Das sind die wahren epischen Fragen der Menschheit: Der Streit um beliebte Speisen und deren Zubereitung. Egal wohin es einen auf der Welt verschlägt, man wird auf Leute treffen, die davon überzeugt sind, dass ihr Rezept die einzig richtige Zubereitung eines Gerichts darstellt. Ob Torte oder Tamales, Dessert oder Drink. In der Tat, eine der grossen Freuden des Reisens ist das Entdecken von Geschmacksrichtungen, während man sich von einem Einheimischen darüber aufklären lässt. Hier also eine Auswahl einiger grosser Food Fights der Welt:
Fangen wir also gleich in der Schweiz an! Scheinbar geht jeder Ostschweizer mit einem Quäntchen Selbstrespekt gleich an die Decke, serviert man ihm eine St. Galler Bratwurst mit Senf. Die Begründung: Man mache damit den erlesenen Geschmack der Wurst zur – öh – Sau. Damit ist der Senf-zur-Bratwurst-Streit ein Paradebeispiel für Food Fights überall auf der Welt: Es geht um Regionalstolz, der eigentlich in keinem Verhältnis zur geografischen Grösse steht. Manch ein Zugezogener fragt sich dabei: «Weshalb die Aufregung darüber, eine der fadesten Würste der Welt mit einem der fadesten Senfs der Welt zu würzen?» Nun aber ... wie steht's mit euch so, liebe Userschaft?
Seit mehr als einem Jahrhundert tobt ein Krieg um dieses klassische Gericht aus Südfrankreich. Der ehemalige Bürgermeister von Nizza und Kochbuchautor Jacques Médecin hatte eine ganz klare Meinung: «Nie, nie – ich flehe Sie an – nehmen Sie gekochte Kartoffeln oder anderes gekochtes Gemüse in Ihren Salade Niçoise!» Alles Gemüse solle frisch und knackig sein, um die Sonne des Südens zu widerspiegeln. Trotzdem hat sich – auch in Nizza – die üppigere Version durchgesetzt. Im Jahr 2016 postete die französische Sterneköchin Hélène Darroze auf Facebook ein Rezept für Salade Niçoise, das Kartoffeln und grüne Bohnen enthielt. Es wurde als «Sakrileg» und «Massaker am Rezept» beschimpft.
Frische, warme Scones mit jenem unglaublichen doppelt gemoppelten Mega-Rahm und ein wenig hausgemachte Erdbeer-Konfitüre: Eigentlich ist das gar kein Essen, sondern Ursünde in essbarer Form. Boah ist das fein. ABER: Willst du regelrechten Streit zwischen zwei Briten erleben, dann lade jemand aus der Grafschaft Cornwall und jemand aus Devon zum Tee ein, serviere vorhin genannten Speisen und höre und staune. In Cornwall kommt zuerst die Confi auf das Brot und den Clotted Cream obendrauf, während man in Devon zuerst den Rahm auf den Scone streicht und die Konfitüre darauf. Wenn man dann noch die andere Hälfte des Brötchens als Sandwich obendrauf pappt, dann erntet man den Hass beider Parteien gleichermassen.
Laut etlicher Stimmen aus der watson-Kollegenschaft soll dies ein veritabler Streitpunkt in gewissen Regionen der Schweiz sein: Die einen leeren das Apfelmus über das Ghackets und mischen alles unter. Andere essen die Ghackets mit Hörnli abwechselnd mit häppchenweise Apfelmus, das in einem Schäleli daneben steht. Und dann streitet man darüber.
