Einen Estrich ausmisten bringt so manches zum Vorschein. Sowas, etwa:
«Hamlyn's All-Colour Book of Quick Dishes», verehrte Damen und Herren! Aka das Buch, das mir das Kochen beibrachte.
Mit ‹Kochen beibringen› meine ich ‹den Kochalltag bewältigen›. Denn damals, mit 15 Jahren, als ich aufhörte, bei Mami zu essen und auf den drei Elektroplatten eines klapprigen Blechherds, der in jener unbenutzten Küche herumstand, meine kulinarischen Gehversuche machte, waren es Rezepte aus diesem Buch, die ich ausprobierte.
Gewiss, meine Mutter und Grossmutter hatten mir das eine oder andere schon beigebracht. Wie man Pasta kocht, etwa. Wie Beilagenreis geht. Und Risotto. Aber Rezepte – Gerichte an sich – kannte ich keine. Ich wollte mich nicht tagaus tagein ausschliesslich von Pasta ernähren und so behändigte ich mir jenes eine Kochbuch, das meine Mutter mit «Kannst haben, ich hab's seit London nicht mehr benutzt» kommentierte.
Kein Lieblingskochbuch, also. Und auch kein Klassiker, leider. Kein «Cucchiaio d'argento», keine Elizabeth David, keine Elisabeth Fülscher (wieso hiessen die alle Elisabeth?), sondern «Quick Dishes» von ... wem eigentlich? Die Autorin – eine gewisse Moya Maynard – findet man nur im Kleingedruckten im Innenband; wo man auch erfährt, dass das Werk 1977 veröffentlicht wurde. Letzteres sieht man ihm auch an:
Das mit den anmächeligen Food-Fotos kam erst in den Neunzigerjahren.
Das Buch sei gedacht für «Leute, die in letzter Minute Gäste bekochen müssen», steht in der Einleitung, und «für arbeitende Hausfrauen oder Mütter, die einen stressvollen Tag hatten» (logisch – Kochen war selbstredend immer noch Frauensache). Und vielleicht auch nicht so schlecht für einen Teenager, der Rezepte ausprobieren möchte.
Was mich heute nun interessiert: Wie gut sind diese Siebzigerjahre-Rezepte gealtert? Und so beschliesse ich, meine allerersten kulinarischen Erlebnisse nachzukochen. Mal sehen, ob sie noch schmecken!
Yay! Ich weiss noch, dass ich als Kind dieses Rezept liebte. Nur logisch, dass das wohl das erste Rezept aus dem Buch war, das ich selbst zubereiten wollte. «GOOD!» steht da (in der Schrift meiner Ma). Und ausserdem: «Less onion» – weniger Zwiebeln, als dort steht, also. Ausserdem erlaube ich mir, die Gurke nicht zu raffeln, sondern in sehr kleine Würfelchen zu schneiden. Los geht's!
Für 4 Personen (als Vorspeise)
Im Rezept wird nicht präzisiert, welche Sorte Zwiebeln man verwenden soll (it was the 70s, hey). Ich verwendete rote Zwiebeln ... aber obwohl ich die Hälfte der angegebenen Menge nahm, stellte es sich als immer noch zu viel heraus. Hmm, ich würde beim nächsten Mal in der Zubereitung vielleicht ganz darauf verzichten und dafür etwas fein gehackte Frühlingszwiebel dazu geben. Jedenfalls ist dieses Salätchen – besonders frisch aus dem Kühlschrank – eine ganz nette Vorspeise, wenn auch ein wenig Kinderfood-mässig. In der Tat, «Good!»
OMG dies war mein aller-allererstes Spaghetti-Rezept! Und – boah! – so ziemlich diametral dem entgegengesetzt, wie ich heute Pastasaucen zubereite. Aber probieren wir's doch mal aus!
Saucenmenge ist für 4 Personen. Pasta nach Bedarf.
Wow. Merkwürdig. Und ein Paradebeispiel dafür, dass eine grössere Anzahl Zutaten nicht zu einem besseren Resultat führen. Fein ist's trotzdem; es schmeckt nur nicht sonderlich nach einem Tomatensugo. Die Verwendung von Mehl, Senfpulver, Worcestershire Sauce und Co. ergibt eine sämige Angelegenheit, die geschmacklich am ehesten an jene Fertigsaucen aus dem Glas erinnert.
«Piquant» ist wohl das englischsprachige Pendant zu «rassig» aus den Betty-Bossi-Büchern derselben Ära – beide Bezeichnungen treffen nicht zu. Trotzdem, obwohl ich seit Jahrzehnten meine Tomatensugi mit wenig mehr als Olivenöl, Pelati und ein Stückchen Knoblauch zubereite, führte der Weg dorthin anfänglich über obiges Rezept.
Ahaaa! Von da hab' ich das Rezept also! Einer meiner Go-To-Salate scheint ebenfalls seinen Ursprung in diesem Buch gefunden zu haben. Nur scheine ich offenbar den «Spinach and Avocado Salad» von Seite 42 mit dem «Crunchy Bacon Salad» von Seite 43 kombiniert zu haben. Und zwar wie folgt:
(Mengen nach eigenem Gutdünken und Common Sense)
Fein! Aus gutem Grund ist dieser Salat bei mir ein Standardmenu geblieben. Er eignet sich übrigens bestens als Hauptspeise.
Oho – das erste Rezept, bei dem ich das Gefühl bekam, einen ‹echten› Znacht vorzubereiten. Weshalb weiss ich nicht mehr so genau. Vielleicht weil es ein Fleischgericht war. Dabei hat's mich damals schon nie richtig umgehauen. Ich hab's trotzdem ein paar Mal gekocht. Probieren wir's also nochmals!
Hmm. Okay, erstens: Sagt mal, Saftplätzli – what the actual F***? Gibt es irgendjemanden, der diese zähen, geschmacksarmen Schuhsohlen fein findet? Da werde ich gleich zum Vegi. Zweitens, das Rezept selbst: Ja, ganz okay. Essbar, gewiss. Nur ist nichts daran, das wirklich begeistert. Worcestershire Sauce und Tomatenmark – das war der Geschmack der Siebziger, offenbar. Und nochmals: Saftplätzli sind eine Zeitvergeudung. Selbst wenn man wie ich die Bio-Dinger verwendet (und selbst wenn sie mit «à la minute» angeschrieben sind). Die Pilzmischung hätte mir besser geschmeckt mit etwas Reis, etwa, oder als Beilage zu Rührei. Wenn schon Rindsteak, dann lieber ein Stück, das saftig ist. Und saignant, bitte.
P.S. Wer ist Betty?
... und alles war ein wenig grauer. Die Farbakzente waren erdige Brauntöne, Olivgrün und Orange. Und die Männer trugen Schnäuze. Und Schlaghosen. Und so schmecken auch die Rezepte aus «Quick Dishes». Food durch eine Siebziger-Brille, halt. Trotzdem habe ich wegen diesem Buch angefangen, mich fürs Kochen zu interessieren. Behalten werde ich's auf jeden Fall. Wenn ich die Rezepte bereits lustig finde, was werden eines Tages meine Enkelkinder dazu wohl meinen?