Sein langjähriger Konkurrent hat die Arbeit beim FC Liverpool zum Ende der letzten Saison niedergelegt. Nach zwei Jahren Bundesliga und ab 2016 acht Saisons in der Premier League wird es erstmals wieder kein Duell zwischen Teams von Pep Guardiola und Jürgen Klopp geben. Doch der katalanische Trainer von Manchester City hat längst einen neuen Herausforderer gefunden: seinen ehemaligen Schützling Mikel Arteta.
Der hat bei Arsenal einen echten Titelanwärter geformt und will den Liga-Krösus nach vier Meisterschaften in Serie und sechs in den letzten sieben Jahren endlich entthronen. Und das könnte Arteta und den Gunners tatsächlich gelingen. Zumindest scheint Manchester City so angreifbar wie nie.
Für einmal blieben die grossen Umtriebe auf dem Transfermarkt aus. Lediglich Savinho, der in der letzten Saison Teil des Höhenflugs Gironas war, kam für 25 Millionen Euro von Partnerklub Troyes. Der 20-jährige Brasilianer könnte mit seiner Torgefahr sowie seiner Stärke als Vorbereiter und im Dribbling eine echte Bereicherung auf dem Flügel sein. Ansonsten verkündeten die Skyblues bisher keinen Neuzugang.
Dafür muss Guardiola in der neuen Saison auf Julian Alvarez verzichten. Der argentinische Stürmer (19 Tore, 13 Assists in der Vorsaison) wechselte für bis zu 95 Millionen Euro zu Atletico Madrid und wird Manchester City womöglich schmerzlich fehlen. Denn mit dem 24-jährigen Weltmeister verlässt die einzige echte Alternative zu Erling Haaland den Verein. Der Norweger wird zwar weiterhin mit seiner Torquote überragen, doch wenn er mal verletzt fehlt – im letzten Jahr war dies in zwölf Spielen der Fall –, muss City ohne Mittelstürmer auflaufen.
Auch sonst ist das Kader des zehnfachen Meisters auf einigen Positionen ungewöhnlich dünn besetzt. Zwar dürfte die Defensive um Ruben Dias, Manuel Akanji und Josko Gvardiol weiterhin für Stabilität sorgen, doch gibt es beispielsweise im defensiven Mittelfeld keinen echten Ersatz für Rodri. Der 28-jährige Liebling von Guardiola ist derzeit – mitgenommen von einer langen Saison, an dessen Ende er Europameister wurde – angeschlagen und wohl noch nicht bereit für einen Einsatz über 90 Minuten beim Auftakt gegen Chelsea (Sonntag, 17.30 Uhr). Ähnlich sieht es wohl im Falle von Kyle Walker, John Stones und Phil Foden aus.
Letzterer wird neben Haaland auch in dieser Saison ein entscheidender Faktor in der Offensive sein. Ebenso wie Kevin De Bruyne. Der offensive Mittelfeldspieler fehlte im letzten Jahr fast die gesamte Rückrunde verletzt, kehrte dann aber zurück, als wäre nichts gewesen. Für sechs Tore und 18 Assists zeichnete der Belgier verantwortlich. In seiner Abwesenheit wurde zusätzlich klar, wie wichtig ein Kevin De Bruyne in Topform für Manchester City ist. Aber wie lange kann der 33-Jährige dieses Niveau noch halten?
Natürlich handelt es sich hierbei um Kritik auf hohem Niveau, jedoch kann sich ManCity selbst eine marginale Schwächung nicht erlauben. In der Vorsaison wurde Arsenal bloss um zwei Pünktchen hinter sich gelassen.
Die Vorzeichen vor Pep Guardiolas womöglich letzter Saison als Trainer der Citizens könnten also besser sein. Zumal der 53-Jährige auch schon motivierter schien. Im nächsten Sommer läuft sein Vertrag aus, vor dem Ende der vergangenen Saison erklärte er: «Die Realität ist, dass ich nach acht Jahren näher an einem Abgang als an einem Verbleib bin.» In Manchester wird angeblich davon ausgegangen, dass Guardiola den Verein im nächsten Jahr verlässt.
