Der europäische Fussballmarkt wird wohl von einem Domino-Effekt eingeholt werden. Neymars Abgang hinterlässt im Kader des FC Barcelona ein grosses Loch. Ein Loch, das mit den 222 Millionen Euro aber locker gestopft werden kann. Dennoch, billig dürfte der nächste Kauf von Barça nicht werden: Jeder Verein weiss nun, wie viel Geld die Katalanen zu Verfügung haben.
Gerüchten zufolge soll Juventus' Paulo Dybala zuoberst auf der Wunschliste Barcelonas stehen. Aber auch Monaco-Sturmjuwel Kylian Mbappé, Liverpools Philippe Coutinho oder Marco Verratti von PSG könnten als Neymar-Ersatz dienen. In der Folge bräuchten auch Turin und Liverpool wieder neue Spieler ... man sieht, wohin das führt.
Der bevorstehende Neymar-Transfer für 222 Mio. € von Barca nach Paris könnte eine wahre Wechsel-Welle auslösen #Neymar #PSG #Barca pic.twitter.com/PznF7gfAWy
— iM Football (@iMFootballNews) 2. August 2017
Nur eines steht jetzt schon fest: Antoine Griezmann wird nicht zu Barcelona wechseln. Barça-Präsident Josep Maria Bartomeu hat seinem Atlético-Gegenstück Miguel Ángel Gil Marín versichert, dass sie nicht hinter dem Franzosen her sind.
Ganz anders die Situation bei PSG. Um nicht mit dem Financial Fairplay in Konflikt zu geraten, sollen einige der renommierten Stars gehen. Zur Diskussion stehen die Abgänge von Julian Draxler, Ángel Di María, Marco Verratti, Jesé, Serge Aurier, Blaise Matuidi und Hatem Ben Arfa. Wer muss über die Klippe springen?
Für die französische Ligue 1 ist der Transfer ein Gewinn. Die Liga ist dank Neymar um eine bedeutende Attraktion reicher geworden. Dass sich ein Spieler von Weltformat entschieden hat, in Frankreich zu spielen, wertet die Liga sicherlich auf. Gleichzeitig wird aber auch die Kluft zwischen Paris St-Germain und dem Rest der Liga nochmals grösser. Einzig Monaco, Marseille und Lyon können finanziell noch einigermassen mithalten.
Der Erfolg für Frankreich ist gleichzeitig aber auch mit Erfolgsdruck für Paris verbunden. Ein Verein, der 222 Millionen Euro für einen Spieler ausgibt, muss Erfolg haben. Das heisst für PSG: Der Meistertitel allein reicht nicht. Ein Titel auf internationaler Ebene, sprich die Champions League, muss her.
222 Millionen für einen einzigen Spieler. Was kommt als Nächstes? Muss sich der FC Barcelona gar Sorgen machen, dass ein verrückter Investor plötzlich die Ausstiegsklausel von 300 Millionen Euro für Lionel Messi bezahlt? Müssen Klubs ihre Starspieler mit astronomischen Ablösesummen in Milliardenhöhe schützen, wie es Real Madrid mit Cristiano Ronaldo macht? Es scheint, als wäre dies der nächste Schritt.
Neymar's £198m move to PSG would be the 15th world-record fee since 1992. We chart them all: https://t.co/HvwdIykM4N pic.twitter.com/EjzdTHsztt
— Sky Sports PL 👑 (@SkySportsPL) 2. August 2017
Der Wechsel von Neymar hat auch Auswirkungen auf die «gewöhnlichen Transfers». Wenn Vereine bereit sind, für Superstars über 200 Millionen Euro zu zahlen, dann kann man für andere gute Spieler auch locker einmal 50 bis 100 Millionen Euro hinlegen. Der Trend zu höheren Ablösesummen ist in der
Premier League gut sichtbar – insbesondere bei Manchester City.
