Als Erstes schliesst er um 21.40 Uhr Victor Giacobbo weg. Lässt ihn, in dessen Fussstapfen er gleich treten wird, in der Garderobe stehen. Die Ansage ist klar: jetzt kommt was Neues. Michael Elsener, gerade mal 33 Jahre alt, soll der neue Stern in der sonntäglichen TV-Nacht auf SRF1 werden. Auf eben jenem Sendeplatz, auf dem seit dem Abgang von Giacobbo/Müller satirische Düsternis herrscht. Er, der Zuger Traumschwiegersohn mit den treuherzigen blauen Augen, soll in weissen Turnschuhen und mit strahlendem Lächeln bitterböse Politiksatire machen.
Humor mit Anspruch, zum Lachen und zum Nachdenken ist seine Devise. «Wir werden mit so viel crazy shit eingedeckt, da gibt es das Bedürfnis von einordnen, abstrahieren, trennen und zusammenfassen», sagte Elsener im Vorfeld der ersten Sendung zu dieser Zeitung.
Und er lässt sofort los. Pierre Maudet ist sein erstes Opfer. Vielleicht ein etwas zu leichtes Opfer. Bis zum ersten richtigen Lacher vergehen zähe Minuten. Elsener muss sich warm reden. Er verbeisst sich aber zu lange in die Maudet-Thematik und schliesst mit einer derben Pointe, für die er sich sogleich entschuldigt. Kein guter Anfang.
Das Setting mit Moderator Elsener alleine am Pult, dazu immer wieder mehr oder weniger gelungene Bildmontage, erinnert stark an das grosse Vorbild der «Heute-Show». Satirisch, witzig, bissig kommentiert Oliver Welke im ZDF jeweils freitags die aktuellen Nachrichten aus Politik und Nachrichtensendungen. Soweit ist Elsener noch lange nicht, aber er ist von Anfang an schneller, gewitzter und klüger als seine beiden oft etwas gar gemütlichen Vorgänger.
Schenkelklopfer und platte Wortspiele sind seine Sache nicht. Der studierte Politikwissenschaftler macht Comedy mit Haltung. Das ist vielleicht weniger witzig, klingt aber länger nach. Etwa beim Thema Klimaschutz, dem Elsener viel Sendezeit widmet. Mit einem klaren Appell an die Politik: «Hört auf den Schwarzen Peter nur an uns Konsumenten abzuschieben.» Vor lauter schlechtes Gewissen singt er zuerst den Guacamole-Song und will bitterböse in einem frisch abgeholzten Regenwald den letzten Panda mit einem Pfeil aus Elfenbein abschiessen. «War ihnen das jetzt zu zynisch?», fragt er danach das Publikum. Um zu einem Rundumschlag an die FDP auszuholen, deren Kürzel neuerdings für «Fuck de Planet» stehe, weil sie immer noch nicht begriffen hätten, dass das Klima« to big to fail» sei.
Für Schweizer Humorverhältnisse ist das schon ziemlich böse. Politiker sollten sich künftig am Sonntagabend warm anziehen. Ihre Aussagen und Interviews werden künftig von Elsener gnadenlos nach Peinlichkeiten und Angriffsmöglichkeiten untersucht.
Elsener hat sich für seine Sendung namhaft verstärkt. Neben ihm sind in «Late Update» jeweils auch Patti Basler, Renato Kaiser und Matto Kämpf zu sehen. Alle drei haben gut abgeliefert. Kaiser hat sich als Aussenreporter um Kopf und Kragen geredet. Patti Basler war an der SVP-Tagung ein echter Höhepunkt und Matto Kämpf als in Politiker-Phrasen verlorener Experte, der am Schluss kollabiert wie das Gesundheitssystem, ist schon jetzt eine Klasse für sich. Alle drei Figuren haben das Zeug den Zuschauern ans Herz zu wachsen.
Zum Schluss kommt dann der unvermeidliche Polit-Gast. Schon bei Giacobbo/Müller waren die Gäste oft der Moment zum Abschalten. Auch Elsener hat Mühe bei SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi seine Gags zu platzieren und diesen von seinen Parteiparolen in etwas seichtere Gewässer zu lenken. Aber er serviert ihm immerhin Tessiner Merlot und gedämpfte Rüebli in Butter.
Fazit: So richtig hell will dieser neue Comedy-Stern am Sonntagabend noch nicht leuchten. Aber da war ein erstes hoffnungsvolles Glimmen. Die Richtung stimmt und Elsener ist der richtige Mann, um dem Schweizer TV-Publikum mit himmelblauen Augen auch mal bitterböse Wahrheiten aufzutischen.