Hast du dich schon mal gefragt, was im Köpfchen einer Katze so vor sich geht? Hier kriegst du endlich einen exklusiven Einblick in das Tagebuch von Katzendame Olga. Einmal pro Woche schreibt sie aus ihrem Leben. Weitere Geschichten von Olga findest du hier oder am Ende des heutigen Tagebuch-Eintrages.
Eintrag vom 19. Januar 2017:
Liebes Tagebuch,
eine schwere Krankheit hat mich letzte Woche heimgesucht. Es war schrecklich. Doch während ich im Sterbebett lag und den dämlichen Haarausfall verfluchte, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken.
Erinnerungen kamen und gingen – wie von Geisterhand manifestierten sie sich in meinem Denkapparat. Eine Aussage meines Menschen stach jedoch besonders aus der Menge aller Teilchen meiner schmerzhaften Vergangenheit heraus:
Diese Frage war wie ein Weckruf, nachdem ich mich mein Leben lang unbewusst gesehnt habe. Was will ich eigentlich? Wofür lebe ich? Wonach sehnt sich mein Herz?
Im Angesicht des Todes habe ich mir darüber viele Gedanken gemacht, liebes Tagebuch. Ich habe einige Wünsche – und ich hoffe wirklich, dass sie eines Tages Wirklichkeit sein werden. Ich warte sehnlichst darauf.
Weisst du, liebes Tagebuch, da wären zum Beispiel meine Schnurrhaare. Sie sind zu kurz. Das ist nicht okay. Ich hoffe wirklich, dass sie irgendwann noch wachsen werden.
Als mich dieser Herzenswunsch zum ersten Mal packte, lag ich noch in der Kartonkiste meiner Mutter. Ich habe diesen Traum nie aufgegeben. Nicht wirklich. Ich warte nach wie vor darauf, dass ich eines Tages bei meinem täglichen Spaziergang als der Superstar von morgen entdeckt werde.
Ich werde auch nicht jünger, liebes Tagebuch. Stunden vergehen und ich warte nach wie vor, dass mir endlich mein Traumkater über den Weg läuft. Und nein, Dieter aus dem Nachbartreppenhaus zählt nicht. Er ist zwar niedlich, hübsch, intelligent, witzig, romantisch, liebevoll und hat die längsten Schnurrhaare der Welt, aber das ist mir dann doch etwas zu viel des Guten.
Und das sind nicht bloss leere Worte. Ich werde das tun, liebes Tagebuch. Wirklich. Nur lässt die Inspiration leider auf sich warten. Aber sobald sie da ist, wird alles anders. Echt jetzt.
Drei Portionen Futter pro Tag und mindestens zwanzig Minuten an Streicheleinheiten pro Tag sind definitiv nicht genug. Schliesslich darf er hier in meinem Haus wohnen – da darf man doch auch eine passende Gegenleistung erwarten, nicht wahr? Leider sieht mein Mensch das vollkommen anders. Jeden Tag warte ich darauf, dass er diese Ungerechtigkeit realisiert und sein Verhalten ändert – bisher leider vergebens.
Ich brauche nicht viel, liebes Tagebuch. Ich will doch einfach nur glücklich sein. Doch es ist nach wie vor kein Kater in Sicht. Und meine Schnurrhaare lassen sich mit dem Wachsen ebenfalls Zeit. Unter diesen Umständen kann keine Katze der Welt glücklich sein. Wann hat dieses elende Warten auf das Glück denn endlich ein Ende?
Mit ungeduldigen Grüssen,
Olga von Schnurrhausen