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Du willst nur das Beste? Voilà:
Sodeli. Hattet ihr schöne Sommerferien? Sicher. Und bestimmt habt ihr toll gegessen, oder? In Kroatien. In Italien. In Thailand. Und vermutlich ist dir der Satz oder jemandem aus deiner Entourage der Satz «Irgendwie schmeckt das besser als bei uns zuhause!» über die Lippen gekommen.
Weisst du was? Du hast Recht.
Okay, es bedarf natürlich einer Inflationsbereinigung: Man ist in den Ferien, das Wetter ist schön, die jungen Leute am Strand ebenso, morgen musst du nicht ins Büro …
Logisch, mundet das Essen da besser!
Hand aufs Herz – ist es nicht so, dass wenn man die rosa Ferienbrille absetzt und das Restaurant-Essen mit demjenigen in der Schweiz vergleicht, die lauwarmen Souvlaki mit den etwas lampigen Frites nicht wirklich besser sind als der Schnipo-Teller im «Ochsen»?
Denn eigentlich hat man hierzulande – im europäischen Vergleich – ein verdammt hohes Niveau, was die Gastronomie betrifft.
Schweizer haben traditionell ein hohes Qualitätsbewusstsein, deutscher «Geiz ist Geil»-Genuss zieht bei uns nicht – hier ist man eher bereit, für Qualität auch zu zahlen. Das wirkt sich auf die Gastronomie sattsam aus.
Somit hätte ich meine Titel-These ja gebodigt, oder?
Leider nein. Ich komme vielmehr «durch die kalte Küche» und behaupte, dass selbst wenn man die Urlaubs-Sommersonne-Subjektivität wegrechnet, Schweizer (Restaurant-) Essen unterm Strich … naja … langweilig bleibt.
Qualitativ mag das ja gut sein. Aber verführerisch, sinnlich, sexy – das ist es nicht.
Ja, man bekommt vielleicht perfekt Gekochtes, ordentlich Angerichtetes. Geht man in etwa in etabliertere Etablissements, werden einem architektonisch-interessant gestapelte Filetstücke gereicht oder grafisch drapierte Sösselis, oftmals mit albernen Bezeichnungen wie «Balsamico-Universum», «Pastiken-Reduktion» oder Ähnliches.
Geschmacklich ist es ... gut. Dezent. Es verhebt (um den helvetischsten aller Helvetismen zu bemühen).
Und nun als Gegenbeispiel das Essen vielerorts in Frankreich: Oftmals ist es eine wahre Zumutung, was sie einem dort vorsetzen.
Und doch kommt in einem spätestens nach ein bis zwei Bissen jenes «Yeah! Geil!»-Gefühl hoch. Umami, Baby! Weil mit starken und eindeutigen Geschmacksrichtungen hantiert wird.
Schauen wir in einem zweiten Gang doch mal gen Italien! Dort ist die Präsentation des Essens oftmals Nebensache.
Aber hey, wieso soll man sich derart Mühe geben, wenn der reine Genuss die Optik alsbald vergessen macht? Hinzu kommt, dass es in jedem zweiten Restaurant in Italien Gerichte gibt, von denen man in der Schweiz noch nie gehört hat.
Auf Nachfrage was dies denn für eine unglaublich feine, unglaublich ungewöhnliche Zutatenkonstellation sei, erklärt einem der cameriere mit einem Schulterzucken, dass es nun mal örtlicher Usus sei, Pasta-Teig aus borragine zu machen.
Deshalb der Aufruf: Schweizer! Seid innovativer!
Und zwar bitte mit etwas Nonchalance, denn der schulterzuckende Kellner mit der hammergeilen Pasta ist ein schöneres Erlebnis als jeder Szene-Koch, der einem lakonische Geschichten von erlesenen Zutaten und raffinierten Zubereitungen auftischt.
Klar, die oben erwähnten Franzosen und Italiener können natürlich mit einem selbstbewussten Swagger an die Sache gehen, ruhig und im Wissen, dass die ganze Welt sowieso von ihrer Küche schwärmt – ein Startvorteil, den etwa die Engländer oder die Schweden nicht haben.
