Welcher Weihnachtsfilm wo auf der Welt gefeiert wird
Mit dem Einzug des Fernsehers in die Wohnzimmer der weiten Welt lernte die Zuschauerschaft bald, ein spezielles, auf Weihnachten zugeschnittenes TV-Programm zu erwarten. Dazu gehörten natürlich Live-Übertragungen diverser Weihnachtsgottesdienste (oh ja, we're looking at you, lieber Papst, mit deinem «Urbi et orbi»-Knaller). Aber stets waren auch abendfüllende Spielfilme ein fester Bestandteil dieses Festtagsprogramms – perfekt, um die langen Stunden zwischen dem Auspacken der Geschenke und der Weihnachtsessen-Völlerei zu überbrücken.
Und so haben bestimmte Filme im Laufe der Zeit den Status eines Weihnachtsklassikers erlangt. Einige davon haben tatsächlich eine Handlung, die sich um Weihnachten dreht («Miracle on 34th Street», etwa), andere wirken eher wie zufällig getroffene Entscheidungen der Programmdirektion, die dann im Laufe der Zeit halt zur Tradition geworden sind (einer der Harry Potters am Heiligabend, ein Bondfilm am Stephanstag und dergleichen).
Zur zweiten Gattung gehört auch der traditionelle Lieblings-Weihnachtsfilm der Schweiz: «Tři oříšky pro Popelku».
... Pardon: «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel». Denn auch hier hat die Handlung nichts spezifisch Weihnachtliches an sich – abgesehen davon, dass sie sich grösstenteils in einer hübsch verschneiten Winterlandschaft abspielt. Die Tatsache, indes dass der Originaltitel auf Tschechisch gehalten ist, ist exemplarisch für die Zufälligkeit dessen, was weltweit als Weihnachtsfilm gilt.
In der Schweiz – und in einem gewissen Mass auch in Deutschland und in Tschechien – wäre also dieses Ostblock-Märchen aus dem Jahr 1973 der traditionelle Weihnachtsfilm. So weit, so sattsam bekannt. Doch in etlichen Ländern dieser Welt ist der Streifen gänzlich fremd. Dort wird es mit ganz anderen Filmen erst so richtig weihnächtlich. Hier eine Auswahl:
Australien: «Bush Christmas» (1983)
Mehr Ozzie geht nimmer: Dieser Familienklassiker mit einer jungen Nicole Kidman in ihrer ersten Filmrolle zeigt ein Sommerweihnachten, das tief in der australischen Realität verwurzelt ist und Themen wie Abenteuer, Entschlossenheit und Familienzusammenhalt in der rauen Landschaft des Outbacks feiert.
Deutschland: «Der kleine Lord» (1980)
Der britische Fernsehfilm «Little Lord Fauntleroy» von 1980 gilt in Deutschland als absoluter Weihnachtsklassiker, seit seiner Erstausstrahlung auf ARD am 26. Dezember 1982. Seither wird er alljährlich – meist am Freitag vor Heiligabend – gesendet. Auch hier: Die Handlung ist nicht spezifisch auf Weihnachten ausgerichtet. Aber es geht um Wandlung und Güte und Familienzusammenführung, was ja perfekt zum wohligen Weihnachts-Vibe passt.
Schweden: «Kalle Anka och hans vänner önskar God Jul» (1958)
Im Original heisst das «From All of Us To All of You» und ist der Titel eines Disney-Weihnachts-TV-Specials. Doch in Skandinavien – allen voran in Schweden – ist dieser Trickfilm fixer Bestandteil des Weihnachtsrituals. Um Punkt 15:00 Uhr am Heiligabend (Julafton) wird er ausgestrahlt. Dieser Zeitpunkt ist entscheidend, weil er direkt nach dem traditionellen Weihnachtsessen (Julbord) ist und kurz vor den wichtigen Ereignissen des Abends, wie der Ankunft des Jultomte (Weihnachtsmann) und der Verteilung der Geschenke. Diese feste Zeit ist für Generationen skandinavischer Familien zu einem heiligen, unverhandelbaren Ritual geworden.