Es dürfte also die (vorerst) letzte Chance für Mikel Arteta sein, seinem einstigen Lehrer den Meister zu zeigen. Und das muss er wohl, wenn Manchester City nicht erneut zuoberst in der Tabelle stehen soll. Darauf darf der 42-jährige Baske aber durchaus hoffen. Denn Arsenal scheint prädestiniert dazu, die lange Flaute ohne Meistertitel seit 2004 zu beenden. Das Team ist über die letzten Jahre gewachsen. Nach Anfangsschwierigkeiten unter Arteta, der im Dezember 2019 übernommen hatte, verpasste man die Meisterschaft in den letzten beiden Saisons nur knapp.
Nun wurde die ohnehin überragende Defensive – mit 29 Gegentoren in der letzten Saison die beste der Premier League – um William Saliba, Gabriel Magalhaes und Ben White mit der Verpflichtung von Riccardo Calafiori weiter gefestigt. Das Mittelfeld ist dank Declan Rice und Martin Ödegaard eines der besten der Welt, wobei im offensiven Bereich etwas Tiefe fehlt, sollte Kai Havertz erneut weiter vorne aushelfen müssen. Der 25-jährige Deutsche wurde im letzten Sommer eigentlich fürs zentrale Mittelfeld verpflichtet, kam nach der Verletzung von Gabriel Jesus aber vorwiegend als Stürmer zum Einsatz, wo er hervorragende Leistungen zeigte.
Voraussichtlich wird Arsenal aber noch einen echten Mittelstürmer verpflichten, um weitere Optionen zu haben. Neben Victor Osimhen von Napoli wird derzeit vor allem Viktor Gyökeres von Sporting Lissabon gehandelt. Der Schwede, der in der letzten Saison 43 Tore in 50 Partien erzielte, könnte nicht nur für eine stärkere Konkurrenzsituation im Sturmzentrum sorgen, sondern den Brasilianer Jesus auf die Ersatzbank verbannen.
Sollten die Gunners sich noch einen echten Goalgetter sichern, wäre fast jede Position hochwertig und doppelt besetzt. Ausserdem hat Arsenal in Bukayo Saka einen der besten Flügelspieler der Welt im Kader, der mit seinen 22 Jahren noch immer besser wird. Dazu kommt, dass der 13-fache Meister aus den Direktduellen mit Manchester City vier Punkte holte. Nachdem der 42-jährige Arteta den Guardiola-Fluch bezwungen und seinen Landsmann im achten Ligaduell erstmals geschlagen hat, wäre ein Titelgewinn Arsenals eigentlich die logische Folge.
Ausser dem Team aus Nordlondon scheint kein Team wirklich in der Lage zu sein, im Titelrennen ein Wörtchen mitzureden. Zu viele Unwägbarkeiten gibt es bei den weiteren Konkurrenten. Liverpool und Chelsea haben mit Arne Slot beziehungsweise Enzo Maresca einen neuen Trainer. Es muss sich erst zeigen, wie das zweifelsohne hervorragende Team der Reds um Mohamed Salah, Virgil van Dijk und Co. mit dem Abgang von Motivator Klopp umgeht und wie schnell der neue Niederländer Slot an der Seitenlinie seine Ideen implementieren kann. Selbiges gilt für die auf dem Transferkmarkt sehr umtriebigen Blues, die unter Mauricio Pochettino eine sehr starke Rückrunde spielten, sich nun aber wieder an einen neuen Coach gewöhnen müssen.
Derweil dürfte Aston Villa mit Platz 4 bereits das Maximum aus seinen Möglichkeiten gemacht haben, was sich auch durch die teuren Neuzugänge wie Ian Maatsen (für 44,5 Mio. Euro von Chelsea gekommen) oder Amadou Onana (für knapp 60 Mio. Euro von Everton geholt) nicht ändern dürfte. Schon in den letzten Wochen der Vorsaison zeigte das Team von Unai Emery Auflösungserscheinungen. Die Villans dürften bereits alle Hände voll zu tun haben, sich nach der Champions-League-Premiere wieder einen Platz im Europacup zu sichern.