Jaffa Cakes gibt es seit 1927 und sie gehören zu den beliebtesten Süssgebäcksorten Grossbritanniens. Doch darüber, ob es sich dabei technisch um Kekse mit Orangengeleefüllung handelt oder um veritable Kuchen in Miniaturform, scheiden sich die Geister. So sehr, dass mal gar ein Gerichtsprozess geführt wurde: Im Vereinigten Königreich unterliegen Kekse einer Mehrwertsteuer von 20%, Kuchen aber nicht (ein ähnlicher Prozess wurde geführt, um zu beweisen, dass Pringles keine Chips sind). Der Gerichtsprozess ging (knapp, sagt man) zu Gunsten des Herstellers McVitie's aus. Der Gerichtsentscheid erkannte dabei zwar an, dass der Konsum von Jaffa Cakes dem von Keksen ähnele, und dass diese in Supermärkten in der Guetzli-Abteilung angeboten werden, sah aber in Zusammensetzung und Konsistenz des Biskuitteigs eindeutige Merkmale von Kuchen. Ende der Geschichte? Denkste – biete einer Gruppe Leuten Jaffa Cakes an und die Debatte beginnt von Neuem.
Eigentlich sollte es hier keine Debatte geben, denn die Zutaten dieses regionalen Gerichts sind so klar definiert wie fast kein anderes: Guanciale, Pecorino Romano, Ei und schwarzer Pfeffer. Aber in Ländern wie die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, die USA – ach, eigentlich überall, leider – hat es sich durchgesetzt, alles mit Rahm zu übertünchen. Vielleicht hat die eine oder andere nationale Milchwirtschafts-Lobby etwas damit zu tun, vielleicht auch nicht. So erfolgreich ist diese globale Verballhornung eines römischen Gerichts, dass heute irgendwelche Zucchini-Rahmsösseli als «vegetarian carbonara» und ähnlichen Blödsinn angeboten werden. Nichts gegen Zucchini; nennt's einfach nicht Carbonara.
Das ist die «Bratwurst mit oder ohne Senf?»-Debatte Japans: Es ist Osakas Version von Okonomiyaki, jenes herzhaften, pfannkuchenähnlichen Gerichts, das im Ausland mehr Erfolg hat – vielleicht, weil es einfacher zuzubereiten ist: Alles, was man tun muss, ist den Teig und den feingehackten Kohl zu mischen, alle zusätzlichen Zutaten hinzuzufügen, und es zu braten. Hiroshimas Feinschmecker sind aber der Meinung, dass dies zu simpel und chaotisch ist. Okonomiyaki überlasse man am besten den Profis, so der Tenor: Es braucht eine dünne Schicht Teig, dann Kohl, zusätzliche Zutaten (Schweinefleisch, etwa), Nudeln und ein Spiegelei, alles sorgfältig zu einem Turm aufgeschichtet.
Dass Pizza ursprünglich aus Napoli stammt, gilt als gesetzt. Doch die italienische Diaspora ist global und das hat mitunter zu Abwandlungen wie die Chicago Deep Dish Pizza geführt, deren Jünger (lies: Die Bewohner von Chicago) steif und fest behaupten, sie sei die beste aller Pizzen weltweit. Den durchschnittlichen Italiener bringt dies indes zum Weinen, da die Pizza nach Chicagoer Art aus seiner Sicht auf Knusprigkeit und Geschmack zugunsten eines übermässigen Cholesterinspiegels verzichtet. In Napoli selbst weigert man sich, dies überhaupt als Pizza anzuerkennen.
Und den Käse darüber oder separat daneben? Oho – damit kann man offenbar einen Walliser gehörig triggern. Sagt mir jedenfalls unser watsoneigener Haus-Walliser Sergio. Laut ihm wird das Gericht im Wallis «ganz einfach mit Kartoffeln, Cornichons und Silberzwiebeln serviert – ganz klassisch. Das Raclette wird aber nicht über die Kartoffeln gestrichen.» Und auf Brot sowieso nicht.
Ach, ich werde bei dieser Frage nie verstehen, weshalb man nicht gleich beides geniessen darf. Trotzdem stehen sich hier offenbar zwei ziemlich feindlich gesinnte Lager gegenüber. (Dabei lautet die eigentlich richtige Antwort ja «malt vinegar».)
Im Nahen Osten witzelt man, dass in einem Punkt sich die Palästinenser und die Israelis einig sind: Hummus ist gut. Im Zweifel Hummus. Immer.