Frankreich: «Le père Noël est une ordure» (1982)
Dass Frankreich wieder einmal konträr sein würde, erstaunt uns nicht, oder? Jap, «Da graust sich ja der Weihnachtsmann», so der deutsche Titel, ist ein absoluter Weihnachtsklassiker in Frankreich – aber aus Gründen, die das genaue Gegenteil der herkömmlichen Festtagsstimmung sind. Die Handlung dreht sich um Pierre und Thérèse, zwei zutiefst unglückliche, höchst dysfunktionale Freiwillige, die an Heiligabend bei einer Suizid-Hotline arbeiten. Der Abend entwickelt sich zunehmend chaotisch, mit einem gewalttätigen Ehemann, der als Weihnachtsmann verkleidet ist, dessen einfältiger, schwangerer Begleiterin, einem depressiven Transvestiten und einem bulgarischen Nachbarn, der ekelhafte traditionelle Backwaren mitbringt. Vive la France!
Italien: «Vacanze di Natale» (1983)
Die Italiener haben ein eigenes, spezielles Genre von Weihnachtskomödien, genannt cinepanettone. Und der Film «Vacanze di Natale» (= «Weihnachtsferien») aus dem Jahr 1983 stellt dessen Urknall dar. Er begründete die Tradition, an Weihnachten eine spezielle, mit Spannung erwartete Komödie in die Kinos zu bringen. Der Besuch des Cinepanettone wurde ebenso Teil des italienischen Weihnachtsrituals wie der Verzehr des Panettone selbst.
Japan: «Tokyo Godfathers» (2003)
Im überwiegend nicht christlichen Japan ist Weihnachten weltlich und kommerziell geprägt. Dennoch ist der Animefilm «Tokyo Godfathers» zu einer Art Weihnachtsritual geworden. Die Geschichte spielt zwischen Heiligabend und Neujahr und handelt von drei Obdachlosen – einem Alkoholiker, einer Transgender-Frau und einer ausgerissenen Teenagerin –, die ein ausgesetztes Baby finden und sich auf Spurensuche durch Tokio begeben. Ihre Reise wird von einer Reihe aussergewöhnlicher, lebensverändernder Zufälle (oder: «Weihnachtswunder»? Ha!) geprägt, die letztendlich zur Versöhnung und zur Bekräftigung menschlicher Verbundenheit führen, ... womit wir eigentlich bei den urtypischen Wohlfühlidealen westlicher Weihnachtsklassiker wären.
UK: «The Snowman» (1982)
Der Comicroman von Raymond Briggs aus dem Jahr 1978 war ein gewaltiger Erfolg, und so wurde der 1982 erstmals gesendete Animationsfilm zu einem Instant-Klassiker, der bis heute jedes Jahr zu Weihnachten ausgestrahlt wird. Die Geschichte eines Schneemanns, der zum Leben erwacht und sich mit dem Jungen anfreundet, der ihn gebaut hat, wird gänzlich ohne Dialoge durch Bilder, Handlung und Musik erzählt.
USA: «It's a Wonderful Life» (1946) ...
... uuuund noch etliche weitere. Da sich der Fernseher in den USA im Vergleich zum Rest der Welt viel früher und in weitaus grösserem Umfang in den Haushalten verbreitete, ist es kaum möglich, einen einzigen klassischen amerikanischen Weihnachtsfilm zu küren. Da wurden schlicht zu viele Filme produziert, die um zu viele Zuschauer konkurrierten. Daher steht «It's a Wonderful Life» gleichermassen ganz oben auf der Liste neben «Miracle on 34th Street» (1947), ...
... oder «Holiday Inn» (in dem Bing Crosby «White Christmas» singt) aus dem Jahr 1942, ...
... oder – etwas neueren Datums – «Nightmare Before Christmas» (1993) oder «Elf» (2003).
Und damit muss auch anerkannt werden, dass zwar alle oben genannten Filme in ihren jeweiligen Ländern bis heute Weihnachtsklassiker und Teil des Festtagsrituals sind, daneben aber auch andere, neuere Filme einen ähnlichen Status erlangt haben. Etwa (eine Auswahl) ...
- 🇨🇭, 🇩🇪 – «Home Alone» (1990)
- 🇬🇧 – «Love Actually» (2003)
- 🇫🇷 – «Gremlins» (1984)
- 🇮🇹 – «Trading Places» (1983)
Und ja: «Die Hard» (1988) ist überall auf der Welt ein beliebter Weihnachtsfilm.
