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Jedes andere NLA-Team hätte mit dieser Leistung das Spiel gewonnen. Aber bei Ambri ist wieder einmal alles anders. Lugano gewinnt das Tessiner Derby 4:2. Trainer Hans Kossmann bringt die ganze Dramatik dieser Partie in einem Satz auf den Punkt: «Ich möchte, ich sollte wütend («mad») sein, aber ich kann nicht wütend sein.» Genau so ist es: Er müsste wütend sein, weil seine Jungs mit dieser Leistung hätten gewinnen müssen. Aber er darf, er kann nach einer so aufopfernden Leistung nicht wütend sein.
Ein Tessiner Derby unterscheidet sich nach wie vor von allen anderen Partien. Die Auseinandersetzungen zwischen Lugano und Ambri sind nicht die besten, aber die intensivsten Spiele der Qualifikation. Und sehr oft die dramatischsten.
Die Resega ist beim Tessiner Derby mit ziemlicher Sicherheit eines der lautesten Hockey-Stadien der Welt. Diese Stimmung bleibt nicht ohne Einfluss auf die Gladiatoren. Sie werden aufgeheizt. Aufgestachelt. Ambri und Lugano erinnern beim Derby an verkehrt aufgestellte Rockbands. Dort sitzt der Schlagzeuger hinten und vorne auf der Bühne wird die Melodie gemacht. Beim Tessiner Derby wirkt das Spiel, als hätten vorne Schlagzeuger Platz genommen, um den Rhythmus und die Intensität zu bestimmen und alle spielerischen Melodien zu übertönen.
So war es auch gestern. Das technisch bessere, schnellere Lugano (48:29 Torschüsse) braucht mehr als eine halbe Stunde, um endlich sein Potenzial zu entfalten, um das Spiel zu beschleunigen, die Räume zu öffnen, in Schwung zu kommen und den Puck für sich arbeiten zu lassen. Erst in der zweiten Hälfte der Partie macht Lugano die spielerische Musik, die seinen spielerischen Instrumenten entspricht.
Und auch dann ist es immer noch schwierig, sich gegen ein tapferes, cleveres, leidenschaftliches Ambri durchzusetzen, das eine taktische Weltklasseleistung zeigt und mit Nati-Goalie Sandro Zurkirchen einen Hexenmeister als Rückhalt hat. Erst 47,7 Sekunden vor der zweiten Pause und im Powerplay erzielt Frederik Pettersson endlich Luganos Ausgleich zum 1:1.
Aber es passt auch zur DNA von Ambri, dass am Ende eines grandiosen Spiels doch eine unverdiente, eine tragische Niederlage steht. Eine aufopfernde Leistung nicht belohnt wird.
Selbst wer Ambri nicht kennt, wer noch nie etwas von Ambri gehört hat, versteht einzig und allein nach der gestrigen Partie die ganz besondere Tragik dieser Hockeykultur. Der Trainer hat alles richtig gemacht. Seine Jungs haben sich an das taktische Konzept gehalten.
Die «Hinterbänkler» bringen jetzt, im entscheidenden Moment die beste Leistung. Jason Fuchs bucht mit seinem zweiten Saisontor das 1:0. Patrick Sidlers 2:1 ist gar sein erster Saisontreffer. «Wenn diese Jungs Tore erzielen, dann müssten wir ein Spiel einfach gewinnen», seufzt Hans Kossmann.
Aber die drei ausländischen Stürmer, die grossen offensiven Tenöre, treffen nicht. Ja, Alexandre Giroux und Cory Emmerton sowie Inti Pestoni und Thibaut Monnet bleiben nicht bloss ohne Tor – sie stehen am Ende auch noch mit einer Minus-eins-Bilanz da. Hans Kossmann ist ratlos. Soll er toben? Oder soll er als «Stürmerflüsterer» helfen, Selbstvertrauen und Treffsicherheit wiederzufinden? «Ich weiss es nicht. Vielleicht sollten wir etwas ganz Verrücktes probieren – aber was?»
Sandro Zurkirchen hält wie die Hindu-Göttin Kali, die unzählige Arme hat und Wünsche erfüllen kann – doch am Ende wird sich zeigen, dass auch er nur ein Mensch ist und Ambris Wunsch nach drei Punkten nicht erfüllen kann. Er stoppt 93,75 Prozent der 48 Schüsse. Aber das 2:2, nur zwölf Sekunden (!) nach dem 2:1, ist haltbar – und entscheidet das Spiel. «Dieses 2:1 gab uns die Energie, um das Spiel zu gewinnen, das spürten wir alle auf der Bank und wir waren überzeugt: Nun gewinnen wir. Das 2:2 hat uns diese Energie gleich wieder genommen und dem Gegner gegeben.» So schildert Hans Kossmann den Kulminationspunkt der Partie.
Alle Voraussetzungen für den Sieg waren also gegeben. Und doch reichte es am Ende nicht. Nicht einmal für die Verlängerung und damit wenigstens einen Punkt. Gewiss: Wenn Ambri heute und am Freitag gegen Biel so spielt wie gestern in Lugano – dann kann es zweimal gewinnen. Dann wird es für den SC Bern und Lausanne im Kampf um die letzten Play-off-Plätze noch einmal ganz, ganz eng. Die Frage, ob Ambri die Leistung aus dem Lugano-Drama wiederholen kann, entscheidet den Strichkampf.
Es passt zu Ambri, dass Linus Klasen den Siegestreffer zum 3:2 erzielt. Im Gegenzug nach einem Lattentreffer von Adrian Trunz. Linus Klasen und der Doppeltorschütze Frederik Pettersson, zwei der teuersten Spieler ausserhalb der NHL und der KHL, besiegeln Ambris Schicksal. Oder, wer es poetischer mag: Luganos Geld triumphiert am Ende über Ambris Geist.
Und genauso kann auch der Kampf um den letzten Play-off-Platz ausgehen: Berns Geld triumphiert über Ambris Geist. Und dann ist das Drama noch nicht zu Ende. Für Ambri sind die Play-offs immer noch möglich – aber die SCL Tigers sind mit zwei Siegen nach der Nationalmannschaftspause (3:2 gegen Zug, 5:4 in Davos) bis auf drei Punkte herangekommen. Nur noch drei Punkte Reserve auf den elften und zweitletzten Platz, auf die Play-outs gegen Biel.
Blickt Ambri nach vorne, sieht es in Reichweite die Play-offs. Schaut es zurück, sieht es das Abstiegsgespenst. «Wir schauen nach vorne, nicht nach hinten»: Wenn der Allerweltsspruch aller Trainer dieser Welt je einen Sinn hatte, dann in diesen Tagen bei Ambri.