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Dem Schweizer Winter-Tourismus geht es schlecht. Der starke Schweizer Franken macht zu schaffen, der fehlende Schnee. Die Gäste wandern scharenweise ab nach Österreich – darunter viele Schweizer.
Just in diesem Moment schliesst im Engadin ein Berg, der ein Magnet für Touristen ist. Der Bergbahnbetrieb der Lagalb soll am 17. April eingestellt werden.
Weil aus der Schweiz niemand darauf reagiert, hat nun ein Stammgast aus München eine Online-Petition ins Leben gerufen.
Die Reaktionen darauf sind beachtlich. Über 3000 Unterstützer haben sich innerhalb von gerade mal 11 Tagen eingetragen. Was noch mehr erstaunt, ist die Anzahl Kommentare. Es sind über 1000, zahlreiche davon kommen aus dem Ausland. Stellvertretend schreibt Thomas Weingarten aus Schweden: «Die Schliessung der Lagalb wäre nicht nur verheerend für Pontresina, sondern für das ganze Engadin.»
Das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb sich der Petitions-Initiator Florian Wurfbaum aus Deutschland mit grossem Aufwand für die Erhaltung der Lagalb-Bahn engagiert. «Ich will damit die Einheimischen, die Gemeinde-Verantwortlichen und die Leute, die im Tourismus das Sagen haben, wachrütteln», sagt Wurfbaum gegenüber watson. Er ist überzeugt, dass sich der Charakter des Oberengadins auch aus der Diversität des Angebots nährt und dies der Grund für die Ferienplanung von vielen Gästen ist. Mit der Lagalb – dem für Wurfbaum emotionalsten Berg überhaupt – gehe dies verloren. Isoliert gesehen sei der Piz Lagalb vielleicht wirtschaftlich unrentabel. «Als Bedeutung für das Ferienerlebnis Oberengadin darf er aber nicht unterbewertet werden.» Wurfbaum spricht von der Kirsche auf der Torte, wenn er seinen Lieblingsberg beschreibt. Vom Berg, der für das Ur-Skifahren stehe. Dies im Gegensatz zu den grossen und modernen Skigebieten mit ihren autobahnartigen Pisten.
Als zweiter Punkt wollen Wurfbaum und seine Leute aufzeigen, was für Folgen die Schliessung auf das nahegelegene Gebiet Diavolezza hat. Weil viele Schneesportler das Gebiet Lagalb/Diavolezza als Ganzes sähen, gingen mit dem Verlust der Lagalb auch Diavolezza Gäste verloren. Schliesslich drohe diesem Gebiet ebenfalls die Schliessung. Heute fahren ein Drittel der Snowboarder und Skifahrer der Diavolezza am selben Tag auch die Lagalb.
Wurfbaum sagt: «Bleibt die Lagalb nicht erhalten, schafft sich der Tourismus in Pontresina selber ab.» Langfristig sei der Ort trotz hoher Schneesicherheit keine alpine Skidestination mehr. Die Gastronomie, die Hotellerie oder auch die Sportgeschäfte bekämen das zu spüren.
In einer Spezialisierung auf ein Freeride-Gebiet im Winter und einen Downhill-Berg für Biker im Sommer sehen die Initianten der Petition ein Entwicklungspotenzial für die Lagalb. Luis Wieser, Verwaltungsratspräsident der Engadin St.Moritz Mountains (ESTMM) AG, zu der die Lagalb gehört, sagt in der Engadiner Post das reiche nicht. Er weist darauf hin, die Bahn habe in ihrer 53-jährigen Geschichte nicht einmal einen nachhaltigen Gewinn machen können. Gemäss der ESTMM AG schreibt die Lagalb-Bahn einen jährlichen Verlust von 1,5 Millionen Franken. Dieses Geld fehle für die Erneuerung anderer Anlagen auf der Diavolezza, Corviglia oder Muottas Muragl. Wieser versichert: Eine Schliessung der Diavolezza stehe nicht zur Debatte.
Die Tourismusorganisation Engadin St.Moritz kann aufgrund des «langjährigen massiv defizitären Betriebs» die Schliessung nachvollziehen. Man befürworte die Strategie der ESTMM AG, sich auf die drei Berge Diavolezza, Corviglia und Muottas Muragl zu konzentrieren.
Am meisten Interesse an der Rettung der Lagalb müsste die Gemeinde Pontresina haben. Durch eine Schliessung würde sie noch mehr zum Anhängsel von St.Moritz. Das Ganze sei kompliziert, heisst es in Pontresina. Es gebe zu viele verschiedene Interessen. Man akzeptiere die geplante Schliessung, bedaure sie aber, schreibt die Gemeinde Pontresina in einem Positionierungspapier. Und: Sollte sich trotz allem noch eine Lösung für einen Weiterbetrieb mit neuen Investoren abzeichnen, sei der Gemeindevorstand bereit, ein Mitwirken zu prüfen.
Noch ist die Lagalb nicht zu Grabe getragen worden. Doch es sieht nicht gut aus und die Zeit drängt. Die Leute rund um Wurfbaum sind der Meinung, das Gebiet könnte mit einem überarbeiteten Marketingkonzept und den erwähnten Spezialisierungen für die nächsten Jahre erhalten bleiben. Sie hoffen, dass sich noch rechtzeitig ein Investor findet. Vielleicht erwachen die Schweizer ja noch. Und eventuell wird beim einen oder anderen der Stolz geweckt. «Dass wir jetzt schon so weit sind, dass uns die ausländischen Touristen die Skigebiete retten müssen, gibt schon zu denken», sagt Roland Stebler aus Zürich beispielsweise. Er hat die Petition bereits unterschrieben.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es am Horizont. Richard Adam von der Engadin St.Moritz Mountains (ESTMM) AG sagt zu watson: «Im Moment sprechen wir mit einer interessierten Investorengruppe; sie wird am Montag bekannt geben, ob sie das Projekt weiter verfolgen will.»