«Hockey unter Palmen», «Schönwettermannschaft», «zu viele Häuptlinge». Der HC Lugano sah sich seit dem letzten Meistertitel 2006 Jahr für Jahr mit den gleichen Begriffen konfrontiert. Obwohl Lugano in den letzten zwei Jahren immerhin einmal das Playoff-Final und einmal das Halbfinale erreichte, ist da noch immer dieses Gefühl von viel Talent und zu wenig Ertrag.
Mit dem Ausfall der Schlüsselspieler Alessandro Chiesa, Dario Bürgler und Damien Brunner hat der HC Lugano auf die Playoffs viel seines Talents verloren – und musste sich deshalb selbst neu erfinden. In der Viertelfinal-Serie gegen Fribourg spielen die Tessiner konsequentes Defensiv-Hockey. So konsequent, dass Greg Ireland seinen talentiertesten Spieler Linus Klasen die ersten drei Spiele als überzähliger Ausländer auf die Tribüne schickte.
Wie dieses «neue Lugano» funktioniert, zeigte sich in den Partien gegen Fribourg. Vier Spiele mit weniger Schüssen, dennoch drei davon gewonnen und das vierte erst in der Verlängerung verloren. Die Tessiner spielen kein offensives Abrakadabra-Eishockey mehr sondern besinnen sich auf eine starke Defensive. Aus Künstlern sind Arbeiter geworden.
Dass Maxim Lapierre nach dem Ausfall von Alessandro Chiesa das Captain-Amt der Tessiner übernommen hat, passt perfekt zu diesem «neuen Lugano». Der Kanadier ist zweifelsohne ein talentierter Spieler, sonst würde er die Skorerliste der Playoffs nicht mit 8 Punkten (4 Tore und 4 Assists) anführen. Aber Maxim Lapierre ist kein Scheibenvirtuose. Er ist ein Kämpfer, ein Provokateur, einer den die Gegenspieler hassen. Einer, der in jedem Stadion ausgepfiffen wird – und es geniesst.
Lugano will nicht mehr bewundert werden für seine offensive Spielweise und sein attraktives Eishockey. Lugano will Erfolg und ist bereit, dafür gehasst zu werden. Verlierer kriegen bloss Mitleid aber Gewinner die wahre Anerkennung: Neid und Hass. Lugano ist bereit, dem Ziel Siege einzufahren, alles unterzuordnen. Sollen die anderen doch sagen, es sei unverdient.
«Wir waren nicht die bessere Mannschaft, aber wir haben mehr gekämpft und mehr Schüsse geblockt», so Lugano-Verteidiger Stefan Ulmer nach dem Spiel im SRF-Interview. Ulmer ergänzte: «Sie haben uns klar dominiert, aber solche Spiele muss man eben gewinnen.» Schlechter sein und dennoch gewinnen. Es ist etwas, das Lugano vor einigen Jahren noch nicht konnte und wahre Champions auszeichnet.
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— Micha Hofer (@EuroCaps) 17. März 2018
Mit den neu verfügbaren Daten eine neue Grafik: Spielfluss
Die Anzahl Schussversuche (auf 60 Minuten hochgerechnet) der der beiden Teams über den Verlauf des Spiels.
Hier zeigt die Grafik zum Beispiel, dass im 3. Drittel fast nur Fribourg gespielt hat. pic.twitter.com/oAfIX0a3Tk
Fast schon verzweifelt klingt es bei Gegner Fribourg. «Wir sind nicht weniger gut als Lugano. Ich weiss nicht, weshalb es nicht klappt mit dem Toreschiessen», sucht etwa Julien Sprungen nach Erklärungen. Bei Luganos Ulmer klingt die Taktik hingegen ganz simpel: «Wir stellten uns hinten rein, haben gekontert und so unsere Tore geschossen.»
Wie effizient dieses «neue Lugano» ist, zeigen einige Statistiken zu den bisherigen vier Partien:
Der HC Lugano hat hinter Bern (18) die zweitmeisten Tore erzielt (17). Dazu haben die «Bianconeri» bloss 9 Gegentreffer kassiert. Auch hier ist bloss Bern noch besser (7).
Der HC Lugano hat mit 110 Schüssen in vier Spielen am zweitwenigsten Schüsse aller Playoff-Teams abgegeben. Nur Davos hat noch weniger (104). Fribourg hat am drittmeisten Schüsse (133) abgegeben.
15.45% der Lugano-Schüsse finden den Weg ins gegnerische Tor. Das ist eine ausgezeichnete Quote und deutlich die beste der Liga. Zum Vergleich: Bei Gegner Fribourg liegt die Quote bei 6.77%.
Mit 22.22% hat der HCL eine gute Powerplay-Ausbeute, obwohl Davos (41.67%), der ZSC (29.41%) und Bern (23.53%) noch besser sind. Fribourg hingegen kommt bloss auf eine Ausbeute von 11.76%.
Mit Elvis Merzlikins hat Lugano einen Torhüter, der den Unterschied ausmachen kann. Der Lette mit Schweizer Lizenz hielt bisher 93.23% der Schüsse auf sein Tor. Besser ist bloss Leonardo Genoni mit 96%. Fribourg-Keeper Barry Brust hält hingegen bloss 85.32%.
Mit der überragenden Effizienz und dem hervorragenden Elvis Merzlikins hat Lugano zwei Bausteine, mit denen sie nicht nur Fribourg zermürben können. Die Tessiner haben gelernt, ihr Spiel anzupassen. Können sie das so durchziehen, werden sie am Dienstag ins Halbfinale ziehen. Und dann ist alles möglich. Das «neue Lugano» kann jeden schlagen. Auch wenn sie dafür halt etwas gehasst werden.