehr wohl, meinen zumindest diverse einschlägige Food-Journis.
Echt, jetzt?
Klar: Wir skeptische Miesepeter-Europäer gehen natürlich davon aus, dass es sich hier wieder mal um einen Fall urtypischer amerikanischer Superlativitis handelt, bei der das Ausmass der Begeisterung in keinem Verhältnis zu dessen Ursache steht.
Und obwohl – seien wir ehrlich – diese Annahme durchaus seine Berechtigung hat, erlauben wir uns doch husch darüber hinwegzusehen und wenden wir uns stattdessen dem Fakt zu, auf den alle hinweisen: Dolly Partons Coleslaw ist ... anders.
Okay, zuerst aber: Coleslaw. Kennt man, oder? Jener Kabis-Karotten-Salat in einem leicht süsslichen, mayonnaise-igen Dressing, wie gerne im Süden der USA als Beilage serviert wird. Klassisch gehört Coleslaw zwingend als Beilage zu einem Texas Barbecue oder Southern Barbecue dazu.
Und Dolly Parton kennt man natürlich auch.

Eine Ikone. Ein Jahrhunderttalent. Eine Songwriterin, deren Werk über 3000 Songs umfasst. Eine Sängerin mit weltweit 100 Millionen verkauften Tonträgern, 110 Singles in den Charts (davon 25 Mal die Nummer Eins der Billboard Country Charts), acht Grammys, 46 Grammy-Nominationen, zwei Oscar-Nominationen, zehn Country Music Association Awards, sieben Academy of Country Music Awards, drei American Music Awards, etlichen Hollywood- und TV-Hauptrollen und einem Klon-Schaf, das nach ihr benannt wurde.
Und auch: Kochbuchautorin.
Erstmals anno 1989 mit Dollywood Presents Tennessee Mountain Home Cooking. Und, erst kürzlich, anno 2024, mit Good Lookin' Cookin': A Year of Meals - A Lifetime of Family, Friends, and Food zusammen mit ihrer Schwester (und Lieblingsköchin) Rachel Parton George. Aus erstgenanntem Buch stammt nun dieses Rezept, das jüngst wiederentdeckt wurde. Los geht's – kochen wir Dolly Partons Coleslaw!
Okay, hier das Rezept: Tennessee Mountain Coleslaw
Zutaten:
- 1 mittelgrosses Weiss- oder Rotkabis
- 1 Zwiebel
- 1-2 Rüebli
- 1 rote Peperoni
- 1-2 EL Cornichons
- 230 g Mayonnaise
- 6 cl Weissweinessig
- 6 cl vom Essig aus dem Cornichons-Glas
- 2 EL Zucker
- 1/2 TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
- 1 TL Salz
Aha. Gesehen? Essig aus dem Cornichons-Glas. Dazu später mehr.
Zubereitung:
- Kabis in sehr feine Streifen schneiden. Oder grob raffeln. Oder – wie ich – die Mandoline verwenden.
(Die Mandoline erzielte das gewünschte Resultat, verursachte aber letztendlich eine mega Sauerei. Nächstes Mal mache ich mir glaub lieber die Mühe, mit dem Messer zu schneiden.)
- Karotten grob reiben, Peperoni in sehr feine Streifen schneiden, die Zwiebel auch. Alles mit dem Kabis untermischen.
- Cornichons fein würfeln. 2 EL davon dem Salat beigeben und untermischen.
- Mayonnaise, Essig, Zucker, Salz, Pfeffer und – und DIES ist offenbar jene besondere Dolly-Note – Essig aus dem Gurkenglas verrühren und dem Salat untermischen.
- Tadaaa: Dolly Parton's Coleslaw!
Pardon – Dolly Parton's LIFE CHANGING Coleslaw, natürlich! Bloss ... ist es natürlich nicht LEBENSVERÄNDERND. Aber es ist ein gutes Coleslaw-Rezept. Echt, jetzt. Wirklich fein.
Und ich habe nachträglich noch ein bisschen Chilis reingetan. Kommt gut imfall.
Zurück aber zu jenem einen Detail, das viele Kommentatoren zum «secret ingredient» deklarierten: Essig aus dem Gurkenglas.
Eine der unerwarteteren Erkenntnisse, die ich während meiner Pendlerjahre zwischen Europa und den USA gewinnen konnte: In (West-) Europa haben wir offenbar das kulinarische Potenzial von Dillgurkenlake noch nicht entdeckt.
Ob als Salatsaucenzutat, ob als Chips-Geschmacksrichtung – Gurkenessig ist ein Standard-Gschmacksprofil. Hey, es ist nicht komplett unüblich (vor allem bei jüngeren Menschen), direkt aus dem Gurkenglas zu trinken. So, ganz normal als Getränk, weisch.
Und nein, das hat nichts mit schwanger sein zu tun.
Selbstverständlich hat die Saure-Gurken-Lake ihren Platz in der Cocktailwelt gefunden. Sehr bekannt etwa ist der Pickleback:
Ein Shotglas Whiskey (oft: Jameson) und ein Shotglas Gurkenessig, zusammen serviert. Man nippt an beiden abwechselnd. Gewiss, ein erlernter Genuss. Aber äusserst fein. Die Säure des Essigs dämpft die Schärfe des Hochprozentigen – und umgekehrt.
Somit ist es nichts als logisch, dass auch der Pickle Martini exisitiert:
Richtig erraten! Das ist ein Dirty Martini, aber statt Olive gibts ein Cornichon, und statt des Schusses Olivenlake kommt stattdessen Gurkenessig rein. Auch hier: Ungemein trinkbar!
Und dass ein Pickle Margarita fein ist, steht ausser Debatte. Lassen wir doch gleich Matthew McConaughey selbst zu Wort kommen:
@nick.digiovanni Pickle Margarita #pickle #margarita ♬ original sound - nick.digiovanni
Langer Rede kurzer Sinn: Nein, Dolly Partons Coleslaw wird kaum dein Leben verändern. Doch der von ihr verwendeten Essiglake aus dem Gurkenglas hingegen sollten wir mehr Aufmerksamkeit schenken. Deinem Gaumen mal etwas Abwechslung schenken – und nebenbei noch ein klein wenig Food Waste verhindern. What's not to love?