Das Team von Pep Guardiola bezahlte für Benjamin Mendy, einen Spieler mit einem geschätzten Marktwert von 13 Millionen Euro, eine Ablösesumme von 57 Millionen Euro. Auch Kyle Walker stösst für eine Gebühr deutlich über seinem tatsächlichen Marktwert zu den «Citizens». Aber auch West Ham United, Everton oder Leicester City haben für Durchschnittsspieler tief in die Tasche gegriffen.
Die Regeln des Financial Fairplay (FFP) des europäischen Fussballverbands (UEFA) stehen auf dem Prüfstand. Das FFP besagt, dass die Ausgaben eines Klubs über den Verlauf von drei Jahren die Einnahmen um nicht mehr als fünf Millionen Euro übersteigen dürfen. Sollten die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, kann eine Differenz von maximal 45 Millionen Euro durch Investoren ausgeglichen werden. Befolgt ein Verein diese Regeln nicht, kann er mit Bussen und Transferverboten belegt werden.
Nun bezahlte Neymar die 222 Millionen Ablösesumme aber selbst und kassierte dafür als Gesicht der WM 2022 in Katar rund 300 Millionen von Qatar Sports Investments, einem Staatsfonds des Emirats und Mehrheitsbesitzer von Paris Saint-Germain. So soll verhindert werden, dass der französische Hauptstadtklub gegen das Financial Fairplay verstösst.
So läuft das also, wenn man das #financialfairplay umgehen will... 🤔🤔🤔 #Neymar #Katar #PSG pic.twitter.com/IVpgNfnafb
— Eurosport DE (@Eurosport_DE) 31. Juli 2017
Doch verspekulieren sich die Verantwortlichen bei PSG nicht? Der Fall «FC Petrolul Ploiesti» sollte Paris zu denken geben. 2013 stand der damalige rumänische Erstligist vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne. Der Verein war von der UEFA für Schulden in der Höhe von 316'000 Euro und 200'000 Euro an nicht ausgezahlten Bonuszahlungen gebüsst worden.
Ploiesti zog den Fall ans Sportgericht weiter, mit der Argumentation, dass der Verein die Schulden nicht allein zu verantworten hätte. Die Bonuszahlungen an die Spieler hätten von einer externen Vereinigung bezahlt werden sollen und nicht vom Klub selbst. Der Klub hatte sich mit diesem Konstrukt ein alternatives Finanzierungsmodell geschaffen. Hinter der externen Organisation steckte ein Zusammenschluss von vier Partnern, unter ihnen auch die Stadtverwaltung von Ploiesti.
Der Plan ging aber nicht auf. Die UEFA argumentierte, dass die externe Zahlung einen «erheblichen Einfluss» auf den Verein habe. Deshalb sei die Summe auch für die Bewertung im Rahmen der Financial-Fairplay-Regeln relevant. Der internationale Sportgerichtshof gab der UEFA recht, das Urteil blieb bestehen.
Zudem ist es in Paris mit den 222 Millionen Euro nicht getan. Ablöse, Lohn und Prämien für Spieler und Berater zusammen addieren sich auf Ausgaben von rund 850 Millionen Euro – allein für den Transfer von Neymar. Eine gewaltige Summe, die PSG durch entsprechende Einnahmen wieder kompensieren muss.
Deshalb schaut die ganze Welt nun der UEFA auf die Finger. Der Verband hat angekündigt, dass er den Fall Neymar genau untersuchen wird. Für die Financial-Fairplay-Regeln ist das Chance und Gefahr zugleich.
Die UEFA könnte an Paris St-Germain ein Exempel statuieren und mit harten Sanktionen zeigen, dass sie es ernst meint mit der Einschränkung des finanziellen Wahnsinns. Sie kann beweisen, dass sie auch vor grossen Klubs und politischen Maschinerien nicht Halt macht und auch dort Sanktionen ausspricht. Immer vorausgesetzt, dass PSG am Stichtag im kommenden Sommer auch tatsächlich gegen das Financial Fairplay verstossen hat.
Zu guter Letzt muss die UEFA demonstrieren, dass sie sich nicht durch Tricks, wie das eigenhändige Zahlen der Ablösesumme durch den Spieler, aufhalten lässt. Sonst sind die Financial-Fairplay-Regeln nur noch Makulatur.