Doch selbst die haben es fertig gebracht, spannenderes Food als in unseren Kantons-Küchen zu kreieren – sogar mitsamt einem appetitlichen Konzept dazu. Die britischen Gastropubs sind das offensichtlichste Beispiel – mit ihren urchigen, simplen Gerichten, die mit hochwertigen Zutaten zubereitet werden.
Mit gut einer Dekade Verspätung haben diese Gastropubs nun auch hier Einzug gehalten. Bravo. Schön. Wo bleibt aber das hierzulande entwickelte, Schweizer Pendant?
Altehrwürdige Knellen gibt's weiterhin (und hoffentlich noch lange!), doch ein Konzept, wie man währschaften Schweizer Food ein wenig aufmischen könnte, lässt auf sich warten. Etwas Authentisches, Selbstgezogenes wäre ohnehin willkommener als das was wir uns oftmals hier als internationale Küche auftischen lassen ... Ach komm' mir da nicht mit dem Thema ausländischer Spezialitätenrestaurants!
Was einem da für verwässerten, verballhornten Fake-Food serviert wird! Pseudo-Inder, Pseudo-Libanesen, Pseudo-Italiener ... die Curries sind nie wirklich scharf und noch seltener frisch, das Mezze-Angebot ist überall dasselbe, und auf jede zweite Pasta wird Rahm gekippt.
«Der Markt bestimmt das Angebot, die Schweizer mögen's halt so», so die gängige Ausrede. Man dürfe den armen Eidgenossen nichts allzu Scharfes, nichts allzu Süsses, nichts allzu Extremes zumuten. Quatsch! Auf die Idee, dass sich des Schweizers’ Geschmack auch verändern könnte, ist man wohl nicht gekommen? Vor 30 Jahren ass man Riz Casimir. Heute isst man Thai-Curry. Quod erat demonstrandum.
Nein, die Schweizer sind längst nicht so stur, als vielerorts angenommen. Als Stefan Tamo, erfolgreicher Zürcher Szene-Gastronom mit Restaurants wie «Josef», «Italia», «Lily’s», die urchige Wirtschaft «Ziegelhütte» im heimischen Schwamendingen übernahm, führte er gewisse Neuerungen ein. Prompt beschwerte sich die Stammkunden, die Gemüsebeilage sei zu wenig durchgekocht. Die Diskussion war eröffnet. Heute ist das Grünzeugs weiterhin frisch und knackig, und der Stammtisch wurde trotzdem nicht verjagt. Und dazu ist noch eine neue Stammkundschaft dazugekommen. Es geht ja!
Womit wir zu meinem Appell kommen: Mehr Mut, allerseits! Gastgeber wie Gäste! Versucht Neues, macht es vielleicht mal so, wie ihrs von euren Lieblingsbeizen im Ausland her kennt. Oder nehmt eure Lieblings-Gerichte aus der Kindheit und frischt diese mal auf! Oder streicht endlich das Pasta Cinque P aus der Speisekarte und setzt dafür bigoli in salsa al saor drauf. Kurzum: Bietet uns etwas, bei dem wir gleich nach der ersten Gabelvoll erstaunt und begeistert konstatieren: Verdammt, ist das geil.
Noch ist nicht aller Tage Abend. Die Signale, die aus der Gastroszene kommen, sind in der Tat ermunternd. In fast jeder Schweizer Stadt eröffnen junge, innovativere Gastronomen Pop-Up-Restis, aus denen oftmals fixe Institutionen folgen. Und was man am letzten Zürcher Street Food Festival, etwa, erleben durfte, stimmt einem hoffnungsvoll: Grossartig leckeres Essen, fast durch's Band. Jetzt muss man dies nur noch in mehr Restaurants bringen!
Bis es soweit ist, nur eine kleine Bitte: Hört auf, mein Steak voll durchzubraten! Danke.