Wild gestikulierend stehen wir heute morgen zu fünft um den Bildschirm von Kollege Philipp. Der eine hat es deutlich gesehen, das Foul von Benatia an Vazquez gestern Abend, der andere spricht von einer Verschwörung. Wir sind uns auch noch nicht einig, als Newsdesk-Marius als Fussball-Dummy hinhalten muss und wir die Szene an und mit ihm nachspielen. Und wenn sich dann selbst William von den Reportern noch in die Diskussion einschaltet, dann weisst du: Der Fussball ist da, wo er sein sollte.
Genug haben wir gesehen von Meisterschaften die bereits im April entschieden werden, von etwas kleineren Klubs, die in der Königsklasse chancenlos sind. Genug von souveränen Auftritten der Favoriten. Das Chaos und die Dramatik sind in die Champions League zurückgekehrt und das ist gut so.
Nach den Viertelfinal-Hinspielen deutete viel auf einseitige Rückspiele hin. Bloss die Bayern, das einzige Team, das kein Drei-Tore-Polster aus dem Hinspiel mitnahm, qualifizierte sich mit einem 0:0 zuhause letztlich souverän für die Halbfinals.
In Manchester machte City gehörig Dampf, drückte gegen Liverpool nach der frühen Führung auf das 2:0 und musste danach mit dem Schiedsrichter hadern, dass ebendieses 2:0 fälschlicherweise nicht anerkannt wurde. Pep Guardiola intervenierte in der Halbzeit so heftig beim Schiedsrichter, dass er auf die Tribüne geschickt wurde. Der Mann, der mit seinem Team in dieser Saison den englischen Fussball revolutioniert und dominiert hat. Auf einmal ist Guardiola der Depp, Salah auf der anderen Seite wird mit seinem 1:1-Ausgleichstreffer einmal mehr zum Helden.
Auch in Rom sahen wir am Dienstag Helden und eben Verlierer. Ausgerechnet die Eigentorschützen aus dem Hinspiel, Daniele De Rossi und Kostas Manolas, schossen die Römer zu einem unvergesslichen 3:0-Erfolg gegen das grosse Barcelona, das in der Primera Division seit über einem Jahr ungeschlagen ist.
Mit Tränen in den Augen verliess dafür der grossartige Andrés Iniesta das Feld. Gut möglich, dass er Barcelona Ende Saison verlässt und es sein letztes Spiel in der Champions League war. Enttäuscht trottete auch Lionel Messi von dannen, für viele der beste Fussballer der Geschichte, der bei allen Barça-Outs in der Champions League seit 2006/07 kein einziges Tor erzielte.
Und in Madrid? Dort ist es Gianluigi Buffon, der letzte grosse Gentleman des Fussballs, der seine grosse internationale Karriere mit einer Roten Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung beendet. Weil er für einmal die Contenance verliert. Weil ihm, aus seiner Sicht, der Schiedsrichter nach einer fantastischen Aufholjagd seinen Traum vom Gewinn der Champions League zerstört. Und so wird nicht Real-Goalie Keylor Navas nach seinem Patzer beim 0:3 zum tragischen Verlierer, sondern der 40-jährige Buffon, der Juventus bis dahin mit teils überragenden Paraden im Spiel hielt.
Und so wird auch nicht Doppeltorschütze Mario Mandzukic zum Helden, sondern Cristiano Ronaldo, der sich 90 Minuten lang versteckte, um uns nach 98 Minuten dennoch seinen stählernen Oberkörper zu präsentieren. Weil er einen Penalty auch nach fünf minütiger Bearbeitung durch Juve-Spieler noch in den Winkel zimmern kann.
Der Fussball hat in den letzten zwei Tagen wieder einmal bewiesen, wie geil und schön, aber auch wie dramatisch und bitter er sein kann. Wir haben gesehen, wie grosse Spieler und Trainer gefallen sind. Wie sie wütend, traurig und fassungslos über den Platz krochen, weil sie eben auch nur Menschen sind. Wir werden früher oder später aber auch die Helden Ronaldo, Salah oder Manolas nach Niederlagen enttäuscht weinen sehen.
Genau so wie Buffon, Messi und Guardiola bald wieder jubeln werden, spätestens wenn sie die nächste Meisterschaft gewonnen haben. Diese Meisterschaften, die wohl schon vor dem letzten Spieltag entschieden sein werden und wir mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen. Schön, gab es jetzt für einmal wieder ganz viel Drama. Dafür lieben wir schliesslich den Fussball.