Denn mit unter anderem Manchester United und Newcastle, wo Fabian Schär weiterhin gesetzt ist, drängen zwei finanzstarke Klubs wieder in die Spitze. Der Sprung von Platz 8 in den Meisterkampf ist für die Red Devils zwar zu gross, aber in den Kampf um die Champions-League-Plätze sollte es nach den Verpflichtungen der Verteidiger Matthijs de Ligt von Bayern München und Leny Yoro aus Lille sowie Stürmer Joshua Zirkzee von Bologna schon gehen. Insgesamt 164,5 Millionen Euro investierte die neue Vereinsführung um Ineos-Gründer Sir Jim Ratcliffe. Trainiert wird der Rekordmeister, der am Freitagabend (21 Uhr gegen Fulham) die neue Saison eröffnet, weiterhin von Erik ten Hag, der trotz der schwachen letzten Saison wohl vor allem wegen des Triumphs im FA Cup im Amt blieb und gar mit einer Vertragsverlängerung belohnt wurde.
Spannend wird die weitere Entwicklung beim Quartett Tottenham, West Ham, Crystal Palace und Brighton zu beobachten sein. Die Spurs begeisterten unter ihrem neuen Trainer Ange Postecoglou in der letzten Saison mit Offensivfussball und haben nun in Dominic Solanke, der für knapp 65 Millionen Euro von Bournemouth gekommen ist, mit einem Jahr Verspätung einen Nachfolger für Harry Kane. Crystal Palace machte nach der Ankunft von Trainer Oliver Glasner einen Sprung von Platz 15 auf Platz 10 und war über die letzten zehn Runden gesehen gar das viertbeste Team der Premier League.
Bei West Ham und bei Brighton stehen sowohl auf dem Platz als auch an der Seitenlinie neue interessante Gesichter. Die Hammers sicherten sich unter anderem Stürmer Niclas Füllkrug von Champions-League-Finalist Dortmund, Flügel-Talent Crysencio Summerville von Leeds sowie die Verteidiger Max Kilman aus Wolverhampton und Aaron Wan-Bissaka von Manchester United. Insgesamt gab West Ham über 140 Millionen Euro aus. Als Trainer wirkt neu der 57-jährige Spanier Julen Lopetegui.
Noch spannender ist der Blick nach Brighton. Die Seagulls haben sich in Fabian Hürzeler, ein in den USA geborener Sohn eines Schweizers und einer Deutschen, ein echtes Trainer-Talent gesichert. Der 31-Jährige führte St.Pauli zum Aufstieg und will seine moderne und auf Offensivfussball ausgelegte Spielidee nun in der Premier League implementieren. Dabei helfen sollen ihm neben den etablierten Brighton-Stars wie Kaoru Mitoma und Evan Ferguson auch die Neuzugänge Brajan Gruda (Ex-Mainz), Yankuba Minteh (Ex-Newcastle) und Mats Wieffer (Ex-Feyenoord), die allesamt 30 Millionen Euro und mehr gekostet haben.
Es rangeln sich also eine Menge Teams um die fünf bis sieben Europacup-Plätze, die in der Premier League zu holen sind. Enttäuschungen sind dabei vorprogrammiert. Dies ist naturgemäss auch am Ende der Tabelle der Fall.
Als grösste Abstiegskandidaten gelten die drei Aufsteiger. Zu diesen gehört neben den Rückkehrern Leicester City und Southampton, die beide den direkten Wiederaufstieg geschafft haben, auch Ipswich Town. Der Meister der Saison 1961/62 kehrte nach 22 Jahren in die Premier League zurück. Dass es bei mehr als einem einjährigen Intermezzo bleibt, wäre eine grosse Überraschung. Ansonsten könnte es auch für Nottingham, Wolverhampton und Fulham eng werden. Beim Klub aus dem Westen Londons steht aktuell noch Kevin Mbabu unter Vertrag, er hat dort jedoch einen schweren Stand und gilt nach seiner Saison auf Leihbasis beim FC Augsburg als Abgangskandidat.
Nicht mehr in der höchsten Liga dabei ist Zeki Amdouni, der mit Burnley abgestiegen und nun bis auf Weiteres einer von vier Schweizern in Englands zweithöchster Liga ist, zusammen mit Christian Fassnacht (Norwich), Michael Frey (Queens Park Rangers) und Anthony Racioppi (Hull City).